Gärtnerglück zwischen Beton

von Redaktion

Ob Kräuter auf der Fensterbank oder Tomaten im eigenen Garten – „Stadtgarteln“ kann jeder lernen. Das sagt Anja Frohwitter, Geschäftsführerin von „Stadtpflanzen“ in Stephanskirchen. Sie bringt Menschen bei, wie sie ihr Leben grüner gestalten können.

Anja Frohwitter von der Organisation „Stadtpflanzen“. Foto Frohwitter

Stephanskirchen – Anja Frohwitter gießt ihre Planzen. Sie ist umgeben von Kräutern, Gemüse und Obst. Hauptsache essbar. Seit 2020 beheimatet die Landlmühle in Stephanskirchen den „Stadtpflanzen“-Garten. Frohwitter ist die Geschäftsführerin der gleichnamigen Organisation. Ihr Engagement wurde unter anderem mit dem „Grünen Engel“ und dem Preis der EU-Kommission „Green Infrastructure goes Business Award 2022“ ausgezeichnet.

Bildungsgarten
in der Landlmühle

Eigentlich arbeitet sie im Marketing, ihre Leidenschaft sind jedoch die Pflanzen. Sie will, dass die Rosenheimer Region grüner wird. Die Balkone, Gärten und Büros. Deshalb hat sie die Organisation im Jahr 2017 mit Sven Seynsche gegründet. Sie wollen ihr Wissen über Pflanzen an Interessierte weitergeben.

Lehrstätte ist meist der Bildungsgarten. Es gibt ein kleines Gewächshaus, einen Verkaufsstand und einige Hochbeete. Und die Lehrerin: Anja Frohwitter. Sie trägt eine Schürze, stellt die Gießkanne ab und öffnet zwei Flaschen Cider – ein Apfelschaumwein. Sie setzt sich an einen Tisch mitten im Garten. Ein Ort zum Wohlfühlen.

Frohwitter zufolge reichen einfache Methoden, um eine Stadt grüner zu machen: „Einfache Werkzeuge in die Hand zu geben und zu zeigen, dass es nicht viel braucht außer Wasser, Sonne, Erde und ein bisschen Liebe.“ Es gebe überall nutzbare Flächen. Vom Salat auf der Fensterbank bis hin zum Gemüse im Garten.

Und hier setzt „Stadtpflanzen“ an. Die Organisation möchte Privatpersonen und Unternehmen beim urbanen Anbau essbarer Pflanzen unterstützen. Wichtig ist Frohwitter, dass ihre Arbeit keinen Erziehungscharakter hat. „Essen muss jeder“, sagt sie. „Und dort kann begonnen werden. Sich fragen, wo das Essen herkommt und selbst essbare Pflanzen anbauen.“

Zu diesem Thema bietet das „Stadtpflanzen“-Team, bestehend aus fünf Pflanzenliebhabern, Workshops und Vorträge an. Sie bringen den Teilnehmern alles rund ums Stadtgärtnern bei. Je nach Wissensstand, vom Anfänger bis zum Fortgeschrittenen, wird der Workshop individuell gestaltet.

„Welche Flächen sind bei den Personen zu Hause vorhanden und wie viel Wissen haben sie bereits zum essbaren Pflanzenanbau“, sagt Anja Frohwitter. Die Organisation bietet auch Workshops für Unternehmen. Besonders „Teambuilding“ im Zusammenhang mit dem Anbau von „Microgreens“ wie Kresse, Bohnen oder Erbsen stehe im Fokus. Das sind Keimlinge, die je nach Pflanzenart zwei bis drei Blätter gebildet haben. Für das Team werde ein Umfeld geschaffen, in dem sich die Mitglieder unterstützen und kommunizieren. Nicht nur die Pflanzen wachsen dabei, sondern auch die Menschen, sagt Frohwitter. Daneben berät das Team private Personen dazu, wie Bepflanzungen in der Region Rosenheim und Stephanskirchen besser zu gestalten wären. Es gibt auch einen Verkauf von essbaren Pflanzen und nachhaltigen Produkten in Landlmühle. Der Stand ist immer freitags geöffnet. Seit sechs Jahren gibt es eine breite Palette an Angeboten – von Informationen zur Pflanzenauswahl über Salat- und Gemüseanbau bis hin zur Fassadenbepflanzung. Die Großeltern von Frohwitter und Seynsche haben ihnen den Pflanzenanbau beigebracht. Die beiden hätten festgestellt, dass das Wissen verloren gegangen ist. Deshalb haben sie beschlossen, „eine Brücke zwischen Alt und Jung zu schlagen“ und „Stadtpflanzen“ gegründet.

Die Relevanz dieser Stadtbepflanzung zeigt sich laut Frohwitter in vielen Bereichen: Klimawandel, Ernährung, Zukunftsforschung, Artenvielfalt, Insektenschutz sowie mentale und körperliche Gesundheit. Besonders in Sachen Klimaschutz sei die Stadtbepflanzung wichtig. „Wir brauchen mehr Pflanzenmasse in der Stadt, um der Klimaveränderung entgegenzuwirken“, sagt die Geschäftsführerin. Jeder, der urban anbaut, würde zur Abkühlung der Stadt und damit zum Klimaschutz beitragen.

Auch in Anja Frohwitters Heimatstadt Rosenheim kann noch viel bepflanzt werden: „Jede öffentliche Fläche, jede versiegelte Fläche und jedes versiegelte Dach auf Neubauten hat Potenzial zur Bepflanzung.“ Sie wolle die Menschen motivieren, sich mit dem Thema zu befassen. „Es reicht manchmal auch, eine Tüte mit Samen zu kaufen und irgendwo hinzuwerfen”, sagt Frohwitter.

Weitere Projekte in der Stadt umsetzen

Die „Stadtpflanzen“-Mitarbeiter haben bereits einige Projekte in der Region umgesetzt. Frohwitter zufolge haben sie in Zusammenarbeit mit der gemeinnützigen Organisation „Startklar“ ein Hochbeet in der Endorfer Au errichtet. Dieses werde von den Bewohnern bewirtschaftet.

Am Salzstadel in Rosenheim haben Frohwitter, ihre Mitarbeiter und das Team der Stadtbibliothek auch Pflanzen angebaut. Das Projekt haben dann die Stadtgärtnerei und die Technische Hochschule Rosenheim in Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek weitergeführt. Laut Jessica Döhler, Sprecherin der Stadtbibliothek Rosenheim, ist das Projekt von den Stadtbewohnern gut angenommen worden. Auch „die Schüler gärtnern regelmäßig an den Beeten mit“, sagt Döhler.

Auch in Zukunft hat das Team viel vor. Neben einem Buch sollen weitere Projekte in der Stadt umgesetzt werden. Anja Frohwitter hofft, Unternehmen zu finden, die ihren Ansatz für ein eigenes Nachhaltigkeitskonzept nutzen wollen. „Warum nicht die eigene Fläche nutzen und für Mitarbeiter essbare Pflanzen zur Verfügung stellen“, sagt sie. „Es bedarf nicht viel, um einen kleinen Weg in die richtige Richtung einzuschlagen.“ 

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