Halfing – Viele Kinder wünschen sich ein Haustier. Dr. Rupert Stäbler (33) wollte als Bub ein Schwein. Das Buch über Rennschwein Rudi Rüssel habe ihn begeistert. Seine Eltern erfüllten Stäbler den Wunsch nach einem Ferkel jedoch nicht. Heute hat er 170 Schwäbisch-Hällische Schweine. 84 leben in einem Waldstück bei Regensburg, 65 bei Halfing und 21 in Baierbach.
Stäbler zieht seine Gummistiefel und die Arbeitshose an. Dann desinfiziert er sich die Hände und geht durch das Tor zu seinen Tieren. Sie laufen auf ihn zu und schnuppern an ihm. „Sie sind sehr neugierig“, sagt der Experte.
Am Lehrstuhl für
Tierschutz promoviert
Der Rosenheimer hat Agrarwissenschaften studiert, erst den Bachelor und dann den Master absolviert. Promoviert hat er vor zwei Jahren am Lehrstuhl für Tierschutz an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Für seine Doktorarbeit hat er 2016 seinen ersten Hutewald in Baierbach mit sechs Schweinen errichtet. Die Bezeichnung stammt von dem Verb „hüten“. Schweinehirten gebe es heute aber nicht mehr. Das sei rechtlich nicht mehr möglich. Die Tiere müssten eingezäunt sein, dürften nicht mehr von Weide zu Weide wandern.
65 Tiere leben in Halfing auf 40000 Quadratmetern, das entspricht 615 Quadratmeter pro Schwein. In einem Stall hat jedes Tier Stäbler zufolge meist nur 0,75 Quadratmeter Platz. Doch bei ihm können die Schweine wühlen, spielen und grasen.
Die Tiere betreiben sogar Körperpflege. „Hier haben sie eine Suhle angelegt“, sagt der Experte und zeigt auf eine braune Pfütze im Waldboden. Er erklärt wie diese entsteht: Die Schweine stecken ihre Rüssel in die Lache, blasen Luft hinein, bis es blubbert, und wühlen gleichzeitig im Boden. Dadurch entsteht eine „sämige Flüssigkeit“. Darin kühlen sich die Tiere und reiben sich mit Schlamm ein.
Zudem könnten sie sich weiche Liegebereiche im Wald schaffen. 80 bis 90 Prozent der Mastschweine haben laut Stäbler Bursen. Das seien Entzündungen, die durch das Liegen auf hartem Untergrund entstehen. Die Folge: Die Tiere haben Schmerzen. Seine Waldschweine hätten jedoch keine Bursen. „Sie sind gesund“, sagt der Experte. „Es ist mir wichtig, dass es ihnen gut geht.“
Die meisten Schweine sind seit sechs Wochen in Halfing, manche erst seit drei Wochen. Etwa mit drei Monaten kommen sie in den Wald – mit 25 bis 30 Kilo. Bei der Schlachtung sind sie Stäbler zufolge neun bis zwölf Monate alt. Er entscheide jedoch nach Gewicht, wann es so weit ist. In der klassischen Zucht werde ein Tier mit 110 bis 120 Kilo geschlachtet. Bei Stäbler erst mit 140 bis 160 Kilo. Das sei teurer, denn je mehr Kilo ein Schwein hat, desto mehr Futter brauche es. „Ich will die Tiere aber nicht schlachten, wenn sie noch klein sind“, sagt der Landwirt. Damit sie einen kurzen Weg haben, zerlegt ein Metzger in Halfing die Schweine.
Das Waldschweinfleisch, Würste und Geräuchertes verkauft der Agarwissenschaftler in einem Automaten an der Rechenauerstraße 4 in Rosenheim. Das Fleisch des Schwäbisch-Hällischen Landschweins sei schmackhaft und zart. Die Qualität werde aber nicht nur von der Rasse beeinflusst, sondern auch von der Bewegung der Tiere, der Abwesenheit von Stress und der Fütterung. Stäblers Tiere können wählen: Zwischen einer Bio-Mischung aus Getreide und Grünfutter wie etwa Salat. Letzteres werde in der klassischen Zucht vernachlässigt. „Die Schweinehaltung in Deutschland ist rückständig“, sagt der Experte. Ein Hutewald sei außergewöhnlich. In Deutschland gebe es nur etwa acht Betreiber.
Der Landwirt vermutet, dass er deshalb „stark beäugt wird“ – von Öko-Kontrolleuren, Veterinär- und Forstamt. Im Jahr 2022 hätten ihn zehn Prüfer kontrolliert. Dennoch sagt der Züchter: „Ich fühle mich nicht gegängelt. Aber wenn alle so kontrolliert würden wie ich, dürfte es keine Missstände geben.“
Damit keine Missstände entstehen, gibt es eine Verordnung über hygienische Anforderungen beim Halten von Schweinen. Die ist laut Stäbler anspruchsvoll. Ein Schild muss darauf hinweisen, dass das Füttern der Tiere und Betreten des Geländes verboten ist. Zudem muss das Gehege doppelt eingezäunt sein. Der Abstand zwischen Innen- und Außenzaun muss zwei Meter betragen. „Damit ein Wildschwein nicht reinhusten kann“, sagt Stäbler. Die Verordnung sei ein Grund, weshalb es nur wenige Hutewald-Projekte gibt.
Ein Fanclub
für die Tiere
Dass es in Halfing ein solches Projekt gibt, freut auch Ruth Jörß von der Rosenheimer Ortsgruppe der Naturfreunde. Sie kenne Rupert Stäbler bereits seit seiner Kindheit. Seine Eltern seien ihre Vermieter. Jörß war bereits einmal bei den Waldschweinen in Halfing und sagt: „Die artgerechte Haltung ist einfach schön.“ Das Tierwohl sei sehr hoch. Und nicht nur Jörß ist begeistert. Rupert Stäbler berichtet von einem „richtigen Fanclub“. Die drei Hutewälder seien ein beliebtes Ausflugsziel. Wenn von Weihnachten bis Mai Weideruhe ist, fragen die Spaziergänger Stäbler, wann die Schweine wieder kommen.
In den übrigen Monaten sind die Tiere meist nur tagsüber zu sehen. Abends legen sie sich dem Agrarwissenschaftler zufolge in ihre Holzhütten mit Stroh. Teilweise schliefen 15 Tiere in einem Unterschlupf, reihten sich bananenförmig aneinander. „Sie haben eine andere Sozialdistanz als wir“, erklärt Stäbler.