Stephanskirchen/Oberaudorf – Ottmar Huber (Name geändert) hat in den Bergen allgemein und am Sudelfeld speziell schon viel erlebt. Etwa einen Klasse-Fahrer – 93 Jahre alt! Er wechselte mit dem Mann ein paar Worte, nachdem der betagte Skifahrer in geschwinder Fahrt alles hinter sich gelassen hatte, was da sonst auf Bretteln umherrutscht. „Das war ein Ex-Skilehrer“, sagt Huber, „mit dem konnte ich nicht mithalten.“ 82 Jahre alt ist Ottmar Huber selbst und ein erfahrener Tourengeher dazu.
„Ob das ein
Elefant war?“
Doch nichts hätte den Stephanskirchener auf das vorbereiten können, was er am Freitag, 21. April, in seinem angestammten Revier erlebte. Beim Weg hinunter sah er Löcher im Schnee, fast so groß wie die, die neuerdings gern Winterwanderer in den Spuren von Skitourengehern hinterlassen. Doch nach Abdrücken von schweren Bergstiefeln habe das auch nicht wirklich ausgesehen, sagt er. „Ich hab erst gedacht, ob das ein Elefant war, der da die Piste entlanggestapft ist.“
Dann sah er genauer hin. Grübelte. Und erinnerte sich an die Geschichten vom Bichlersee bei Oberaudorf: dass da ein Bär in der Gegend unterwegs sei. Sie seien gut zu erkennen gewesen, erzählt Huber, man habe sogar sehen können, wo der Bär mal beschleunigt habe und gesprungen sei. 20 Meter lang folgte er der Spur der Riesentatzen, durchschnittlich so groß wie der Teller, auf dem man sein Frühstück verzehrt. Und vorne tiefe spitze Abdrücke. Von den mächtigen Klauen. Ein bisschen sei er noch weitergegangen. „Nur bis zum Waldrand“, sagt er dem OVB, „es hätte ja sein können, dass er im Wald auf mich wartet.“ Die Spuren sahen wirklich frisch aus, so erzählt das der 82-Jährige.
Mancher Skitourengeher hätte danach einen Bogen ums Sudelfeld gemacht. Im Sellrain geht‘s im Frühjahr vermutlich eh besser. Und dann, man weiß ja nie: der Bär. Ottmar Huber allerdings machte sich nichts draus. Vielmehr fuhr er extra nochmal hin. Und verfolgte die langsam verblassende Spur des Bären noch weiter, unter dem Achter-Sessellift hindurch.
Hubers Resümee: „Wahrscheinlich ist er irgendwo von der Rosengasse aus aufs Sudelfeld gestartet, nachdem er vom Wildbarren gekommen war und den Tatzelwurm überquert hatte.“ Unterm Achter-Sessellift hindurch führte die Spur dann weiter nach Westen, zwischen Sonnenalm und Speichersee hindurch hinauf in Richtung Wald. „Der ging dann sicher Richtung Bayrischzell“, meint Huber. Angst habe er daher keine mehr gehabt – „der war sicher schon weiter.“
Seit gut eineinhalb Wochen hält sich der Bär auf der bayerischen Seite der Grenze zwischen Bayern und Tirol auf. Seine Spuren wurden einige Male fotografiert, drei gerissene Schafe konnten ihm nach Auskunft des Landesamtes für Umwelt per Gen-Diagnose zugeordnet werden. Aber sonst? „Der ist ganz schön weit marschiert, und kein Mensch hat ihn bislang gesehen“, sagt Huber.
Besser fangen
als erschießen
Für ihn ein Beleg dafür, dass das Landesamt mit seiner Einschätzung richtig liegt: ein Bär mit unauffälligem Verhalten, einer, der sich dem Menschen gegenüber scheu verhält. Er hofft daher, dass dem Bär nichts widerfährt oder dass er allenfalls gefangen wird. Schließlich war in der Gegend ja schon mal ein Bär unterwegs, der kein Glück hatte. Im Juni 2006 war das, Bruno hieß er, ein „Problembär“, den ein paar Kilometer weiter, im Rotwandgebiet, die tödliche Kugel ereilte. Dem Neuen drückt Huber daher die Daumen: „Hoffentlich schafft er‘s ins Trentino.“ Schließlich sei die Gefahr ja nicht übermäßig groß. „Da erwischt mich eher ein Autofahrer auf dem Weg zum Sudelfeld“, meint er. Oder es rammt ihn ein Pistenraser. Einer, der‘s nicht so gut kann wie der 93-jährige Ex-Skilehrer.