Ausritt wird zum Albtraum

von Redaktion

Pferd außer Kontrolle – Reiterin stürzt schwer – Extreme Hitze als mögliche Ursache

Riedering – Im idyllischen Waldstück von Riedering im Ortsteil Mangolding erlebten zwei Frauen am Freitagnachmittag einen schrecklichen Albtraum: Bei einem gemeinsamen Ausritt gerieten die Pferde plötzlich in Panik und galoppierten wie von Sinnen. Während die 33-jährige Reiterin ihr Pferd sofort unter Kontrolle bringen konnte, verlor ihre 37-jährige Begleiterin die Herrschaft über ihr scheuendes Tier und stürzte unentdeckt zu Boden.

Ins Krankenhaus geflogen

Schwerverletzt und bewusstlos wurde sie von ihrer Gefährtin gefunden. Nach der Erstversorgung durch den Rettungsdienst musste sie mit dem Hubschrauber in ein Krankenhaus gebracht werden.

Über die genauen Hintergründe und die Unfallursache konnte die Polizei bisher keine neuen Informationen in Erfahrung bringen. Die Reiterin war aufgrund ihrer schweren Verletzungen noch nicht in der Lage, befragt zu werden, erklärte Jürgen Thalmeier, Leiter der Ermittlungsgruppe der Polizeiinspektion Rosenheim. Dennoch gehe man davon aus, dass sich ihr Gesundheitszustand stabilisiert habe und die schweren Frakturen behandelt werden können.

Mit Auto
kollidiert

Susanne Grun aus Rosenheim, Diplom-Pferdeverhaltenstherapeutin und Pferdetrainerin, kann sich als Expertin besser als jede andere in die Lage der Reiterin, aber auch des Pferdes versetzen. „Vor über 15 Jahren hatte ich selbst einen Reitunfall, bei dem mein Pferd und ich mit einem Auto kollidierten. Dieses traumatische Erlebnis hat sowohl mich als auch mein Pferd tief geprägt. Die Angst vor dem Wiedereinstieg in den Sattel war groß, und auch mein Pferd litt unter tiefsitzender Angst“, so Grun zu Beginn des Gesprächs mit den OVB-Heimatzeitungen.

Mit ihrem Coaching „Horse Coaching by Susn“ hat Grun sich nicht nur im Landkreis Rosenheim einen Namen für beste Reitstunden gemacht, wo sie unter anderem an einem Reitstall in der Gemeinde Riedering Unterricht gibt. Darüber hinaus ist sie auch hin und wieder in Richtung Traunstein, München oder Österreich unterwegs.

Für das nächste Jahr 2024 ist auch ein Reitstall in Kroatien geplant. Tatsächlich gäbe es aber auch Anfragen aus Dubai und Liechtenstein. Dennoch: „Es dauerte ein Jahr, bis ich genug Vertrauen in meine eigenen Stärken aufgebaut hatte, um wieder in den Sattel zu steigen. Anfangs halfen mir auch bestimmte Entspannungsübungen aus dem Yoga. Dieses schlimme Erlebnis führte mich letztendlich zur Bodenarbeit und brachte mich dazu, zu erkennen, dass man ein Pferd nicht nur reiten kann“, erinnert sie sich zurück. Auf die Frage, was eine Reiterin in einem solch schrecklichen Moment durchmacht, erklärte die Pferdeexpertin, dass die verletzte Reiterin mit Sicherheit zunächst instinktiv nur daran gedacht habe, wie sie überlebe.

„Später, wenn die Reiterin realisiert, was eigentlich passiert ist, wird sie sicher Ängste haben. Diese Ängste werden sich wahrscheinlich nicht nur beim Reiten zeigen, sondern auch generell, was nach solch traumatischen Erlebnissen völlig normal ist. Kontrollverlust, fehlendes Selbstvertrauen und Misstrauen gegenüber anderen (sei es dem Pferd oder den Menschen) sind nur einige der Folgen, mit denen die 37-Jährige wahrscheinlich konfrontiert sein wird“, weiß die Pferdeexpertin.

Wie aber kommt es immer wieder zu solchen Reitunfällen aufgrund von Scheuen eines Pferdes? Auch hier kann die Mutter von zwei Töchtern eine Erklärung geben. Die Rosenheimerin sagt, dass Pferde von Natur aus Fluchttiere sind und ihr Fluchtinstinkt stark ausgeprägt ist. Der individuelle Charakter des Pferdes sowie seine Rasse könnten jedoch den Grad des Fluchtverhaltens beeinflussen. Auch die Beziehung zwischen Mensch und Pferd spiele eine entscheidende Rolle. Ein Pferd, das seinem Menschen vertraut und Sicherheit verspürt, sei weniger fluchtbereit als ein unsicheres und ängstliches Pferd.

Es sei wichtig, die Ursachen für das Scheuen des Pferdes zu analysieren und gezielt daran zu arbeiten, um den Fluchtinstinkt zu reduzieren. Des Weiteren erklärte Grun, dass Pferde als Fluchttiere von Natur aus in der Lage sind, mit Hitze und Kälte umzugehen. Die Hitze könne zwar das Verhalten der Pferde beeinflussen, jedoch könne man sie nicht allein für das Scheuen verantwortlich machen. Es gebe verschiedene Faktoren, wie das plötzliche Auftauchen eines Rehs oder ein Radfahrer.

Auch ein lautes Geräusch (Knall bzw. Schuss des Jägers, Motorsäge eines Waldarbeiters oder Ähnliches) oder herabstürzende Äste – da wir ja einige Tage zuvor einen Sturm hatten – könnte das Pferd erschrecken und zu einem Fluchtverhalten führen. Es könne auch andere Gründe geben, wie beispielsweise eine sensible Reaktion auf Insektenstiche. „Letztendlich handelt es sich hierbei um Spekulationen zum Unfallhergang, daher wäre es falsch, die Reaktion allein auf Hitze zurückzuführen“, sagt Grun weiter.

Genesungswünsche für Unfallopfer

„Ich kann nicht beurteilen, wie lange die Verletzte das Pferd schon reitet, wie lange sie selbst reitet, was es für ein Pferd ist, was genau passiert ist – hierzu fehlen mir einfach unsagbar viele Informationen“, gibt die Pferdeliebhaberin zu verstehen.

Ihr sei vor allem wichtig, dass die 37-Jährige wieder gesund werde und fügt hinzu: „Ich wünsche ihr eine vollständige physische Genesung und hoffe, dass die seelischen Wunden und Ängste, die möglicherweise durch das Unglück entstanden sind, heilen werden.“

Viele neue Situationen

Zu guter Letzt gibt die 44-Jährige noch Folgendes mit auf den Weg: „Ich empfehle meinen Kunden, die ein Jungpferd besitzen, immer so viel Neues wie nur möglich mit dem Pferd zu unternehmen. Viele neue Situationen, viele neue Gegenstände, raus aus der Komfortzone. Pferde lernen unglaublich schnell und gerne! Allerdings stelle ich oft fest, dass unsichere, schreckhafte oder nervöse Pferde meist auch unsichere, nervöse und ängstliche Menschen als Besitzer haben. Und da Pferde ja nur reagieren und niemals agieren, ist es hier wichtig, dass sich der Mensch Hilfe holt.“

Artikel 4 von 11