Implantate auf Herz und Nieren geprüft

von Redaktion

Das Riederinger Unternehmen Endolab testet Implantate – für die Sicherheit der Patienten. Warum sich Gründer Dr. Christian Kaddick dieser Arbeit verschrieben hat und früher der „Wilde Westen“ in der Branche herrschte.

Riedering – Ob an Hüfte, Schulter oder Zahn – viele Menschen brauchen ein Implantat. „Im Kern geht es immer um Sicherheit“, sagt Dr. Christian Kaddick über seine Arbeit. Der Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens Endolab und seine 50 Mitarbeiter sorgen genau dafür: Sicherheit. Sie testen Implantate für Hersteller, bevor diese die Zulassung beantragen. Rund 1000 Prüfberichte verfassen die Angestellten im Jahr.

Einiges an Wissen
erst durch
Schadensfälle bekannt

Wie wichtig ihre Arbeit ist, zeigen die Probleme mit der Durom-Hüftprothese. Metallspäne lösten sich vom Gelenk. Viele Menschen mit dieser Prothese leiden unter Schmerzen und gesundheitlichen Einschränkungen. „Es hat leider sehr lang gedauert, bis man das herausgefunden hat“, sagt Kaddick. Der Experte bedauert, dass einiges an Wissen in der Branche erst durch Schadensfälle bekannt wurde.

Christian Kaddick (60) hat in den 80er-Jahren Maschinenbau an der Technischen Universität (TU) München studiert. Dabei habe er sich auf Luft- und Raumfahrttechnik spezialisiert. An Kampfflugzeugen zu arbeiten, sei der „normale Weg“ gewesen. Doch Kaddick hat die Biomechanik-Abteilung an der TU geleitet und Ende der 80er-Jahre am Klinikum rechts der Isar in München gearbeitet. 1998 hat er das Unternehmen Endolab gegründet. „Weil ich den Menschen helfen möchte“, sagt der Ingenieur.

Die Hilfe sah vor einigen Jahrzehnten noch anders aus. Früher hat es Kaddick zufolge keine Regeln oder gar ein Gesetz gegeben: „Da konnte jeder implantieren, was er wollte.“ Das hätten die Ärzte nach „bestem Wissen und Gewissen getan“. Heute gibt es eine EU-Verordnung für Medizinprodukte. Die habe einen sehr hohen Detaillierungsgrad. Zudem gibt es das Qualitätshandbuch ISO 17025. Kaddick bezeichnet es als „die Bibel für Prüflabore“.

Der Ingenieur legt zudem großen Wert auf Genauigkeit. „Lieber ein bisschen langsamer und dafür 100 Prozent präzise“, sagt er. Denn: „Schlimmstenfalls kommt ein Patient zu Schaden. Oder 100000 – das wäre ein Albtraum.“ In seinem Unternehmen sei so etwas jedoch noch nie vorgekommen. Weil das Unternehmen laut Kaddick eine große Verantwortung hat, arbeiten die Prüfer mit dem Vier-Augen-Prinzip. In den Laboren und Werkstätten arbeiten Feinwerkmechaniker, Automechaniker und Optiker. Viele von ihnen seien Quereinsteiger. Früher habe es kein Medizintechnik-Studium gegeben, heute schon.

Die Implantate werden meist in einem Umfeld mit simulierter Körpertemperatur von 37 Grad getestet. Hüftpfannen etwa befinden sich in einer gelben Flüssigkeit. Dabei handelt es sich um eine proteinhaltige Lösung, die das Körpermilieu simuliert. Die angeschlossenen Computer erfassen die Testdaten. Bei einer Ermüdungsprüfung wird getestet, ob das Implantat die Last im Körper aushält. Bei einer Verschleißprüfung wird der Abrieb am Implantat getestet. „Die Maschinen laufen Tag und Nacht“, sagt Kaddick. Sie kosten bis zu 300000 Euro. Durch die Bewegung der Maschinen können die Jahre viel schneller dargestellt werden – wie im Zeitraffer.

Manche
Entwicklungen durch
Prüfung aussortiert

Es werden jedoch nicht nur Hüftgelenke, Zahn- und Schulterimplantate geprüft, sondern auch Stents. Das sind künstliche Gefäßstützen, die verschlossene oder verengte Blutgefäße offenhalten. Oft werden sie nach einem Herzinfarkt eingesetzt. Laut Kaddick gibt es immer einen gewissen Prozentsatz an Entwicklungen, bei denen etwas nicht stimmt. Sie bestehen die Prüfung nicht und werden aussortiert. Das seien jedoch weniger als zehn Prozent aller Implantate. Bei einer Neuentwicklung von Materialien prüft Endolab, ob es sich wirklich um eine Verbesserung handelt. „Die Testung von medizinischen Implantaten vor ihrer Zulassung ist von entscheidender Bedeutung“, sagt Dirk Moser-Delarami, Sprecher der Zulassungsstelle TÜV Süd. Dadurch könne die Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität von Medizinprodukten gewährleistet werden. Es sei unerlässlich, dass Implantate keine unerwünschten oder schädlichen Auswirkungen auf die Patienten haben. Nach Angaben des Sprechers können die Tests potenzielle Risiken und Nebenwirkungen identifizieren.

Die Prüfung von medizinischen Implantaten sichert laut Moser-Delarami zudem den Qualitätsstandard. Dazu zählen Materialverträglichkeit, Konstruktionsqualität und Langlebigkeit. Die Einhaltung der Normen trage zur Vermeidung von Fehlfunktionen und vorzeitigen Ausfällen bei.

Alle zwölf bis
18 Monate erfolgt
eine Kontrolle

Weil es um die Gesundheit und Sicherheit von Patienten geht, werden Unternehmen wie Endolab kontrolliert. Die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten und die Deutsche Akkreditierungsstelle begutachten die Prüflabore. „Die akkreditierten Stellen werden je nach Art alle zwölf bis 18 Monate überwacht“, sagt Oliver Dieser, Sprecher der Deutschen Akkreditierungsstelle. Außerordentliche Überwachungen seien in begründeten Fällen jederzeit möglich.

„Das Qualitätsmanagement und die Akkreditierung sind sehr wichtig“, sagt Theresa Kaddick. Sie ist im Unternehmen für das Personal und die nicht-technischen Themen zuständig. Die 27-Jährige berichtet von Kunden aus den Vereinigten Staaten, China, Japan und Südamerika. Aus Afrika kämen nur wenige Aufträge. Indien sei relativ stark im Bereich der Gefäßimplantate. Der Markt für Prüfungen sei nicht riesig, deshalb sagt sie: „Wir sind auf der ganzen Welt bekannt, aber hier nicht.“

Aufgrund der weltweiten Vernetzung hat das Unternehmen einen Einblick in die Preisgestaltung. In den USA können Hersteller von Implantaten Christian Kaddick zufolge zehnmal mehr verdienen als in Deutschland. „Das ist schon grob“, sagt der Geschäftsführer. Besonders für Menschen, die sich wegen der hohen Preise nicht operieren lassen könnten. In Deutschland sei das aufgrund der gesetzlichen Preisvorgaben nicht möglich.

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