Pittenhart – „Garten der Vergessenen“ klingt etwas düster, doch das Konzept steckt voller Leben. Das neue Biodiversitäts-Projekt am Hilgerhof in Pittenhart will alte Obstsorten wieder etablieren und vor dem Vergessen retten. Die Extensivierung von Grünland, artenreiches Feuchtgrünland und Staudensamen gibt’s inklusive.
262 vergessene Apfel- und Birnensorten wurden beim fünfjährigen Projekt „Apfel, Birne, Berge“ in den vergangenen Jahren im oberbayerischen Alpenvorland in den Landkreisen zwischen Weilheim und Berchtesgaden gefunden. Darunter winzige Dörrbirnen, süße Schnapsbirnen, herbe Mostäpfel und aromatische Tafeläpfel.
Früchte genetisch
bestimmt
„Oft gab es nicht mal mehr einen Namen oder nur noch einzelne uralte Bäume“, sagt Projektmanagerin Eva Bichler-Öttl vom Landratsamt Rosenheim. Die vergessenen Sorten seien genetisch bestimmt und mit Edelreisern nachgezogen worden, um sie in Sorten-Erhaltungsgärten zugänglich zu machen.
Viele der alten, roh nicht genießbaren Sorten, beispielsweise zur Herstellung von Kletzn oder Most sind aus der Mode gekommen. Stattdessen sind Sorten für den Frischverzehr angesagt. Es werde spannend, was künftig in Backstuben und Brennereien aus Früchten gemacht werde, die nicht als Tafelobst taugen, sagt die Projektmanagerin. Einige Sorten eignen sich zum Destillieren, stellte der Vorsitzende des Südostbayerischen Verbands der Obst- und Kleinbrenner Kajetan Schnitzer fest: „Schützen durch Nützen lautet die Devise der Brennereien“. Viele Birnen- und Apfelsorten zu erhalten sei wichtig, um genügend Obst zu haben, um sortenreine Obstbrände herzustellen, erklärt Schnitzer.
„Wir sind stolz darauf, hier im Landkreis ein weiteres Biodiversitäts-Projekt umsetzen zu können“, freute sich der Traunsteiner Landrat Sigi Walch zum Start der Pflanzaktion im neuen Sorten-Erhaltungsgarten in der Gemeinde Pittenhart. Es sei gelungen, sechs Landkreise entlang der Alpenkette obsttechnisch zu erfassen, um Obstbaumsorten für die nächsten Generationen und für widerstandsfähige, ertragreiche Züchtungen zu erhalten. Der Erhaltungsgarten, der das Sortiment des oberbayerischen Alpenrandes beinhalte, passe perfekt zur Dokumentations- und Begegnungsstätte Hilgerhof, so Walch. Rund 40 Mitglieder des Gartenbauvereins und aus der Nachbarschaft halfen am Aktionstag beim Pflanzen von 130 Apfel- und Birnenspindelbäumen mit.
Laut Markus Breier, Kreisfachberater für Gartenkultur und Landschaftspflege, sei es zudem ein großer Versuch, wie die Obstsorten an den Standorten gedeihen. „Es war eine Riesenherausforderung, sowas kann nur der Landkreis und die Gemeinde gemeinsam schaffen“, stellte Pittenharts Bürgermeister Sepp Reithmeier fest.
Es sei alles andere als einfach gewesen, das rund drei Hektar große Areal für den Landkreis zu erwerben.
„Nachhaltigkeit bedeutet für mich auch Vergangenheit und Zukunft zu verbinden.
Der historische Garten des Kloster Seeons werde mit Obstbäumen wiederbelebt. Im nächsten Jahr werden zusätzlich zu den Spindelobstbäumen auf dem Südhang 90 Birnenhochstämme und auf der gegenüberliegenden Fläche 90 Apfelhochstämme gepflanzt“, informierte Reithmeier.