Thansauer Zollingerhäuser geöffnet

von Redaktion

Informationen über wegweisenden Baustil am „Tag des offenen Denkmals“ in Rohrdorf

Rohrdorf – Die Frage, wie Wohnraum, vor allem bezahlbarer Wohnraum, zu beschaffen wäre, ist eine, die jedem Bürgermeister im Landkreis auf den Nägeln brennt. Dabei ist sie nicht neu, sondern vielmehr seit über hundert Jahren ein Dauerbrenner. Immer wieder gab es findige Einfälle, wie man das Problem angehen könnte, von orts- und städteplanerischer, aber auch von baulicher Seite.

Die Besonderheit ist
die Dachkonstruktion

Einer, der eine geniale Idee hatte, war Friedrich Zollinger, geboren 1880. Er arbeitete nach einem Architekturstudium ab 1918 als Stadtbaurat in Merseburg. Schon früh beschäftigte er sich mit der Idee, Bauen einfacher, schneller und kostengünstiger zu machen, in dem man auf mehr oder weniger vorgefertigte Bauteile zurückgriff. Dazu entwickelte er ein Wandbauverfahren mit typisierten Schalungen und Schüttbeton. Der große Wurf bezog sich aber auf die Dachkonstruktion. Das Zollingerdach kommt ohne massive Bohlen und Sparren aus, ist, vereinfacht gesagt, ein Gewebe aus ineinandergreifenden Holzlamellen, das sich gewissermaßen selber trägt. Die Vorteile: Es wird fast um die Hälfte weniger Holz benötigt, als bei einem normalen Dach. Wegen der fehlenden massiven Bohlen und Sparren ist auch viel weniger Baustellenausrüstung notwendig, zudem kann wegen der geringeren Auflast das Mauerwerk der Gebäude dünner gehalten werden. Im Jahr 1921 meldete Zollinger seine Idee zum Patent an, 1928 wurde dieses nach einem Tragfähigkeitstest ausgegeben. Das Bauprinzip verbreitete sich rasch über ganz Deutschland. Nicht wenige der mit dieser Dachkonstruktion errichteten Gebäude sind Kirchen, weil das Bauverfahren große Spannweiten zulässt und doch einen völlig „freien“ Dachraum ermöglicht. Es sind auch viele Wohnhäuser darunter. Vier der ersten, die nach Zollingers Bauverfahren erstellt wurden, bereits um 1923, stehen in Thansau. Für Bürgermeister Simon Hausstetter Grund genug, sie zum Inhalt des diesjährigen „Tags des offenen Denkmals“ zu machen, selbst wenn sie offiziell noch nicht auf der Denkmalliste stehen. Der „Tag des offenen Denkmals“ soll nach Hausstetters Meinung nicht nur bekannte Baudenkmäler in den Bereichen öffnen, die normalerweise nicht zugänglich sind. Er soll vor allem zeigen, dass man nicht zu den bekannten „Baudenkmal-Wallfahrtsstätten“ fahren muss, um Neues, Überraschendes oder Kurioses zu erfahren.

Derartiges findet sich fast immer auch in näherer und nächster Umgebung – man muss nur davon wissen. Noch etwas verbindet der Bürgermeister mit dem Tag des Denkmals: Den Wunsch, zu zeigen, dass ein Baudenkmal zu besitzen und darin zu wohnen, durchaus Mühe und Aufwand bedeutet, dass der Lohn dafür aber ein Mehrwert an Lebensqualität sein kann. Interesse an den Thansauer Zollinger Häusern zeigt auch die Stadt Kolbermoor. Sie hat in diesem Jahr kein eigenes Programm für den „Tag des offenen Denkmals“, bewarb aber über die Volkshochschule die Rohrdorfer Veranstaltung. Kolbermoor will nämlich in Zukunft im Stadtgebiet den Holzbau stärken.

Holzbauweise birgt
kreatives Potenzial

Für Stadtmarketingchef Christian Poitsch ist die gut hundert Jahre alte aber immer noch innovative Idee des Zollingerdachs ein Beleg dafür, wie viel kreatives Potenzial im Bauen mit Holz steckt. Vielleicht erfährt auch das Zollinger Dach noch eine Renaissance, denn einstige Schwierigkeiten, etwa bezüglich der Berechnung der Statik, dürften mit den heutigen Hard- und Software-Möglichkeiten kaum noch ein Problem sein.

Sonntag: Führung durch zwei Zollingerhäuser

Geschichtliche Exkursion am heutigen Samstag

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