Bad Endorf – Der Mann mit dem Schild heißt Andreas Sanders. Seit drei Wochen steht er vor dem Bad Endorfer Rathaus. Er hat noch eine Rechnung offen mit der Marktgemeinde. Diese mit ihm auch. Beide Seiten geben nicht nach.
Die Gemeinde habe seine von Februar bis September geleistete Arbeit nicht vollständig bezahlt, und darum habe er seine Wohnung verloren. So sieht es Diplom-Geologe Andreas Sanders, und so steht es auf seinem Schild. Die Gemeinde habe Sanders gebeten, eine Rechnung für seine Arbeit zu stellen und diese Rechnung innerhalb einer Woche beglichen. So sehen es Bürgermeister, Verwaltungsleiter und Klimaschutzmanagerin – und haben jetzt ein eigenes Schild aufgestellt.
„Das ist
terra incognita“
„Mit so etwas hatten wir es noch nie zu tun“. Geschäftsleiter Martin Mühlnickel ist angesichts der Ein-Mann-Demo etwas ratlos. „Das ist terra incognita“, sagt Bürgermeister Alois Loferer, merklich angefasst von der Situation. Einige Gemeinderäte hätten selber mit Sanders geredet. Erfolglos.
Andreas Sanders kam zu Beginn des Jahres auf die Gemeinde zu und bot an, Klimaschutzmanagerin Cindy Hesl bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Kostenlos. Der Geologe hat das entsprechende Fachwissen und die Erfahrung. Die Gemeinde nahm das Angebot gerne an. Letztendlich bereitete Sanders einen Workshop des Gemeinderates zum Thema Klimawandel und Energiewende inhaltlich und organisatorisch vor, „er hat ja unzweifelhaft die Expertise dafür“, so Loferer. Sanders moderierte den Workshop im Mai auch. Auch dieses ehrenamtlich. Zur allgemeinen Zufriedenheit. „Er ist blitzintelligent, hat vieles auf den Punkt gebracht – es war richtig gut“, sagt Loferer. „Ich habe ihn während der Klausur noch mal wegen eines Honorars gefragt, und Herr Sanders hat betont, dass er diese kostenlos macht“, sagt Cindy Hesl. Bis zu diesem Punkt der Geschichte, bis Ende Mai, sind sich die Beteiligten einig.
Dann aber driften die Ansichten auseinander. Sanders sagt, er habe vorher klar gemacht, dass er die Klausur kostenlos organisiert und moderiert, wenn bei den folgenden Projekten in Sachen Klimaschutz und Energiewende für ihn, den Selbstständigen, Aufträge abfallen. Einen „Handschlag auf künftige Geschäfte“ habe es nicht gegeben, sagt Loferer. Das wäre ohne Gemeinderatsbeschluss gar nicht gegangen. Der Haushalt der Gemeinde gebe es auch nicht her. Die Erwartungshaltung von Sanders sei aber relativ eindeutig gewesen, immer wieder habe es in den Monaten nach der Klausur von seiner Seite Vorschläge für Projekte gegeben, für die er dann aber Honorar wollte, so Mühlnickel. Das wäre dann aber eine völlig andere Basis der Zusammenarbeit gewesen.
Unter den vorgeschlagenen Projekten, so Sanders, sei auch das Angebot gewesen, gegebenenfalls die Bürgerbeteiligung zu diesem Thema vorzubereiten und zu moderieren. Das habe der Bürgermeister aber abgelehnt. Auch das von ihm, Sanders, in der Zwischenzeit ausgearbeitete Energiekonzept wollte die Gemeinde laut Sanders nicht. Daraufhin habe er Loferer gesagt, dass er dann die Arbeit für die Gemeinderatsklausur berechnen müsse.
„Ich will niemanden ausnutzen“
Der Bürgermeister sieht es anders: Er habe Sanders aufgrund dessen Aktivitäten nach der Gemeinderatsklausur aufgefordert, seine bisherige Arbeit in Rechnung zu stellen. „Ich will niemanden ausnutzen, niemandem etwas schuldig bleiben“, sagt Loferer. Und als das nicht passierte, habe die Gemeindeverwaltung Sanders ein Angebot gemacht.
Das wurde auf Sanders Einspruch hin nachgebessert, blieb aber deutlich im Rahmen dessen, was der Bürgermeister auf dem Verwaltungsweg erledigen kann – ohne Gemeinderatsbeschluss. Ende Oktober legte Sanders, dessen Wohnung zu diesem Zeitpunkt wegen nicht bezahlter Miete bereits gekündigt war, seine Rechnung vor. An einem Dienstag. Nach seiner Angabe mit einem Rabatt von zweieinhalb Tagessätzen, so die Rechnung noch in der gleichen Woche bezahlt wird. Ein Rabatt, von dem die Marktgemeinde nichts weiß. Die Überweisung ging noch in der selben Woche zur Bank, wie aus den Unterlagen der Gemeinde ersichtlich ist.
Auf Sanders Konto kam das Geld nicht in der gleichen Woche an, weswegen er die zweieinhalb Tagessätze nachfordert. „Es gab eine Einigung über den Rechnungsbetrag. Da kann Herr Sanders jetzt nicht einfach 2000 Euro zusätzlich verlangen“, sagt Georg Uphoff, Rechtsanwalt der Gemeinde Bad Endorf, dazu. Verzugskosten von 2000 Euro gebe es nicht. Diese Forderung müsste Sanders anmahnen, so Uphoff, und vor Gericht durchsetzen. Die „Mahnwache“ vor dem Rathaus sei nach seiner Auffassung ein Versuch der Durchsetzung mit unlauteren Mitteln. Sanders übe öffentlichen Druck aus, sagt Uphoff, „das halte ich nicht für zulässig.“
Der Druck macht sich durchaus bemerkbar. Immer wieder würden die Mitarbeiter der Gemeinde gefragt, was da los sei, berichtet Mühlnickel. Diejenigen, die mit dem Thema nichts zu tun hatten, seien anfangs ziemlich verunsichert gewesen. Auch die Mitglieder des Gemeinderates müssten immer wieder Rede und Antwort stehen, seien quer durch die Fraktionen sauer, so der Geschäftsleiter.
Kein Zusammenhang mit Wohnungsverlust
Auch deswegen folgte die Gemeinde jetzt dem Rat ihres Anwaltes. Uphoff hat vorgeschlagen, dass die Gemeinde vom Amtsgericht feststellen lassen sollte, dass keine Forderung von Sanders gegen die Gemeinde bestehe und dass es keinen Zusammenhang mit dem Verlust der Wohnung gebe. „Wir müssen die Zivilklage schon deswegen anstrengen, um klar zu machen, dass nicht jeder alles behaupten darf“, so Mühlnickel, „Irgendwo ist dann Schluss.“ Die Gemeinde Bad Endorf und Andreas Sanders treffen sich noch in diesem Jahr vor dem Rosenheimer Amtsgericht.