Großkarolinenfeld – „Das wird das Wohnzimmer und der Homeoffice-Bereich“, erzählt Britta Klement aufgeregt. Sie ist die neue Besitzerin eines kleinen Grundstücks an der Bahnhofstraße und freut sich schon sichtlich auf ihr neues Zuhause – das erste „Mini-Haus“ in der Gemeinde.
Die Wohnfläche darin ist überschaubar: Im hinteren Container befinden sich zwei kleine Schlafräume für Klement und Tochter. Das Modul davor beherbergt die Küche sowie einen Essplatz. Daran grenzen der Wohn- und Arbeitsbereich sowie ein kleines Bad. Der letzte Container – aktuell steht er noch auf dem Lastwagen – wird als Eingangsbereich dienen. 53 Quadratmeter hat das neue Zuhause der Kleinfamilie. „Damit ist es eigentlich etwas zu groß für ein klassisches Tiny-Haus“, meint Klement. „Ich bezeichne es eher als Mini-Haus“.
Bisher haben Mutter und Tochter auf rund 100 Quadratmetern in Rosenheim gewohnt. „Ein bisschen ausmisten muss ich noch, bevor wir einziehen“, erzählt sie schmunzelnd. Doch sie empfinde es als eine Art Leichtigkeit, mit nur wenigen Dingen auszukommen.
Bedürfnis nach
anderer Lebensweise
Die Entscheidung, in ein Mini-Haus zu ziehen, sei ein Prozess gewesen. Zuerst sei da die Corona-Krise gewesen, die zu Überlegungen geführt habe, was man eigentlich wirklich brauche im Leben. Dann kamen die Energiekrise und der Wunsch, möglichst unabhängig zu sein. Schließlich das Bedürfnis nach einer nachhaltigen Lebensweise. „Als Mutter denke ich schon darüber nach, dass meine Tochter noch länger auf diesem Planeten sein wird“, so Britta Klement.
Doch der Weg hin zum Mini-Haus war kompliziert. Das begann schon bei der Suche nach einer Bank, die einen Kredit gewährt. „Die haben alle gesagt, das haben wir nicht im System, denn das ist ja keine Immobilie. Das ist beweglich, also eher eine Mobilie.“ Auch die Suche nach einem Grundstück war nicht einfach. „So kleine Grundstücke bekommt man kaum“, so Klement. In der Großkarolinenfelder Bahnhofstraße hat sie schließlich einen Grundeigentümer gefunden, der einen Teil seines Grundstückes verkaufte: rund 200 Quadratmeter – da bleibt um das Mini-Haus herum noch Platz für Garten, Terrasse und Carport.
Zumindest bei der Gemeinde Großkarolinenfeld ist das Vorhaben auf offene Ohren gestoßen. Auch wenn in der Bauausschuss-Sitzung im Januar zunächst die rechtliche Lage geklärt werden musste. Gemeinderat Johann Kosek wollte damals wissen, inwiefern sich ein Bauantrag für ein Tiny-Haus von dem eines normalen Hauses unterscheide. Bauamtsleiter Markus Czaja hatte daraufhin erklärt, dass es keinen Unterschied gebe und das Vorhaben wie ein normaler Bauantrag behandelt werde. Weil alle rechtlichen Vorgaben erfüllt wurden, sprach das Gremium damals ein einstimmiges Einverständnis aus.
Großkarolinenfelds Bürgermeister Bernd Fessler erklärt: „Durch die Aufhebung der Bebauungspläne Großkarolinenfeld-Nord und -Süd sind auch solche kleineren Bauvorhaben planungsrechtlich grundsätzlich möglich. Generell werden wir im Sinne von flächensparendem Bauen Wohnraum künftig bedarfsgerecht individuell reduzieren und/oder geschickt aufteilen müssen.“ Er meint, dass Tinyhäuser dem Bedarf an Wohnungen allein sicher nicht Rechnung tragen können. „Aber sie sind bei bestimmten Grundstücks- oder Lebenssituationen eine Möglichkeit, Wohnraum zu schaffen.“
Auch die Suche nach einer geeigneten Bauweise war eine Herausforderung. Mit einem klassischen Tiny-Haus aus Holz ließ sich das Vorhaben in Hinblick auf Größe, Kosten und Energieeffizienz nicht umsetzen. „Holz ist zwar ein toller Baustoff, aber die seriell gefertigten Tiny Häuser sind doch einfach zu klein und zu teuer“, betont Klement. Gerade, wenn man mit einem Teenager einziehe, brauche jeder seinen Rückzugsort.
Bei der Internetrecherche ist sie dann mit Hilfe von Vater Axel Temmesfeld auf einen Anbieter von Wohncontainern in Österreich gestoßen. „Wir haben uns das in Wien angeschaut und waren begeistert“, erzählt er. Temmesfeld, selbst Architektur-fasziniert, hat insbesondere lange an der Haustechnik herumgetüftelt. „Wir haben hier jetzt eine Infrarotheizung, die auf den Boden strahlt und diesen dadurch erwärmt“, erklärt er. Ein Großteil des grünen Stroms werde durch Solaranlagen auf dem Carport-Dach produziert werden. Außerdem seien die Container mit einer Dauerbelüftung und Wärmerückgewinnung durch den Luftaustausch ausgestattet.
„Alles ist
minimalistisch“
Die Container-Wände bestehen aus Metallwänden und einer eingeschlossenen Schaum-Schicht. „Alles ist minimalistisch, so dass kaum etwas kaputt gehen kann“, so Britta Klement. Zwar haben die Container ein Streifenfundament – können aber auch beliebig umgezogen werden. Auch eine Aufstockung, eine Vergrößerung oder Verkleinerung ist möglich. Preislich kamen weder ein Holz-Tiny-Haus noch eine andere Bauweise an die Container-Module heran. „Es ist die günstigste Art zu bauen“, ist Klement überzeugt.
Auch ist kein anderer Hausbau schneller zu bewerkstelligen. Die Anfertigung der Container hat 16 Wochen gedauert – wobei die individuellen Wünsche der „Bauherrin“ wie die Raumaufteilung und die innenliegenden Schnittstellen zu Elektrik und Wasser umgesetzt wurden. Das Aufstellen dauerte nicht einmal einen Vormittag. Zwei Tage später bereits kann Familie Klement einziehen und dem ersten Minihaus Großkarolinenfelds Leben einhauchen.