Rohrdorf – Pflanzen rankten sich um den Hof. Fast jeder Zentimeter des Hauses war zugewachsen, selbst die Fenster. An manchen Stellen waren die Mauern nicht mehr zu sehen. Bis zum Jahr 2019 sah der Hof aus dem 18. Jahrhundert in Lauterbach so aus. Dann hat die Familie Holzner die Pflanzen entfernt. Ein Jahr nachdem sie das Gebäude an der Chiemseestraße 21 gekauft hat.
Hof-Renovierung als
Familienprojekt
„Wir wollten, dass Sonne an das Haus kommt“, sagt Peter Holzner (67). Mit seinen Söhnen Valentin (29), Fabian (31) und Simon (36) hat er das Familienprojekt gestartet. Sie wollen den Hof renovieren. Wie viel das kostet, will Peter Holzner nicht verraten. Am Ende sollen sieben Wohnungen entstehen. Vor der Planung mussten sie den Hof freilegen. „Um zu sehen, wie es aussieht, wie der Zustand ist“, erklärt Holzner.
Seit der Erbauung im 18. Jahrhundert hat sich nicht viel verändert – bis auf die wuchernden Pflanzen. „Es ist nie was an dem Haus gemacht worden“, sagt Architektin Dr. Wencke Elbert. Sie hat sich auf Denkmäler spezialisiert, gestaltet die Pläne und weckt den Hof aus dem Dornröschen-Schlaf. Vor der Planung muss Elbert das Gebäude messen, das sogenannte Aufmaß machen.
Alle Schäden
dokumentieren
Auf dem Tisch vor dem Haus liegen die Arbeitsmaterialien der Architektin: Laser, Zeichenplatte, Papier, Lineale, Bleistifte und ein Radiergummi. Elbert zeichnet Fenster, Türen sowie Wände und trägt deren Maße daneben ein. Und zwar „verformungsgerecht“. Also mit allen Schiefstellungen. Danach müsse sie alle Schäden dokumentieren. Vier bis fünf Tage braucht die Architektin dafür. Die Zeichnungen überträgt sie dann auf den Computer.
„Es ist wichtig, Geschichte zu erhalten“, sagt Wencke Elbert. „Und nicht alles durch einen seelenlosen Neubau zu ersetzen.“ Die Menschen bräuchten ihre Wurzeln. Elbert sagt über den Hof: „So ein Haus ist für Lauterbach Identität.“ Nicht nur für den Ortsteil, sondern auch für Peter Holzner. „Er hat als Kind auf dem Hof gespielt“, sagt Valentin Holzner über seinen Vater. Der nickt und ergänzt: „Das war der Hamme-Hof.“
Nach Angaben im Bairischen Wörterbuch stammt „Hamme“ von „Hammel“. Der Begriff bezeichnet einen ungehobelten und ungepflegten Menschen. Früher hatte Peter Holzner zufolge ein Mann „in Saus und Braus“ auf dem Hof gelebt. Das habe ihm seine Mutter erzählt.
„Ich finde, so etwas steckt in einem Gebäude“, sagt Architektin Elbert. „Die Erinnerungen geben dem Haus Seele.“ Durch die Renovierung solle die Geschichte im Hof weiterleben. Deshalb soll er am Ende aussehen wie ein sanierter Altbau. Das Haus sei denkmalgeschützt, die Scheune nicht – dennoch solle auch deren Aussehen bewahrt werden.
50 bis 150
Quadratmeter
Sieben Wohnungen sollen im ersten Stock der Scheune unterkommen. Mit einer Größe von 50 bis 150 Quadratmetern. Parken können die zukünftigen Bewohner im Erdgeschoss oder neben dem Gebäude. Wo früher Traktoren in die Scheune gefahren sind, wird nach der Fertigstellung ein Fußweg zu den Wohnungen führen.
Doch vorerst erforscht die Architektin den Bau. Denn viele Unterlagen gebe es nicht.
Durch die Bauforschung kann sie die Geschichte besser nachvollziehen, sagt Elbert.
Im 19. Jahrhundert sei der Hof wohl um eine Fensterachse verlängert worden. Der Keller stamme womöglich von einem vorherigen Hof an derselben Stelle. Beurkundet wurde das Haus der Architektin zufolge das erste Mal 1490.
Der Bau soll 2026
starten
Die Bauforschung werde ein Jahr dauern. Wencke Elbert wird Laborproben vom Holz, Putz und der Farbe entnehmen. Danach startet die Entwurfsplanung und der Bauantrag wird eingereicht. Wird dieser genehmigt, beginnt die Architektin mit der Ausführungsplanung – mit jedem kleinen Detail, vom Türgriff bis zu den Dachaufbauten. Baubeginn soll 2026 sein, das Richtfest ein Jahr später.
Auf die Frage, wie die Meinung in Lauterbach zu dem Bauprojekt ist, sagt Elbert: „Die Menschen haben immer Angst vor Veränderung.“ Und Peter Holzner ergänzt, dass es unterschiedliche Meinungen gibt. „Wir wollen etwas Gutes tun für Lauterbach: Wohnungen schaffen ohne Versiegelung.“ Das Zentrum werde so zudem aufgehübscht.
Das sehen viele Lauterbacher anders. 150 Personen, um genau zu sein. So viele Leute haben laut Erika Holzner unterschrieben, dass sie gegen das Bauvorhaben sind. Sie ist die Schwägerin von Peter Holzner und versichert, dass ihre Unterschriftenaktion nicht gegen ihn gerichtet ist: „Ich hätte das bei jedem anderen auch gemacht.“
Erika Holzner wohnt neben dem Hof und hat einen landwirtschaftlichen Betrieb. „Direkt vor dem Haus ist die Güllegrube, da werden viele Leute schimpfen“, befürchtet sie.
Doch nicht nur deshalb will sie verhindern, dass so viele Wohneinheiten entstehen. Vor 15 Jahren sei ein Bebauungsplan erstellt worden. Dieser lege fest, dass jeder Besitzer fünf Wohnungen in seinen Hof bauen darf.
„Wir haben uns alle dafür ausgesprochen“, sagt Erika Holzner. Ihr Schwager habe gewusst, dass er nur fünf Wohneinheiten bauen darf. Dass es nun mehr werden sollen, gefällt Erika Holzner nicht: „Wir haben so einen schönen Ortskern, den will ich mir nicht kaputt machen lassen.“
Denn Erika Holzner zufolge plant Peter Holzner das Gebäude zu erweitern – um acht bis zehn Meter. „Das ist doch ein Witz.“ Sie könne nicht nachvollziehen, weshalb der Hof so groß werden soll. „Wir brauchen nicht so viele Wohneinheiten“, sagt die Landwirtin. Mehr Wohnungen bedeuten mehr Autos – das gefalle ihr nicht.
Erika Holzner ist nicht die einzige Kritikerin. Anneliese Staudacher, Pfarrgemeinderatsvorsitzende in Lauterbach, hat an der Unterschriftenaktion teilgenommen und sagt: „Die Größe, die geplant ist, passt mir nicht.
Das sind zu viele Leute auf zu wenig Raum.“ Staudacher befürchtet, dass sich der Bau nicht gut einfügen wird.
Ungerecht und
umstritten?
„Wenn die Größe so bleibt wie bisher, habe ich kein Problem damit“, sagt die Pfarrgemeinderatsvorsitzende. Es sei jedoch ungerecht, wenn Peter Holzner sieben Wohnungen baut. Andere Landwirte hätten schließlich nur fünf Einheiten in ihre Höfe integrieren dürfen.
„Das ist auf alle Fälle umstritten“, sagt Staudacher über das Bauprojekt. Das beweisen auch die 150 Unterschriften, die Erika Holzner bereits beim Rohrdorfer Bürgermeister abgegeben hat.