Ein Leben im fremden Körper

von Redaktion

Aron Mölders aus Rott lebt heute als Mann – Doch das war nicht immer so

Rott – Wenn man Aron Mölders gegenübersitzt, sieht man einen gut aussehenden, sportlichen Mann. Jeans, weißes Shirt, dunkelgraue Strickjacke, runde Brillengläser, flotter Kurzhaarschnitt. Nie würde man auf die Idee kommen, dass Aron Mölders einmal anders hieß – nämlich Marion. Denn der 54-jährige Physiotherapeut aus Rott war früher eine Frau.

Einen langen Weg hat Aron Mölders auf dem Weg zum Mann hinter sich. Nicht nur die körperliche Veränderung, die er vor zehn Jahren begonnen hat, sondern auch die mentale und emotionale Arbeit, die hinter der Transformation steckt, war für ihn hart.

Wie aus Marion
Aron wurde

Aron Mölders – damals noch Marion – wuchs in einer streng katholischen Familie auf. Er wurde als Mädchen schon immer als „burschikos“ bezeichnet. „Ich war mit den Jungs Fußball spielen, bin auf Bäume gekraxelt“, erzählt er. Kleider wollte er nie anziehen, musste aber.

Auch die Pubertät sei für ihn sehr schwierig gewesen. „Mein Körper hat sich verändert. Damit bin ich überhaupt nicht klar gekommen. Ich war ungefähr 17 Jahre alt, als mir bewusst wurde, dass ich mich sexuell zu Frauen hingezogen fühle.“ Für seine Mutter damals ein No-Go. „Sie war streng katholisch und hat mir klar gemacht: Du bist eine Frau, du musst Kinder bekommen und heiraten“, erzählt er.

„Also habe ich mich gefügt. Ich habe meinen damaligen Mann kennengelernt und wir haben zwei Kinder bekommen. Heute sind sie 24 und 22 Jahre alt – und sie nennen mich immer noch Mama, denn einen Papa haben sie ja schon“, erklärt er lachend. „Auch die Beziehung zu – heute meinem Ex-Man – war soweit für mich in Ordnung, wir haben uns gut verstanden, es war harmonisch.

Schließlich verliebte sich der Physiotherapeut in eine Frau und verließ seinen damaligen Mann. „Das war sehr verletzend für ihn, doch im Endeffekt ging es dabei um mich. Das hat er dann schon verstanden. Wir haben viel darüber geredet, auch mit den Kindern. Die haben es sehr gelassen genommen, damals waren sie sechs und acht Jahre alt. Für sie war es kein großes Thema, dass ihre Mama ab da mit einer Frau zusammen war“.

Auch der Gedanke, sich körperlich in einen Mann zu verwandeln, reifte in Aron Mölders heran. „Ich wollte damit eigentlich warten, bis meine Kinder volljährig sind. Ich dachte, es ist einfacher für sie, wenn sie erwachsen sind. Zu der Zeit waren sie zehn und zwölf Jahre“, erzählt er.

„Ich will ein
Mann sein“

Doch es kam anders: „Ich gelangte an einen Punkt, an dem es nicht mehr ging“, sagt er leise. „Ich habe nur gearbeitet, meine Kinder kaum gesehen und nur noch funktioniert. Ich weiß es noch so gut: Ich wollte joggen gehen, war alleine im Wald. Dort bin ich völlig zusammengebrochen, habe mich heulend an einen Baum gelehnt. Ich habe mich selbst gefragt: Was will ich eigentlich?“, blickt er zurück. „Das war der Moment, an dem mir selbst bewusst wurde: Ich will ein Mann sein“.

So startete Aron Mölders die Transformation. „Neben der psychologischen Betreuung suchte ich mir einen Endokrinologen, also einen Spezialisten für die Hormonbehandlung. Alle drei Monate bekomme ich eine Testosteron-Spritze.

Danach folgten die Operationen: Die Brust wurde entfernt, danach Eierstöcke und Gebärmutter. Anschließend folgte die Phalloplastik, also die Rekonstruktion des Penis. Nach dieser OP ist aber noch nicht alles funktionstüchtig. Erst in einem weiteren Eingriff wird die Harnröhre mit dem Penis verschlossen, das war etwa ein Dreivierteljahr später“, erklärt er. „Abschließend wird noch eine Pumpe eingesetzt, die im Hodensack platziert wird. Das war für mich die schmerzhafteste Operation“, berichtet Aron Mölders. Insgesamt dauerte die Umwandlung etwa dreieinhalb Jahre. „Wobei ich mir zwischen den Operationen viel Zeit gelassen habe. Manche setzen sich alle drei Monate einen Termin. Das ist ja Wahnsinn“, weiß der Physiotherapeut. „Das muss der Körper erst einmal verkraften, die Narkose, das Antibiotika danach. Auch emotional und psychisch muss man da hinterherkommen, das darf man nicht unterschätzen. Einmal für die Umwandlung entschieden, gibt es kein Zurück. Für mich war es die beste Entscheidung, aber ich kenne einige, die es bereut haben“, sagt er.

Am Anfang der Umwandlung teilte Aron Mölders seiner Familie und seinen Freunden sein Vorhaben mit. „Ich hatte alle zu mir eingeladen, stand zitternd da und habe auf den Boden geschaut, während ich ihnen von meinen Plänen erzählt habe. Ich dachte: Jetzt stehen sie auf und gehen. Doch das Gegenteil war der Fall. Alle haben mich umarmt und mir ihre Unterstützung angeboten.

Sohn oder Bruder
in der Familie

Auch in seiner Praxis in Rott hielt Aron Mölders mit seiner Transformation zum Mann nicht hinterm Berg. Ich habe einfach ein Plakat im Wartezimmer ausgehängt, da stand alles drauf. Wer damit ein Problem hat, muss ja nicht zu mir kommen“, sagt der Physiotherapeut schlicht. „Viele Leute haben mir mitgeteilt, wie mutig sie das finden, vor allem ältere“. Auch seine Mutter und Schwester bezeichnen ihn mittlerweile als „Sohn“, beziehungsweise als „Bruder“. „Auch wenn meine Mama manchmal noch Marion zu mir sagt“, erzählt er. „Das ist aber okay für mich. Marion ist ja nicht weg, sie ist und bleibt ein Teil von mir. Und so habe ich meinen Namen ausgewählt: Wenn man zwei Buchstaben von Marion wegnimmt, kommt Aron raus. Ein keltischer Name, der Ehrlichkeit und Wahrheit bedeutet“, erklärt der 54-Jährige.

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