„Meine Bienen sollen frei sein“

von Redaktion

Bienen faszinieren den Frasdorfer Imker Christian Voggenauer. Zum heutigen Weltbienentag der Vereinten Nationen spricht er über die Hierarchie im Bienenstaat, die Gier nach Honig und die größte Gefahr für die Insekten.

Frasdorf – Christian Voggenauer (46) trägt weiße Handschuhe und eine Imkerjacke mit Netz. Er nimmt den Deckel vom Bienenstock und bewegt sich dabei wie in Zeitlupe. Er will die Insekten nicht zu sehr stören. In dem Stock summt und brummt es.

Hunderte Honigbienen schlagen mit ihren Flügen, krabbeln umher und arbeiten an den Waben. Voggenauer zieht einen der Holzrahmen mit den sechseckigen Zellen heraus. „Das ist eine Brutwabe“, sagt der Vorsitzende des Imkervereins Frasdorf Aschau und zeigt auf deren Mitte. Einige Zellen sind bereits verdeckelt, also mit Wachs verschlossen. „Die Eier sind schon über neun Tage alt“, erklärt Voggenauer. 21 Tage nach der Verdeckelung schlüpfen die Insekten. Sie nagen sich dem Imker zufolge von innen durch den Wachsdeckel.

Keine Zeit für
ein eigenes Volk

Bienen haben ihn schon immer interessiert, sagt Christian Voggenauer. Doch in seinen „jungen Jahren“ habe er keine Zeit für ein eigenes Volk gehabt. Sein Schwiegervater sei Imker mit Leidenschaft gewesen und habe zu ihm gesagt: „Wenn das Haus fertig ist, kriegst du ein Bienenhaus.“

Vor 15 Jahren hat ihn sein Schwiegervater dann zu einer Vereinssitzung mitgenommen. Heute ist Christian Voggenauer Vorsitzender dieses Vereins. Die Leidenschaft ging über – vom Schwiegervater auf den Schwiegersohn. „Natürlich macht er das mit Leidenschaft“, sagt Michael Herden. Er hat das Amt an Voggenauer übergeben.

„Ich bin heilfroh darüber“, betont Herden. Es sei viel Arbeit, den Lehrbienenstand in Frasdorf und das Ferienprogramm zu organisieren. Doch auf Christian Voggenauer könne er sich verlassen. „Er ist aufgeschlossen und bereit, immer weiter zu lernen.“ Die Imkerei scheine zunächst einfach, sei aber kompliziert. Da brauche es Faszination.

„Mich fasziniert, wie sich ein Bienenvolk durchs Jahr schlägt“, sagt Voggenauer. „Die Bienen halten zusammen und können ohne einander nicht.“ Ob Königin, weibliche Arbeiterbienen oder männliche Drohnen – jedes Insekt habe eine Aufgabe. „Die Königin ist die Einzige, die Eier legt“, sagt der Imker. Und zwar bis zu 2000 pro Tag. Eine Königin lebe zwei bis fünf Jahre, die Arbeiterinnen rund 40 Tage. Sie pflegen Voggenauer zufolge die Brut, füttern die Maden und sammeln später Nektar, Blütenstaub sowie Wasser.

Drohne stirbt
nach Hochzeitsflug

„Die Frauen haben das Sagen“, erklärt der Imker die Hierarchie im Bienenstaat. Denn eine Drohne lebe nur 20 bis 50 Tage – mit dem einzigen Ziel, die Königin zu befruchten. Und nach dem Akt erwartet die männliche Biene ein grausiges Schicksal: Sie stirbt nach dem Hochzeitsflug.

Die Königin und die Drohnen treffen sich für die Paarung an Sammelplätzen. „Ich hab das noch nie erleben dürfen“, sagt Voggenauer. Einige Imker hätten die Begattung schon beobachtet, etwa in Zuchtstationen. Doch der Frasdorfer möchte alles so natürlich wie möglich machen.

Deshalb markiert er seine Königinnen auch nicht mit Farbe, wie es viele Züchter tun. „Das ist, als ob ein Mensch einen zehn Kilogramm Rucksack tragen muss“, sagt Voggenauer. Manche Imker stutzten ihren Königinnen sogar die Flügel, damit sie nicht wegfliegen können. Auch das lehnt er ab: „Meine Bienen sollen frei sein.“

Christian Voggenauer scheint es nicht um den Honig zu gehen, sondern um die Bienen. Er kritisiert die „Gier nach Honig“. Manchen Imkern gehe es nur um den Honigertrag und die Legeleistung der Königin. „Die Bienen schenken uns den Honig nicht, wir nehmen ihnen den Honig weg“, sagt der Frasdorfer. Der Honig sei ihr Futter, vor allem im Winter.

Biene hat einen
größeren Nutzen

Nicht nur deshalb sollten Honigliebhaber laut Voggenauer über ihren Konsum nachdenken. Denn über 80 Prozent des Honigs im Supermarkt sei importiert. Dieser Bedarf könne nie durch regionale Produktion gedeckt werden. „Wir sollten das schätzen, was die Biene für uns macht. Sie hat für uns einen viel größeren Nutzen“, sagt der Experte. „Der Honig ist nett, aber nicht die Hauptsache.“

Die Hauptsache ist für Voggenauer die Bestäubung. Ob Äpfel, Birnen, Tomaten oder Zucchini – ohne Bienen würden die Erträge dieser Nutzpflanzen schrumpfen. Laut der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sind 75 Prozent der weltweit angebauten Pflanzen, die Früchte und Samen produzieren, zumindest teilweise von Bestäuben abhängig.

Dennoch versteht der Vereinsvorsitzende, dass die Existenz von Berufsimkern am Honigverkauf hängt. Voggenauer hat jedoch ein anderes Ziel, als Geld zu verdienen: „Ich will die Bienen wieder so fit machen, dass die ohne Imker überleben können.“ Denn die Insekten leiden unter den Varroamilben und müssten deshalb behandelt werden.

Nach Angaben des Deutschen Bienenmonitoring sterben durch den Befall der Varroamilbe zehn bis 15 Prozent der Bienenvölker pro Jahr – rund 150000 Stück. Insgesamt steigt die Anzahl der Bienenvölker weltweit aber. Dem Statistischen Bundesamt zufolge gab es 1990 nur 69,2 Millionen Völker, 2021 waren es bereits 101,6 Millionen.

Christian Voggenauer hat zehn Bienenvölker. Sieben bei sich im Garten, drei am Haus seines verstorbenen Schwiegervaters. Im Schnitt kümmere er sich drei bis vier Stunden in der Woche um die Insekten. Fürs Honigschleudern brauche er einen Tag. Die Waben werden dafür in der Schleuder befestigt und so lange gedreht, bis der Honig die Scheiben herunterläuft.

Honigschleudern
gefällt besonders gut

Der Imker streift die Handschuhe ab und demonstriert die Honigschleuder im Lehrbienenstand – allerdings ohne Waben darin. „Das gefällt den Kindern immer besonders gut“, sagt Voggenauer. Denn immer wieder kommen Schüler in den Lehrbienenstand, um zu lernen, wie wichtig Bienen sind.

Doch nicht nur Kinder, auch Erwachsene unterrichtet Christian Voggenauer. Er kümmert sich um die neuen Imker im Verein. Voggenauer unterstützt sie bei der Zucht, hilft bei Problemen und gibt sein Wissen weiter. Er ist Pate für sie, so wie es sein Schwiegervater für ihn war.

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