Kein „Waldmeister“ im Jahr 2023

von Redaktion

Stephanskirchner Gemeinderat kippt Wettbewerb für Umweltschutz

Stephanskirchen – Die knapp 11000 Einwohner große Gemeinde zwischen Inn und Simssee ist in großen Bereichen (vor)städtisch geprägt, in anderen wiederum sehr ländlich. Wert auf Artenvielfalt und den Erhalt von Lebensräumen legen Kommunalpolitik und Gemeindeverwaltung nicht erst seit gestern. 2009 gab es den ersten Entwurf für ein Mähkonzept der gemeindlichen Grünflächen – es muss nicht immer englischer Rasen sein. Seit 2018 ist Stephanskirchen eine von zehn Gemeinden in Bayern auf dem „Marktplatz der biologischen Vielfalt“, auch „Biodiversitätsgemeinde“ genannt.

Viele Programme zugunsten der Natur

Schon seit dem Jahr 2000 zahlt die Gemeinde eine „Offenhaltungsprämie“ an all die, die im Bereich Südende Simssee, Sims und Zuläufe, Simser Filze und Westerndorfer Filze Wiesen- und Streuwiesenflächen offen halten. Kommunale Förderprogramme gibt es für dauerhafte Saumstrukturen im Ackerland, zur Artenanreicherung im Grünland, für die private Dach- oder Fassadenbegrünung und zum Waldumbau.

Allein für die Förderprogramme gibt die Gemeinde im Jahr rund 10000 Euro aus. So viele Programme sind in einer Kommune eher selten, sagt Bürgermeister Karl Mair (Parteifreie), „vielleicht in der Summe einmalig in Bayern“. Auch wenn bei einigen die Teilnehmerzahl überschaubar ist, „jeder, der auf einem guten Weg ist, ist es wert“, findet der Bürgermeister.

Die Aktivitäten der Gemeinde Stephanskirchen haben sich herumgesprochen. Nicht nur im Landkreis. Auch über Landesgrenzen hinweg. So war Ende vergangenen Jahres die Umweltkommission der Gemeinde Ruggell aus dem Fürstentum Liechtenstein zu Gast in Stephanskirchen. Anlass des Besuches der Delegation war deren Interesse an der Biodiversitätsstrategie der Gemeinde. Nach drei Vorträgen folgte eine Exkursion durch das Gemeindegebiet, bei der sich die Liechtensteiner Delegation selbst ein Bild von verschiedensten Landschaftspflegemaßnahmen machen konnte. Nicht fehlen durfte dabei ein Besuch des Lehr- und Selbstversorgergartens des Obst- und Gartenbauvereins an der Kreuter Straße.

Begeistert waren die Gastgeber, allen voran der leidenschaftliche Gärtner Mair, von einer Tausch-Aktion von Pflanzen in Ruggell. Da werden nicht heimische Gewächse wie Essigbaum, Sommerflieder oder Kirschlorbeer unentgeltlich gegen einheimische Sträucher wie Kornelkirsche, Hainbuche oder Holunder getauscht. Oder auch Letztere sehr günstig verkauft.

Was allen Beteiligten auffiel: Wie sich die so sehr unterschiedliche Größe es Landes – Liechtenstein hat gerade mal 38500 Einwohner im Vergleich zu Deutschlands 83 Millionen – auf politische Entscheidungsprozesse auswirkt. „Als überzeugten Kommunalpolitiker fasziniert es mich, wie nah im Kleinstaat Liechtenstein die Gemeindeebene an der Landesebene liegt. Eine gute Idee vor Ort wird gleich im ganzen Land umgesetzt“, sagt Mair. Und: „Wenn ich daran denke, wie lang bei uns in Deutschland die Wege sind, frage ich mich ernsthaft, wie wir so den Klimawandel und die Energiewende bewerkstelligen wollen. Sich nur auf den Innovationsgeist leistungsstarker Gemeinden zu verlassen, ist ganz klar zu wenig.“

Und doch hat auch in Stephanskirchen die Biodiversität ihre Grenzen. Beim „Waldmeister“ war es dann so weit. Nach dem „Wiesenmeister 2021“ und dem „Naturgartenmeister 2022“ hätte in diesem Jahr der Titel des „Waldmeisters“ verliehen werden sollen. Karin Gall hatte die Kriterien mit einem Vertreter der Waldbesitzervereinigung, einem Förster und dem Bund Naturschutz durchgesprochen. Prämiert werden sollten Waldbesitzer, die ihren forstwirtschaftlich genutzten Wald besonders ökologisch und strukturreich gestalten. Doch schon im Umweltausschuss gab es darüber Diskussionen. Den einen war die Mindestgröße des Waldes zu gering, die anderen befanden, dass die Gemeinde andere Probleme habe als Waldbader, solange noch Harvester im Einsatz sind und die dritten hatten Zweifel an der Zahl der Teilnehmer. Erika Riedrich (Parteifreie) wandte ein, dass zur Biodiversität auch Öffentlichkeitsarbeit gehöre und dafür eigne sich eine solche Meisterschaft durchaus. Dafür, hieß es dann in der jüngsten Gemeinderatssitzung von Jacqueline Aßbichler (CSU), sei aber vielleicht mehr Aufklärungsarbeit im Vorfeld nötig.

500 Euro für die
„Wertschätzung“

Robert Zehetmaier (Bayernpartei), einer der energischsten Gegner der Waldmeisterschaft, störte sich nach wie vor an der Fläche: „3000 Quadratmeter sind kein Wald.“ Gerhard Scheuerer meinte, es fänden sich keine drei Teilnehmer. Steffi Panhans (SPD) fand die Meisterschaft, deren erster Platz mit 500 Euro dotiert ist, eine „Wertschätzung derer, die Stephanskirchen bunter und insektenfreundlicher machen.“ Eine Wertschätzung, die eine denkbar knappe Mehrheit nicht teilte: Der Wettbewerb wurde mit elf gegen zehn Stimmen gekippt. Einen Waldmeister 2023 wird es nicht geben.

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