Riedering – Eine charmante Erweiterung des Dorfcharakters, eine attraktive und aufwertende Bebauung, dagegen wehre sich niemand. Insbesondere nicht in ländlichen Strukturen, wenn dort Wohn- und Lebensräume entstünden, in denen sich die Menschen über Generationen hinweg wohlfühlten. So sieht es Harald Greiner, der ganz in der Nähe des künftigen Supermarktes an der Tinninger Straße wohnt.
„Das Thema
ist völlig durch“
„In Riedering stattdessen plant ein Investor gemeinsam mit einem Supermarkt-Giganten in dieser Region einen Riegelbau in einer derart gewaltigen Dimension, dass es einem die Sprache verschlägt“, schreibt er in einem Brief an das OVB. Und weil das noch nicht reiche, seien auch noch neun Penthäuser auf dem Dach der 1200 Quadratmeter Verkaufsfläche vorgesehen. Müsse das denn sein, dass sich „ein Bauträger hier bereichert, und gleichzeitig das Erscheinungsbild des reizvollen Dorfes auf Jahrzehnte hinweg derart negativ beeinträchtigt wird?“ Da sei es verständlich, dass man seit Jahren mit allen Mitteln versuche, dies zu verhindern.
Greiner fordert den Bürgermeister und die Mitglieder des Gemeinderates dazu auf, ein Phantomgerüst zu errichten. So sehe jeder, wie groß das Gebäude werde. Das lassen auch die schon erfolgten Erdarbeiten erahnen. Der Supermarkt wird 74 Meter breit und 26 Meter tief. Bei der Tiefe kommen an einer Ecke noch vier Meter für den sogenannten Eingangskoffer – den Vorbau für den Haupteingang – hinzu.
Der Aufbau für die Wohnungen und Büros ist deutlich kleiner, der Rücksprung ist zwischen acht und vier Metern breit, erklärt Investor Stefan Inhauser. Die Gesamthöhe beträgt neun Meter, weniger als das durchschnittliche Einfamilienhaus.
Das Gebäude ist mit der kurzen Front hin zur Tinninger Straße geplant. Mit etwa 30 Metern Abstand zu den nächsten Nachbarn. „Das sind etliche Meter mehr, als es sein müssten“, versichert Inhauser. Auch, dass das Gebäude mit der kurzen Seite zur Straße stehe, soll laut Inhauser den Nachbarn zugutekommen: So schlucke das Gebäude den an- und abfahrenden Verkehr und das Türenknallen auf dem Parkplatz. Eine Lärmschutzwand werde so nicht benötigt.
Das reicht den Nachbarn nicht. Der eine hatte das Normenkontrollverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof angestrengt, dem anderen schwebt etwas anderes vor: „Zeigen Sie Größe, übernehmen Sie die Verantwortung und treten Sie … jetzt in einen zeitgemäßen Bürger-Dialog: Initiieren Sie einen Ideen-Wettbewerb, wie das ausgewiesene Sondergebiet so bebaut werden kann, damit es einem der vielleicht schönsten Dörfer im gesamten Chiemgau würdig ist. Ihre Gemeinde wird Sie zu Lebzeiten und darüber hinaus dankbar in Erinnerung behalten!“
„Der Gemeinderat hat die Planung mehrfach behandelt. Wir sehen keine Veranlassung, diesen Forderungen nachzugeben“, erklärt Johannes Lang, Geschäftsleiter der Gemeindeverwaltung, auf Nachfrage des OVB – in Absprache mit Bürgermeister Christoph Vodermaier. Zumal es keine inhaltliche Änderung bei der Planung gebe. Auch der städtebauliche Vertrag mit dem Investor ist unverändert.
Die Forderung nach der Aufstellung eines Phantomgerüsts hat der Gemeinderat bereits vor drei Jahren, im Juli 2020, abgelehnt. Zumal dafür nicht die Gemeinde zuständig ist. Das Phantomgerüst müsste der Bauherr aufstellen.
Investor Inhauser sagt dazu: „Das Thema ist völlig durch.“ Er habe eine Baugenehmigung und nehme die mehreren Tausend Euro für ein Phantomgerüst nicht in die Hand. „Das hätten die Anlieger direkt nach dem Bürgerentscheid fordern können oder müssen.“ Er sehe den Bürgerentscheid als Auftrag der Riederinger, den Supermarkt zu bauen.
Bei dem Bürgerentscheid 2018 hatten die Riederinger die Wahl zwischen zwei Supermarktketten und zwei Standorten. Sie entschieden, dass sie einen Edeka-Markt an der Tinninger Straße wollen. Seitdem wurde geplant, begutachtet, umgeplant, erneut begutachtet, geklagt – zuletzt kassierte im Februar dieses Jahres der Verwaltungsgerichtshof in München den vorhabenbezogenen Bebauungsplan. Weil Kleinigkeiten falsch waren. Für die Gemeinde war es wichtig, so Lang damals, dass die Abwägungen der Stellungnahmen und Einwände von Trägern öffentlicher Belange und Bürgern nach Ansicht des Gerichts in Ordnung waren. „Auch die politische Entscheidung ist nicht angegriffen worden.“
Bebauungsplan
liegt bis morgen aus
Die gerichtlich bemängelten Fehler korrigierte der Gemeinderat. Aktuell liegt der Bebauungsplan noch einmal aus. Bis heute. So lange haben die Riederinger Zeit, sich zu äußern. Dann müsse der Gemeinderat abwägen – sprich: darüber beraten und entscheiden. Und gegen den Satzungsbeschluss, der voraussichtlich in der Gemeinderatssitzung am 12. September fallen wird, könnte dann erneut geklagt werden.
Inhauser wird an dem Millionenprojekt Lebensmittelmarkt mit neun Wohnungen und zwei Büros darüber festhalten. Er geht davon aus, dass aus den ursprünglichen fünf Millionen Euro eher 7,5 bis acht Millionen werden. „Gestiegene Baupreise und Zinsen treffen uns voll. Wir müssen schauen, dass wir fertig werden.“