Eine Frage des Wirkstoffgehalts

von Redaktion

Amtsgericht verurteilt Schmerzpatient wegen Cannabis-Produkts zu einer Geldstrafe

Bad Endorf – Eigentlich ging es nur um eine Geldstrafe von 450 Euro. Die sollte ein 32-Jähriger zahlen, weil er eine geringe Menge an Cannabis-Blüten mit sich führte und von der Polizei erwischt wurde. Der Mann ging in Berufung. Und so musste nun noch einmal das Rosenheimer Amtsgericht über den Fall entscheiden. Am 19. Januar 2022 kontrollierten die Schleierfahnder der Polizei in der Bahn bei Bad Endorf einen Mann, der sich bei deren Anblick deutlich nervös zeigte. Das sagte der Polizeibeamte als Zeuge beim Amtsgericht Rosenheim aus.

Durchsuchung
in der Bahn

Die Polizisten nahmen eine Durchsuchung vor und tatsächlich fanden die Beamten bei dem Verdächtigen zwei Gramm Cannabisblüten. Diese hatte der Angeklagte, ein 32-Jähriger, nach eigenen Angaben und mit einem Kaufbeleg nachgewiesen, in einem Geschäft in Rosenheim als „CBD-Arznei“ offen erworben.

Das Ganze wäre von der Staatsanwaltschaft sicherlich wegen Geringfügigkeit eingestellt worden, wäre der Angeklagte nicht schon mehrfach wegen unerlaubtem Besitz und eigenem Anbau von Cannabispflanzen vorbestraft gewesen. Wegen der geringen Menge erging ein Strafbefehl über 30 Tagessätze von je 15 Euro, also insgesamt 450 Euro. Der niedrige Tagessatz erklärte sich daraus, dass der Mann inzwischen Hartz-IV-Empfänger ist.

Der Rechtsanwalt David-Joshua Grziwa legte für den Angeklagten Einspruch ein und so landete die Anklage vor dem Amtsgericht. Zwar legte der Verteidiger ein Attest vor, dass der Angeklagte tatsächlich Schmerzpatient sei. Er werde mit Cannabisprodukten medikamentös behandelt. Der Mandant hatte jedoch eingeräumt, dass er die aufgefundenen Blüten ohne Rezept erworben hatte.

Vor allem argumentierte der Anwalt, es sei kein Wirkstoff-Gutachten erfolgt. So sei ein Vergehen gar nicht nachweisbar. Weil im offenen Verkauf – und dort hatte sein Mandant diese Pflanzenteile angeblich erworben – solche Hanfprodukte nur einen minimalen, strafrechtlich nicht erfassten THC-Anteil enthalten dürfen. So habe sein Mandant davon ausgehen dürfen, dass sie erlaubt sind. Zumindest habe es sich um einen nicht strafbaren Verbotsirrtum gehandelt. Er beantragte Freispruch. Das sah die Staatsanwältin anders. Aufgrund der einschlägigen Vorstrafen sei klar, dass der Angeklagte sehr wohl um die Strafbarkeit gewusst haben müsse. Auch könnte man von einem Wirkstoffgehalt von wenigstens 5 Prozent ausgehen. Selbst wenn es sich um einen Verbotsirrtum gehandelt hätte, so wäre dieser ohne Weiteres vermeidbar gewesen. Sie beantragte also eine Geldstrafe wie im Strafbefehl ausgeworfen.

Das Dilemma von Staatsanwaltschaft und Gericht: Ein Gutachten über den tatsächlichen Wirkstoffgehalt hätte einen Kostenaufwand zwischen 2000 und 3000 Euro verursacht. Gemessen an der zu erwartenden Strafe wäre es ein unverhältnismäßiger Aufwand gewesen. Bei höherem THC-Gehalt für den Angeklagten, bei niedrigem Gehalt für den Staat.

Verbotener
Erwerb von Blüten

Also hatte man darauf verzichtet. Das Gericht erkannte die Gesundheitsprobleme des Angeklagten sowie die geringe Menge an. Nichtsdestotrotz habe es sich um einen verbotenen Erwerb gehandelt. Angesichts der einschlägigen Vorstrafen sah sich der Vorsitzende Richter Vordermayer nicht in der Lage, das Verfahren einzustellen. Deshalb entsprach er dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilte den Angeklagten zu einer relativ geringen Geldstrafe von 450 Euro. Sollte der Angeklagte auf ein Gutachten bestehen, so der Richter weiter, so könne er dies in einem Berufungsverfahren beantragen. Angesichts des Kostenrisikos, so der Verteidiger, sei dies wohl unwahrscheinlich.

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