Der Grill kann mehr als nur Bratwurst

von Redaktion

Die Temperaturen steigen, die Grillsaison naht. Und was landet auf dem Rost? Bratwurst, fertig mariniertes Nackensteak, ebensolches Putenschnitzel und vielleicht ein Maiskolben. Laaangweilig. Wirtin, Landwirt und Metzger hätten da ein paar Ideen.

Rohrdorf – „Traut euch, macht doch mal das ganze Flank Steak am Stück!“ Der Herausforderer ist Josef Steingraber, Geschäftsführer des Bauernverbands im Landkreis Rosenheim und Nebenerwerbslandwirt. „Geht auf dem Grill super“, sagt er. Metzgermeister Hans Bauer und Theresa Albrecht, Chefin der „Post“ in Rohrdorf und Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbandes, nicken. Und so ein ganzes Flank Steak trägt zur Geselligkeit bei – das gute Stück wiegt 800 bis 1000 Gramm. Ist aber flach und deswegen recht schnell fertig.

Fleischstücke
wiederentdeckt

„Früher war es Wurstware“, sagt Rinderzüchter Steingraber über das Flank Steak. „Oder es wurde zu Hackfleisch verarbeitet“, fügt Bauer an. Denn das neumodische Flank Steak ist nichts anderes als der Bauchlappen des Rindviechs. Eines der wenigen Fleischstücke, die wiederentdeckt wurden. „Das Ochsenbackerl ist glücklicherweise auch wieder modern“, freut sich Theresa Albrecht. Steht es in der „Post“ auf der Karte, ist die Nachfrage groß. Aber sonst? Putenschnitzel, Hühnerbrust, Hühnerbein, Rehrücken, Rehkeule, Kalbsschnitzel, Lammkotelett, Schweinefilet, Schweinenacken, Schinken, Rinderfilet, Rouladen, Tafelspitz – nicht zu vergessen Hackfleisch. Und das war es schon fast. Hierzulande fehlt beim Fleischkonsum die Fantasie. Oder der Mut. „Dabei haben wir bärige Metzger, die man fragen kann“, sagt Steingraber. Die beiden anderen freuen sich. Denn auch Theresa Albrecht, heute überwiegend Hotel- und Restaurantchefin, ist gelernte Metzgermeisterin.

„Ich esse so gut wie nie Filet oder Lende“, sagt Theresa Albrecht. Sie setzt auch in ihrer Wirtschaft immer mal wieder andere Teile des Tiers auf die Karte. Nierenzapfen oder Bürgermeisterstück (beides Stücke vom hinteren Rumpf des Rinds) zum Beispiel. Da komme dann häufig die Nachfrage „Was ist denn das?“. Was die Fachfrau gerne erklärt – und sich dann über die positive Rückmeldung freut. Im Restaurant sind die Leute offensichtlich mutiger, hat Bauer festgestellt. Er arbeitet in der zur Post gehörigen Metzgerei. „Milzwurst geht nur, wenn wir vor der Wirtschaft die Tafel draußen haben. In der Metzgerei geht sie gar nicht“, berichtet er.

Überhaupt Innereien: „Die gehen deutlich schlechter als früher“, sagt Bauer. Die Leber hat noch ein paar Liebhaber, das Lüngerl zumindest in Oberbayern auch. Aber Hirn, Bries, Niere und Herz? Da heißt es meist „Nein, Danke“. Dabei ist Letzteres pures Muskelfleisch. „Ich habe mal – was offiziell natürlich verboten ist – beim Schlachten auf einem Hof die Leute kurzgebratenes Herz probieren lassen. Ohne dass sie wussten, was es ist. Die waren begeistert“, erzählt Bauer grinsend. Theresa Albrecht lacht. „So bin ich in Frankreich zu Schnecken gekommen.“ Ja, Herz und Nieren können auf den Grill. Kurz. Ein wenig Salz und Pfeffer – fertig. Manchmal werden auch die Experten von ihren Kunden überrascht. Steingraber vermarktet sein Fleisch selbst. Ein Kunde wollte wissen, wann er denn wieder Rib Eye Steak – in Deutschland auch als Hochrippe, in Österreich als Rostbraten bekannt – verkaufe. Das habe er noch nie verkauft, so der verdutzte Landwirt. Doch, doch, ganz sicher sogar, beharrte der Kunde. Während Steingraber erzählt, erscheinen Lachfältchen. Es stellte sich raus: Der Mann hatte eine Beinscheibe für ein Rib Eye gehalten und diese kurzgebraten. Luftschnappen bei Theresa Albrecht und Hans Bauer und dann im Chor: „Uuund?“ Steingraber grinst. „Hat super geschmeckt, hat er gesagt – war ja auch gutes Fleisch.“ Zur Nachahmung empfohlen? „Warum nicht? Einfach ausprobieren.“

„From nose to tail“ heißt es heutzutage, das ganze Tier verwerten. Also das, was Oma schon gemacht hat. Und es schmeckt bekanntermaßen nirgends so gut wie bei Oma. Außerdem ist das – vor allem wenn regional eingekauft – die nachhaltigste Art, Fleisch zu essen. „Ich muss doch nicht Teile vom Tier nach China verschiffen, weil sie hier nicht in sind“, findet Steingraber.

Das Reh hat eben nicht nur Rücken und Keule. Aus dem Hals lässt sich ein tolles Ragout machen, im Backofen gegarte Rippchen erfreuen Freunde des Abfieselns oder sie werden zur Brühe, zur Saucengrundlage, genommen.

Eines der wenigen Tiere, das nahezu komplett verwertet wird, ist das Huhn. Früher nur Keulen und Brüste, heute auch Flügel, wandern in Topf, Pfanne oder auf den Grill. Oder das ganze Federvieh an den Drehspieß. In gut sortierten Lebensmittelmärkten gibt es für Aficionados die Herzen und Mägen tiefgekühlt. Und die Hälse wandern mit in den Suppentopf. Denn Hühnerbrühe ist, das wissen Mütter und Omas weltweit, das beste Mittel gegen alle möglichen Krankheiten. Nur die Füße, die werden nach China exportiert.

Ochsenbackerl
und Schweinebauch

Theresa Albrecht seufzt. „Eine frisch gekochte Brühe ist den Gästen oft nicht gschmackig genug…“ Sie seien an Brühwürfel gewöhnt. Wie überhaupt die Industrie oft den Geschmack vorgebe. Vor einigen Jahren war der Analogkäse noch ein Skandal. „Heute ist er als veganer Käse der Renner“, sagt Theresa Albrecht kopfschüttelnd. Unabhängig von der Grillsaison: Was essen denn die Profis am liebsten? „Ich liebe Ochsenbackerl – bevorzugt mit Kartoffelpüree“, schwärmt Theresa Albrecht. „Suppenfleisch mit Kartoffelpüree und Rosenkohl – hmmm“, sagt Josef Steingraber begeistert, „und dann noch a bisserl Brühe drüber…“ Hans Bauer lacht: „Ich liebe Schweinebauch. Der ist bei mir immer auf dem Grill!“

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