Stephanskirchen – Mehr als zwei Jahre dauerte das Projekt „Zwei mal Zehn“ der Seniorenbegegnungsstätte Stephanskirchen (SBS), das am Ende ein Buch zum 20-jährigen Bestehen der SBS hervorbrachte.
In dem Jubiläumsbuch mit 224 Seiten sollten 20 Menschen Stephanskirchens aus unterschiedlichen sozialen Schichten Erzählungen aus oder über ihr Leben zum Besten geben. Der größere Teil erzählte seine Lebensgeschichte dem Initiator und Schriftleiter Michael Gerner auf das Smartphone wie auf ein Diktiergerät. Anschließend tippte dieser die Texte in den Rechner und überarbeitete sie mithilfe der Autoren. Dazu wurden Bilder aus dem Leben der Betroffenen gewählt.
Betroffen machte Gerner die Lebensgeschichte einer Frau mit annähernd 80 Jahren. Ihre Familie floh Ende des Zweiten Weltkrieges von Breslau nach Freiberg in Sachsen. In der späteren DDR studierte die Frau Zahnmedizin und gründete eine Familie. Um der Enge und Hoffnungslosigkeit der DDR zu entgehen, entschloss sich die junge Familie 1974, die DDR zu verlassen. Über eine Fluchthilfeorganisation im Westen wurde der Fluchtversuch eingefädelt, der jedoch wegen Verrats scheiterte. Letztendlich wurde die Autorin zu zweieinhalb Jahren und der Ehemann zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, ehe sie als Staatenlose in den Westen gelangten.
Über den Widerstand ihrer Familie im Dritten Reich erzählt eine andere Autorin. Die Folgen des Verfemtseins inmitten von Nationalsozialisten in der Rosenheimer Kastenau schildert die 87-Jährige ohne Groll, jedoch mit einem warnenden Ausrufezeichen. Über das Ende des Zweiten Weltkrieges in Rosenheim berichtet ein 85-jähriger Bäckermeister. So suchten amerikanische Soldaten 1945 seinen Vater, der in München arbeitete. Die GIs lasen den Familiennamen „Bergmeister“ und dachten, hier lebe der Bürgermeister. Gerner erläutert, warum sich der Senioren-Verein die Mühe machte, das Werk zu erstellen: „Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht der Mensch. Exemplarisch sollten die 20 Mitwirkenden für alle Senioren stehen.“ Es wird das Leben der einfachen, nicht so prominenten Menschen erzählt. Auch eine Familie kommt zu Wort, die vor mehr als 50 Jahren Stephanskirchen verließ, nach Australien auswanderte und in Perth eine neue Heimat fand. Fast jährlich kommt das Ehepaar nach Schloßberg, um die alte Heimat zu besuchen und um alte Freundschaften zu pflegen.
Zwar gab es anfangs Probleme, das Projekt zum Laufen zu bringen. Später fanden sich jedoch viele Senioren, die ihre Lebensgeschichte erzählen wollten. Dabei wurde in der Buchausgabe darauf geachtet, dass die Sprache und der Duktus der Autoren beibehalten wurden. So wirken die Beiträge individuell und interessant. Um das Buch finanzieren zu können, suchte der Initiator Sponsoren, die ihre Hilfe spontan zusagten. So konnte die Idee der außergewöhnlichen Festschrift so realisiert werden, dass die Vereinskasse nicht angezapft werden musste.
„Auf dem Umschlag sind alle Großbuchstaben mit einer eigenen Farbe gedruckt“, erklärt Gerner. Dieses Gestaltungselement soll dafür stehen, dass jeder Mensch seine eigene Individualität besitzt und gleich wertvoll ist. Im Mittelpunkt steht bei den Senioren der Mensch und nicht ein Titel oder ein Vermögen.
Das Buch „Zwei mal Zehn“ mit 224 Seiten sowie Illustrationen und einem festen Umschlag gibt es über die Seniorenbegegnungsstätte Stephanskirchen zum Preis von 15 Euro. Der Erlös kommt dem Verein zugute. Eine Kontaktaufnahme ist unter 08031/ 3040587 oder 08031/ 72494 und per E-Mail an sbs.mail@gmx.de möglich.