Knapp 30 Prozent fallen durch

von Redaktion

Der Führerschein ist kein „Muss“ mehr – Fahrschüler benötigen mehr Stunden

Obing/Schnaitsee – Immer mehr Fahrschüler fallen durch die Prüfung. 2021 waren es laut TÜV knapp 30 Prozent. Eine Zahl, die derzeit für viele Debatten sorgt. Auch die regionalen Fahrschulen beteiligen sich an der Diskussion, für sie ist vor allem eines klar: Die Motivation für den Führerschein nimmt ab.

„Das Elterntaxi spielt eine immer größere Rolle“, stellt Metin Mergen, Regionalverbandsvorsitzender vom Landesverband Bayerischer Fahrlehrer im Kreis Rosenheim, nüchtern fest. Viele Jugendliche würden sich heutzutage darauf verlassen, dass Mama oder Papa sie zum nächsten Termin bringen könnten.

Anmeldung erst
nach Druck von außen

„Die Motivation, sich unabhängiger oder freier zu fühlen, die spielt heute keine Rolle mehr.“ Statt einem Willen von innen, würden sich viele seiner Schüler erst aufgrund eines Drucks von außen anmelden. Beispielsweise, wenn die Eltern drohen würden, die Fahrtdienste einzustellen. „Was ist denn das für eine Motivation?“, fragt sich Mergen dann oft.

Dass die Schüler mehr Anreize bräuchten, um zu lernen, das nimmt auch Gerhard Entholzner, Inhaber der Fahrschule Entholzner mit Filialen unter anderem in Gars, Babensham, Schnaitsee und Obing, wahr. „Bei der jetzigen Generation ist es nicht mehr so, dass sie den Führerschein wollen“, erzählt er. Wenn, dann sei dieser eher eine Notwendigkeit, „oder weil man ihn halt macht.“ Doch als Fahrschule könne man auch Motivation schaffen und kreativ werden, ist Entholzner überzeugt. „Wir machen viel über moderne Medien“, sagt er. Junge Leute, die er hier mit den richtigen Botschaften erreiche, seien gewillt, dass es mit der Prüfung klappe.

Robert Hoffmann, Inhaber der Fahrschule Hoffmann mit Filialen in Wasserburg, Traunreut und Trostberg, stellt auch bei einzelnen Schülern eine mangelnde Verkehrserziehung durch die Eltern fest. „Natürlich, wenn mich Helikoptermama überall hinfährt, dann sind die Voraussetzungen andere“, erklärt Hoffmann. Er warnt allerdings vor einer Pauschalisierung. „Das sind immer Einzelfälle.“

Einen möglichen Grund für die bundesweit steigende Durchfall-Quote sieht Hoffmann allerdings auch bei der häufiger auftretenden Sprachbarriere. Viele Fahrschulen würden Schüler, deren Muttersprache nicht Deutsch sei, zu früh zur Prüfung schicken. „Da muss man vorsichtig sein“, sagt er und spricht aus Erfahrung: „Das war bei uns auch am Anfang ein Problem.“ Inzwischen habe er aber viele mehrsprachige Fahrlehrer und würde verstärkt darauf achten, dass die Schüler gut auf die Prüfung vorbereitet seien. „Aber ich denke, da gibt es immer noch einige Fahrschulen, die dieses Problem unterschätzen.“

Regionalverbandsvorsitzender Mergen sieht aber noch einen anderen, viel wichtigeren Grund für die steigende Durchfallquote: das Smartphone. „Zu meiner Zeit war man noch auf dem Beifahrersitz gesessen und hat beobachtet, was auf der Straße alles passiert“, erklärt Mergen, „heutzutage sitzen die Jugendlichen am Smartphone. Sie machen keine Verkehrsbeobachtung mehr.“

In der Fahrschule müsse man deshalb bei der Ausbildung bei null anfangen. „Man muss den Schülern erst einmal verkehrsgerechtes Verhalten beibringen“, erzählt der Vorsitzende. Dadurch steige nicht nur die Durchfallquote, auch die Anzahl der notwendigen Fahrstunden nehme nach seiner Wahrnehmung zu. „Vor fünf, sechs Jahren waren es noch dreißig bis fünfunddreißig Stunden, heute brauchen die Schüler vierzig Stunden – wenn sie gut sind“, stellt Mergen fest.

Dass die Stundenzahl steigt, kann auch Uwe Eggerl bestätigen. Er ist Inhaber der Fahrschule Eggerl und betreibt Filialen unter anderem in Wasserburg, Edling, Albaching und Rott. Weniger Verkehrserziehung könnte bei der steigenden Ausbildungsdauer eine Rolle spielen, glaubt Eggerl.

„Früher hatten die Schüler oft einen Mofa- oder Moped-Führerschein, jetzt kommen sie oft ohne Erfahrungen.“ Er vermutet allerdings, dass die höheren Stundenzahlen eher aufgrund der abnehmenden Motivation zustande kommen.

Höhere
Anforderungen

„Die Sehnsucht nach dem eigenen Fahren hat abgenommen“, sagt Eggerl. Bei seinen Schülern beobachte er eine Werteverschiebung. Statt der eigenen Mobilität würden Smartphone und Internet immer wichtiger werden.

„Man muss aber auch sagen, dass die Prüfungsanforderungen deutlich höher sind als vor 20 Jahren“, stellt Eggerl fest. Einen signifikanten Anstieg bei der Durchfallquote könne er aber in seiner Fahrschule trotz allem nicht feststellen. Ähnlich geht es auch Hoffmann und Entholzner. „Es sind nach wie vor eher Einzelfälle“, sagt Hoffmann.

Artikel 4 von 11