Trauer nach Unfall in Paraguay

von Redaktion

Mathias Schifflechner (33) aus Schnaitsee stirbt im Armen-Krankenhaus

Schnaitsee – Es ist der Albtraum eines jeden Menschen: im Ausland unverschuldet schwer verunglücken und keine Möglichkeit zur Rückkehr. So passiert einem 33-jährigen Schnaitseer. Im fernen Paraguay lag Mathias Schifflechner nach einem Verkehrsunfall neun Wochen lang auf der Intensivstation. Erst im Koma, dann im Wachkoma – die Chancen, dass er jemals wieder komplett gesund wird, waren äußerst gering. Seine Mutter weilte täglich an seiner Seite. Der Stiefvater, Uwe Wirth, bangte in der Heimat. Den Kampf ums Überleben hat der junge Mann nun verloren: Mathias Schifflechner verstarb am 1. Dezember an Organversagen. Seine Behandlung hatte da schon Tausende Euro verschlungen: Klinikaufenthalt, Medikamente, Anwaltskosten, alles musste die Familie bezahlen, jetzt kommt noch die Überführung der Urne hinzu. Aber alles dauert, die Staatsanwaltschaft hat noch keine Genehmigung zur Feuerbestattung gegeben.

Auswanderung
Anfang 2022

Zu Beginn des Jahres hatte Mathias die Entscheidung getroffen, nach Paraguay auszuwandern. Mit seinem Onkel stand er in Verbindung. Der lebte bereits seit zwei Jahren in Gindi, knapp 100 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Asuncion im Süden des Landes, das flächenmäßig größer als Deutschland ist, aber nur gut sieben Millionen Einwohner zählt. Jährlich wandern Hunderte Deutsche dorthin aus, nach offiziellen Angaben waren es zwischen 2012 und 2021 knapp 4700 Menschen.

Auch Mathias Schifflechner wollte weg. Er fühlte sich in Schnaitsee nicht mehr wohl und überzeugte seine Mutter Angelika (56) und Stiefvater Uwe Wirth (52) von seinen Plänen. Sie stimmten schweren Herzens zu, wussten den Bub ja bei seinem Onkel, dem Bruder der Mutter, in besten Händen. Im Mai verabschiedete sich der glühende Bayern-Fan. Er bekam ein Grundstück geschenkt, wollte heuer mit dem Bau eines Eigenheims beginnen. „Es hat ihm gut gefallen, er war so positiv“, berichtet Stiefvater Uwe Wirth unter Tränen.

Dann kam der 23. September 2022, ein Freitag. Mathias Schifflechner war als Beifahrer angeschnallt mit seinem Onkel in einem Pick-up unterwegs. An einer Kreuzung kam es zur Katastrophe. Beim Abbiegen rammte ein Lkw den Pick-up. Der Onkel kam mit sieben Rippenbrüchen und einer Schulterblatt-Fraktur in eine Privatklinik, Mathias in ein sogenanntes Armenkrankenhaus. Grund: Während der Onkel krankenversichert war, hatte der Schnaitseer keine Versicherung, da er noch keinen festen Job hatte. Der Mechatroniker half, wo er gebraucht wurde.

Die Diagnose war erschütternd. Im Klinikbericht steht: „Schwere TCE nach Glasgow, diffuse SAH in der linken Hemisphäre, plus Hämoventrikel, plus Fraktur mit Einsinken des linken Stirnbeins, Verletzung des geschlossenen Thorax, Fraktur des linken Schlüsselbeins.“ Übersetzt: Schweres Schädel-Hirn-Trauma, Mathias Schifflechner war mehr tot als lebendig.

Mutter Angelika und Stiefvater Uwe Wirth nahmen die nächstmögliche Maschine nach Paraguay. Während der Stiefvater nach fünf Wochen zurückkehrte, um als Frührentner private Dinge zu erledigen, blieb die Mutter bei ihrem Sohn. Das war auch zwingend notwendig, denn in dem Krankenhaus musste sie sich um alles kümmern: Bettzeug kaufen, Wäsche waschen, Ergänzung der Nahrungszufuhr, Medikamente holen und vieles mehr. Sogar eine Matratze musste sie organisieren. „Wäre meine Frau nicht vor Ort gewesen, wäre Mathias sofort verloren gewesen“, sagt Wirth.

Er machte sich in den letzten Wochen schon große Sorgen um Frau und Sohn. „Sie arbeitete am Anschlag“, berichtet er. Nach einem Arbeitsunfall ist er selbst immer noch an der Schulter lädiert. Die Zustände in der Klinik bezeichnete er als katastrophal, kein Arzt spreche deutsch, die Intensivabteilung gleiche einer Abstellkammer.

Täglich saß Angelika am Bett ihres Sohnes, war auch in den letzten Minuten bei ihm. Verschiedene Operationen waren noch geplant. Täglich schrieb sie nach Hause, zum Beispiel: „Mathias hat zwei Entzündungsherde im Körper, einen in der Lunge und einen im Hirn. Und beide müssen dringend entfernt werden. Sein Zustand verbessert sich nicht. Man kann nicht sagen, ob und welchen Schaden er zurückbehält und ob er überhaupt überlebt.“

Als Uwe Wirth seine Frau kennenlernte, war Mathias Schifflechner 15 Jahre alt. Es war in jenem Schicksalsjahr 2005, als die Familie den ersten schweren Schlag erfuhr. Uwes Mutter wurde in Folge zweier Schlaganfälle zum Pflegefall. Ihr Mann kümmerte sich aufopferungsvoll – mit dem schlimmen Ende, dass er am Ende völlig überfordert war. Er brachte das Zweifamilienhaus in Schnaitsee zur Explosion, wurde selbst schwer verletzt, überlebte aber im Gegensatz zu seiner Frau. Die 64-Jährige erlag in einer Münchner Klinik ihren schweren Verletzungen. Er nahm sich ein Jahr später das Leben.

„Wir haben alles wieder aufgebaut, fühlten uns in Schnaitsee sehr wohl“, sagt Uwe Wirth, der jetzt selbst mit den Nerven am Ende ist. Denn: Die Behandlungskosten in Paraguay schossen durch die Decke. Und rechtlich könne der Unfall nicht aufgearbeitet werden, obwohl sich eine Anwältin vor Ort um alles kümmere. Die Polizei wollte seinen Stiefsohn vernehmen, das sei jetzt nicht mehr möglich. Um für die laufenden Kosten aufzukommen, hatte die Familie eigens einen Kredit aufgenommen.

„Der Fall macht mich äußerst traurig, auch rechtlich ist alles so schwierig“, sagt Schnaitsees Bürgermeister Thomas Schmidinger. Er versicherte aber, dass die Heimatgemeinde sich einsetzen und helfen werde. Für solche Fälle stehe auch ein Sozialfonds zur Verfügung. Den betreut Rosi Schönhuber von der Finanzverwaltung in Schnaitsee. „Bei Auswanderungen greift keine Versicherung, die Familie muss alles selbst tragen, da muss die Gemeinde helfen“, sagt sie.

Große Anteilnahme
und Hilfsbereitschaft

Die Anteilnahme in und um Schnaitsee ist groß. Der Freundeskreis von Mathias Schifflechner hat schon gesammelt – mit dem stolzen Ergebnis, dass 10000 Euro zusammengekommen sind. Das Geld war dafür gedacht, Schifflechner mit einer Spezialmaschine lebend zurückzuholen. Weitere Behandlungen und Operationen waren im Krankenhaus Murnau angedacht. Für die Familie von Mathias hat die Gemeinde ein eigenes Spendenkonto eingerichtet. Es trägt den Namen: „Spende für Familie von Mathias Schifflechner“ bei der Sparkasse Wasserburg, DE75 7115 2680 0030 0346 31.

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