Brannenburg – Nur mit Schaufeln, Pickeln, Schubkarren und Schwarzpulver zur Gesteinssprengung eine 9,5 Kilometer lange Bahnstrecke, vom Bahnhof Brannenburg bis hinauf zum Wendelstein, in Höhe von 1838 Metern, zu bauen, das kann man sich heute überhaupt nicht mehr vorstellen. Und doch war das eine Idee, die der Geheime Kommerzienrat Otto von Steinbeis bei der Wendelsteinbahn Brannenburg vor mehr als 100 Jahren umsetzte.
Eine Bahn zum beliebten Gipfel
„Er war ein Industriepionier, der aus Baden-Württemberg kam und das Schloss Brannenburg mit allen umliegenden Waldungen kaufte. Es war sein Wunsch, eine Bahn hinauf auf den Berg zu bauen, um den Tourismus anzukurbeln“, so Florian Obermair, Bahnleiter der Wendelstein Bahn GmbH, der mit seinem Kollegen Josef Thaler exklusive Einblicke gewährte.
Im Rahmen des bundesweiten „Tags der Schiene“ nutzten 60 Besucher die Gelegenheit, bei der ältesten Hochgebirgsbahn Deutschlands, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.
Jung und Alt durften mit dem Nostalgieexpress, aus dem Jahr 1912, vom Talbahnhof der Zahnradbahn in Brannenburg zur Wagenhalle mit Bahnwerkstatt und Elektrizitätswerk der Wendelsteinbahn fahren. Dort erfuhren sie während interessanter Führungen jede Menge über den Erbauer, Otto von Steinbeis, und über die 100-jährige Nostalgiebahn.
Zur Trassenführung habe es ursprünglich auch Überlegungen gegeben, die entweder von Bad Feilnbach, oder Oberaudorf ausgegangen wären. Letztendlich entschied man sich für Brannenburg ab dem Bahnhof.
„Steinbeis holte 800 überwiegend bosnische Arbeiter, die die Trasse mit Schaufeln, Pickeln, Schubkarren und Sprengmaterial in zwei Jahren gebaut hatten. Die mussten auch im Winter im Schnee arbeiten, wenn es gegangen ist, eine Strecke von 9,5 Kilometer unter diesen Umständen zu bauen, kann man sich in der heutigen Zeit gar nicht mehr vorstellen“, erzählt Obermair
Die Bahnstrecke musste mit sieben Tunnel, acht Galerien, zwölf Brücken und aufwendigen Stützmauern errichtet werden.
Um die Bahn vor Steinschlägen und Lawinen zu schützen, hatte man die schwierigste der Baulinie gewählt. Was allein an Material bewegt und behauen werden musste, war auch aus der Sicht heutiger Möglichkeiten gewaltig, gab Obermair zu bedenken. Bei ihrer Inbetriebnahme 1912 war die Zahnradbahn auf den Wendelstein eine technische Sensation.
In einer Zeit, in der vergleichbare Verkehrsmittel noch mit Dampf betrieben wurden, sorgte der fortschrittlich denkende Erbauer Otto von Steinbeis dafür, dass der 1838 Meter hohe Berg seither mit elektrischer Energie bezwungen wird. Dafür ließ der Industriepionier ein Wasserkraftwerk mit zwei Turbinen in Talnähe von Brannenburg, an der Sudelfeldstraße, errichten. Das war nötig, da es um die Jahrhundertwende in der ländlichen Umgebung noch gar keine flächendeckende Stromversorgung gab, und die Turbinen Gleichstrom erzeugten, den die Bahn für die Bergfahrt benötigt.
An diesem Kraftwerk machten die Besuchergruppen einen weiteren Halt und wurden von Elektromeister Josef Thaler ausführlich und anschaulich informiert. Nicht nur über das Kraftwerkssystem, sondern auch über die Geschichte, „Die Wege wie heute hat es damals nicht gegeben, der Aufstieg war beschwerlich, besonders für ältere Leute war es fast unmöglich, auf den Wendelstein zu kommen. Manche haben es mit Maulesel gemacht, manche haben sich mit Sänften rauftragen lassen“, so Thaler. Deshalb habe es das Bestreben gegeben, den Berg touristisch zu erschließen. Dafür wurde als Erstes das Kraftwerk gebaut. „Das Wasser vom Wendelstein wurde gefasst und zu den Turbinen im Kraftwerk geleitet“, erläutert Thaler weiter.
Die Besucher staunten nicht schlecht über die Information des Experten, „dass wir seit 111 Jahren rekuperieren“.
Stromerzeugung während der Fahrt
Die Rekuperation, Rückgewinnung von Energie, wurde damals schon genutzt, indem die Bahn bei der Talfahrt Strom erzeugte und in die Turbinen einspeiste. Heute wird diese Technik zum Teil bei E-Autos eingesetzt, um die Energieleistung zu verlängern.
Den Besuchern, unter ihnen auch Johann Auer mit seiner Familie vom Samerberg, hat der Blick hinter die Kulissen sehr gut gefallen. „Besonders beeindruckt hat mich die Rückgewinnung von Strom bei der Talfahrt bereits seinerzeit, und die Werkstatt, in der für den gesamten Fuhrpark alles selber gemacht wird“.