Brennen für den Frieden

von Redaktion

Eine schlanke Säule aus Granit, obenauf ein gebogener Rahmen aus Cortenstahl. Aus dessen Rückwand ausgeschnitten die Worte „Ich brenne für den Frieden“. Und das direkt neben dem Kriegerdenkmal. Was soll das?

Bad Endorf – „Ja, genau da, neben das Kriegerdenkmal, gehört die Stele hin.“ Findet Konrad Schauer, der die Idee hatte. Finden die Bad Endorfer Kommunalpolitiker, die sofort bereit waren, den Platz zur Verfügung zu stellen.

Ein Mahnmal für den Frieden neben dem Kriegerdenkmal. Initiiert vom Vorsitzenden der Krieger- und Soldatenkameradschaft. „Frieden geht alle an“, sagt Konrad Schauer ruhig, aber bestimmt. Er legt Wert darauf, dass die Stele eben keine „Ergänzung“ des Kriegerdenkmals sei. „Ich will nicht, dass neue Namen dazukommen!“ Er sieht sie als Abrundung und betont: „Jeder ist eingeladen, mit einer Kerze ein Zeichen zu setzen.“ Ob Einheimischer oder Gast, ob Einzelner oder Verein.

Die Idee
der Flamme

Die Idee eines öffentlichen Zeichens für den Frieden trug Schauer schon eine Weile mit sich herum. Als Wortgottesdienstleiter gestaltet er auch die jährliche Andacht seines Vereins. Und stieß bei der Vorbereitung – wohl vor drei Jahren, so genau kann er das nicht mehr sagen – auf ein Zitat von Augustinus: „In Dir muss brennen, was Du in anderen entzünden willst.“ Die Idee der Flamme war geboren.

„Das hat er gleich mit mir besprochen. Und ich fand, das klang interessant“, sagt Erich Wieser. „Ich habe das Thema Lichter und Laternen ja öfter“, sagt Wieser schmunzelnd. Die Werke des Steinmetzes sind schließlich auf manch einem Endorfer Grab zu finden. „Aber ein Mahnmal mit Kerzen für den Frieden – das ist mal ein ganz anderer Ansatz.“ Aber passend, findet Wieser. Kerzen hätten ja etwas Tröstliches.

Der Steinmetz Wieser brachte sofort den Flossenbürger Granit ins Spiel. Denn in dem sind Eisenminerale vorhanden, die perfekt zum Cortenstahl passen. Flossenbürg? Ja, da war was. Die Granitsteinbrüche rund um den kleinen Ort im Oberpfälzer Wald gab es seit dem 18. Jahrhundert. Der Stein passte aber gar so wunderbar zur Ästhetik der Nationalsozialisten. So kam Flossenbürg zum Konzentrationslager – dessen Häftlinge in den Steinbrüchen geschunden wurden. Auf dass Material für Prachtbauten der Nazis zur Verfügung stand. Schauer fand die Idee gut: Ein schöner Stein mit Bedeutung.

Da hatten sich zwei gefunden. Der große, eher schlaksige, ruhige Vorsitzende der Soldaten- und Kriegerkameradschaft und der kleine, athletische, verschmitzte Steinmetz. Entwurf, Planung, Umsetzung – gemeinsam. Mit Unterstützung. Von der Gemeinde, die für Platz und Fundament sorgte. „Mein Verein hat von Anfang an mitgezogen“, ist Schauer dankbar. Wolfgang Kirner, Zweiter Bürgermeister und Chef einer Metallbaufirma, fertigte den Rahmen samt Inschrift. Den Rahmen leicht gebogen, denn, sagt Schauer, „die Sehnsucht nach Frieden ist weltumspannend.“

Genau deswegen wollte Schauer für die Stele auch einen Ort unabhängig von der Kirche. Einen Ort, an dem ein Atheist, ein Buddhist, ein Christ, Moslem oder Jude, ein Konservativer, ein Liberaler, ein Progressiver seinem Wunsch nach Frieden mit dem Anzünden einer Kerze Ausdruck geben kann. Nicht ahnend, wie aktuell seine Idee kurz nach ihrer Entstehung werden würde.

Nicht ahnend, dass erst Putin die russische Armee in die Ukraine einfallen lässt. Nicht ahnend, dass anderthalb Jahre später die Hamas Israel bombardiert – mit zu erwartenden Folgen. Nicht ahnend, dass Ende 2023 zwei Kriege in Schlagdistanz von Mittelstreckenraketen entfernt von Bad Endorf toben. „Ich hätte nie gedacht, dass eine Arbeit von mir einmal auch an junge gefallene Soldaten erinnert. An junge Männer aus unserer ukrainischen Partnergemeinde Volovec, deren Namen wir nicht kennen“, sagt Wieser, sichtlich erschüttert bei dem Gedanken.

Eine individuelle, stille Erinnerung. Die ein Tourist oder Reha-Patient in Bad Endorf, der eine Kerze entzündet, so nicht hat. Eine Erinnerung, die so gar nichts von Heldengedenken hat. „Ich mag keinen Heldengedenktag“, sagt der Vorsitzende der Krieger- und Soldatenkameradschaft. Die Männer – und die eine Frau – deren Namen einen Meter weiter auf dem Kriegerdenkmal verewigt sind, „die waren keine Helden, die waren arme Teufel“, sagt Schauer.

Martin Mühlnickel, Geschäftsleiter der Marktgemeindeverwaltung und Schauers Stellvertreter bei der Krieger- und Soldatenkameradschaft, sieht seinen Vorsitzenden an, als würde er ihn für seine Idee umarmen wollen. Denn: „So sehr sich die Beerdigungskultur in den letzten Jahrzehnten geändert hat, so sehr hinkt die Erinnerungskultur hinterher.“ Die schlichte Stele könne diese Entwicklung zumindest in Endorf beschleunigen, hofft der ehemalige Offizier Mühlnickel, „es braucht kein großes Denkmal, um den Wert des Menschen zu begreifen.“ Eher im Gegenteil. „Wir müssen auch die Erinnerungskultur in die heutige Zeit holen“, ist Mühlnickel überzeugt.

Rückmeldungen

waren gut

Schauer ist gespannt, ob man an der Stele ablesen kann, wie die Stimmung in der Marktgemeinde gerade ist. Ist es lange dunkel, oder brennen ein oder zwei Kerzen, oder ist der Rahmen voll? „Ich würde mir wünschen, dass immer eine Kerze brennt“, sagt Schauer, „weil ja auch der Wunsch nach Frieden nie erlischt.“

Die erste Kerze, die entzündet Schauer am Sonntag, 5. November, am Jahrtag der Krieger- und Soldatenkameradschaft, am Osterlicht in der Kirche. Er hat die Vertreter der anderen Ortsvereine eingeladen, zum Jahrtag auch eine Kerze mitzubringen.

„Die Rückmeldungen waren gut.“ Es sieht so aus, als brenne am Sonntag eine ganze kleine Armee von Kerzen in Bad Endorf für den Frieden. Die Kosten? Egal. Frieden ist unbezahlbar.

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