Infektionen am laufenden Band

von Redaktion

Julia B. hat einen Immundefekt. Sie ist im Kampf gegen Infektionen aller Art dringend auf Blutplasma-Spenden angewiesen. Doch es herrscht ein aktuter Mangel an Plasma. Die Patientenorganisation dsai mit Sitz in Schnaitsee schlägt nun Alarm.

Schnaitsee – 2022 war die Lage für Menschen, die dringend auf Blutplasma-Spenden angewiesen sind, besonders dramatisch. Denn damals hatte sich die Versorgungssituation weiter verschärft – als Folge eines Medikamenten-Lieferstopps.

Keinen Engpass
entstehen lassen

Die Patientenhilfsorganisation dsai mit Sitz in Schnaitsee schlug Alarm. Die OVB-Heimatzeitungen forderten das Bundesgesundheitsministerium zur Stellungnahme auf. Das Ministerium versprach, „im Rahmen der Zuständigkeiten“ alle Möglichkeiten zu ergreifen, um einem Engpass entgegenzuwirken. Mit Erfolg: Auf Initiative von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wurde tatsächlich eine Gesetzesänderung aus dem Boden gestampft, die Anfang des Jahres in Kraft trat, freut sich Sabine Aschekowsky, Pressesprecherin von dsai.

Der Hersteller hob den Lieferstopp als Folge von Streitigkeiten über Rabattforderungen auf, berichtet sie. „Nichtdestotrotz schwebt das Damoklesschwert des Plasma-Mangels über Deutschland und der gesamten EU“, bedauert Aschekowsky. Dies betreffe nicht nur Immundefekt-, sondern auch Krebspatienten. Der Bedarf an Blutplasma steige ständig, Bemühungen für eine bessere Versorgung würden viel zu schleppend verlaufen.

Auf diese prekäre Situation weist auch der „Tag der seltenen Erkrankungen“ hin, der seit 2008 weltweit in über 100 Ländern genutzt wird, um auf die Situation von Menschen mit seltenen Erkrankungen medial aufmerksam zu machen. Schon Wochen vor dem eigentlichen Aktionstag am 28. Februar startete das mehrstufige Programm von dsai e.V. zum Tag der seltenen Erkrankungen 2023. Gemeinsam mit ihrem Netzwerk aus Forschung, Medizin und Industrie möchte die Patientenorganisation den Betroffenen mit angeborenen Immundefekten Gesicht und Stimme geben. Denn sie sind auf lebensnotwendige Präparate aus menschlichem Blutplasma und damit auf Plasmaspenden angewiesen. Die Medikamente, sogenannte Immunglobuline, können nicht künstlich hergestellt werden, so dsai.

Zu den Betroffenen gehört auch die 34-jährige Julia B., die nach einer Odyssee durch Praxen und Krankenhäuser mit 27 Jahren endlich die Diagnose „angeborener Immundefekt“ erhielt. Julia leidet an einem sogenannten „Kombinierten Immundefekt“ (Combined Immunodeficiency= CID), einer seltenen angeborenen Erkrankung des Immunsystems. Der Begriff „kombiniert“ wird laut dsai verwendet, da sowohl die Abwehrzellen als auch die Bildung von sogenannten Antikörpern gegen Erreger betroffen sein können.

Der Diagnose „angeborener Immundefekt“ ging ein langer Leidensweg voran. Julia erzählt: „Schon als Kind war ich ständig krank. Ich schnappte alles auf, was herumflog. Andere Kinder waren natürlich auch mal krank. Aber bei mir war das einfach nicht mehr „normal“.

Zu häufigen Infekten, wie schmerzhaften entzündlichen Mandelentzündungen in der Kindheit, kamen Pilzinfektionen, Gehirnhautentzündungen, Asthmaanfälle und Blasenentzündungen, bis hin zu Nierenbeckenentzündungen und Lungenentzündungen. Das ging so weit, dass ich aufgrund dieser Infektionen septische Schocks erlitt, Blutvergiftung und Embolien, dazu ständig Hautausschläge und Augenentzündungen und auch noch grauen Star bekam.“

Die Infusionen mit Immunglobulinen, die sie nach der Diagnose erhielt, waren ein Segen, wie sie erleichtert berichtet. „Zuerst bekam ich sie in der Klinik intravenös, schließlich konnte ich sie dann auch zu Hause selbst subkutan verabreichen, mittels einer Pumpe. Leider reicht oft nicht einmal die Gabe von Immunglobulinen aus, um Infektionen vollständig zu verhindern. Ich bin Dauergast im Krankenhaus und muss mich vor Viren schützen, weil mein Körper selbst keine Antikörper bilden kann“, berichtet die Betroffene. „Seit Corona verstehen mich die Immungesunden besser, weil jetzt jeder weiß, wie sich Isolation anfühlt.“ Es gebe gute und nicht so gute Tage. Täglich sei sie dankbar, dass es Menschen gebe, die Blut und Blutplasma spenden würden. Das sind laut dsai zwei unterschiedliche Spendearten. Leider könne man nicht überall Plasma spenden, das ist meist nur in Großstädten möglich. „Meine Medikamente werden aus Blutplasma hergestellt und ohne diese Medikamente können meine Organe so geschädigt werden, dass sie nicht mehr funktionieren“, berichtet Julia.

Julia B. eine von
vielen Betroffenen

Betroffene wie sie gibt es laut dsai in ganz Deutschland. Mit ihrer Patientengeschichte gibt die dsai zum Tag der seltenen Erkrankungen allen Betroffenen eine Stimme; sie will allen Menschen Mut machen, die Ähnliches wie Julia B. erleben, aber noch keine Diagnose erhalten haben. Diese Geschichte solle zudem aufzeigen, wie wichtig weiterhin die Aufklärung von Ärztinnen und Ärzten über angeborene Immundefekte und andere seltene Erkrankungen sei.

Auch 2023 werden von dsai e.V. deutschlandweit zertifizierte ärztliche Fortbildungen organisiert, in Kooperation mit den jeweiligen Universitätskliniken, um immer mehr niedergelassene Ärztinnen und Ärzte für das Thema zu sensibilisieren und eine möglichst frühe Diagnose zu ermöglichen. Für Aufklärung wirbt dsai auch im Europäischen Parlament. Eine Abordnung aus Schnaitsee war jüngst vor Ort.

Das ist die Organisation dsai

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