Stephanskirchen – Sie war totsaniert worden, die Villa in der Wasserburger Straße. Vor einem halben Jahrhundert war das 110 Jahre alte Gebäude nahezu aller seiner architektonischen Besonderheiten beraubt worden. Zuletzt stand es viele Jahre leer. „Normalerweise läuft es dann so, dass ein Bauträger sich Gebäude und Grundstück sichert, das Haus abreißt und ein Mehrfamilienhaus baut. Hier lief es glücklicherweise anders“, freut sich Bürgermeister Karl Mair. So anders, dass die Eigentümer, die Rechtsanwälte Drs. Sylvia und Robert Jofer, für die Sanierung der Villa den Hauptpreis bei der Verleihung des Baukulturpreises der Gemeinde bekamen.
Den Baukulturpreis hatte es in Stephanskirchen schon zur Amtszeit von Bürgermeister Rudolf Zehentner (1996 bis 2008) einmal gegeben. 2021 entschied sich der Gemeinderat angesichts der regen Bautätigkeit in der Gemeinde – 133 eingereichte Bauanträge allein in dem Jahr sind Rekord – dafür, diesen Preis wieder aufleben zu lassen und alle zwei Jahre zu vergeben.
Keinen Einfluss,
aber eine Meinung
„Wir haben, so will es das Baurecht, bei der äußeren Gestaltung von Gebäuden abseits von Länge, Breite, Höhe und Firstrichtung wenig Einfluss“, so Mair bei der Verleihung des Baukulturpreises. Aber genau deswegen sei es den Gemeinderäten und der Bauverwaltung wichtig, zumindest öffentlich zu bekunden, welche Sanierungen oder Neubauten sie als besonders gelungen empfinden.
Städtisch am Schloßberg, zunehmend ländlich in Richtung Simssee – Stephanskirchen ist eine sehr heterogene Gemeinde. Dementsprechend unterschiedlich sind auch die Baukulturpreisträger 2021. Aufgrund der sehr langen Pause sind unter den aktuellen Preisträgern auch einige dabei, die nicht erst 2020 bis jetzt sanierten oder bauten. So das Mehrfamilienhaus von Gabriele und Stefan Lechner in der Kraglinger Straße. Es ist ein Holzhaus und so gebaut, dass der Lärm der benachbarten Staatsstraße im Haus keine tragende Rolle spielt. In den Wohnräumen und auf den Freiflächen haben die Bewohner ihre Ruhe. Auch die Fotovoltaikanlage auf dem Dach floss bei der Entscheidung mit ein. Für Lechners gab es einen der drei Anerkennungspreise.
Aus einer Schuhschachtel machte die H+M Immobilien-GbR mit ihrem Architekten Christoph Vorderhuber ein sehr ansprechendes Gewerbegebäude, als sie ihre Immobilie am Kronstaudener Weg aufstockte. 1000 Quadratmeter mehr Nutzfläche entstanden dort. Und die Fassade mit ihren vielen Holzelementen hebt den Bau optisch deutlich aus der Masse der Gewerbebauten heraus. Auch dafür gab es einen Anerkennungspreis.
Im Erdgeschoss eines Kleinbauernhauses aus dem 19.Jahrhundert in der Hofaustraße sollten Büroräume entstehen. Im Zuge dessen sanierten Brigitte und Alfons Leitner das Gebäude behutsam. Die sehr gelungene Farbwahl, die sowohl zum Haus als auch in die Umgebung passt, war der Jury – Bauausschuss und Bauverwaltung der Gemeinde – ebenfalls einen Anerkennungspreis wert.
Während es bei den Anerkennungspreisen zum Teil Diskussionen gab, war der Hauptpreis unumstritten: Ein Jahr lang sanierten Dr.Sylvia Klass-Jofer und Dr.Robert Jofer die Villa in der Wasserburger Straße, bauten zudem das Dachgeschoss aus.
Alte Baumerkmale
wieder hergestellt
Mair, Heimatgeschichtsexperte mit abgeschlossenem Architekturstudium, freut sich ganz besonders darüber, dass Jofers viele alte Baumerkmale wiederherstellten, derer das Haus in den 1960er- oder 1970er-Jahren beraubt worden war. Das fängt an bei den Fensterläden an den geteilten Fenstern und geht über die zweifarbige Fassadengestaltung und die nachgebildeten Pfosten der Umzäunung bis hin zu den schmiedeeisernen Balkongittern. „Vermutlich die teuersten Balkongitter im Landkreis“, lacht Dr.Sylvia Klass-Jofer.