Ein zweites Leben für schnelle Mode

von Redaktion

Second-Hand-Kleidung erfreut sich zunehmender Beliebtheit

Griesstätt – Immer mehr Menschen kaufen Second-Hand-Mode, auch in den sozialen Netzwerken ist gebrauchte Kleidung angesagt. Doch wie gestaltet sich das Angebot und wird es von der Bevölkerung angenommen? Wir haben uns in der Region umgehört.

Neben den gemeinnützigen Geschäften des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) und der Diakonie gibt es auch kommerzielle Läden wie Lizzy‘s Second-Hand-Shop in Wasserburg und Second Performance aus Griesstätt.

„Früher genierten
sich die Leute“

Wer sich oft in der Hofstatt in der Wasserburger Altstadt aufhält, dem fällt die kleine Boutique „Lizzy‘s Second Hand“ auf. Elisabeth, oder besser gesagt Lizzy Nerbl, betreibt nun schon seit 32 Jahren ihren Shop. „Vom Schuh bis zum Hut“ kleidet sie ihre Kunden ein, erklärt Nerbl.

Die 77-Jährige aus Pfaffing ist gelernte Schneiderin und arbeitete früher in einem Stoffgeschäft in Wasserburg. Ihr erstes eigenes Geschäft war eine Flickschneiderei. Erst als ihre damalige Geschäftsnachbarin ihre selbst gestrickten Wollpullover in Nerbls Schaufenstern ausstellte, wuchs in ihr die Idee, einen Second-Hand-Laden zu eröffnen. „Diese gab es damals schon in England“, erinnert sie sich.

Heute ist den Kunden
Nachhaltigkeit wichtig

„Das Geschäft über den Sommer verlief gut“, meint Nerbl. Das war aber nicht immer so. „Früher genierten sich die Leute“, wenn sie ihren Laden betraten. Aber heute sei den Kunden Nachhaltigkeit wichtig. Sie wollen nicht immer was Neues kaufen, meint Nerbl. Außerdem ist Second-Hand-Mode billiger. Und dadurch, dass die Kleidung schon öfter gewaschen wurde, seien Pestizide, die bei der Baumwollherstellung nun einmal verwendet würden, schon aus den Fasern gewaschen, erklärt sie. Besonders beliebt bei den Kunden war diesen Sommer die Tracht, erklärt Nerbl. Jetzt hängen nur mehr Restbestände im Geschäft.

Ihre Kleidung bekommt Nerbl von Privatpersonen, die ihr das aussortierte Gewand vorbeibringen. Das wiederum prüft sie dann auf Funktion, Sauberkeit, Saison und Material. „Ich will so wenig Polyester wie möglich“, betont Nerbl. Für die Ware, die in den Verkauf wandert, bekommen die ehemaligen Besitzer eine Kommission von 45 Prozent vom Verkaufspreis. Alles, was sich nicht verkauft hat, muss von den alten Besitzern am Ende der Saison wieder in Empfang genommen werden. „Da herrscht dann ein wenig das Chaos in meinem kleinen Laden, wenn alte Sachen noch abgeholt werden müssen und die neue Saisonware schon da ist“, sagt Nerbl. Das Durchschauen und Umräumen nehme am meisten Zeit in Anspruch, erklärt die 77-Jährige, die ihren Laden alleine führt. Nicht weit von Lizzy‘s Second-Hand-Shop befindet sich der BRK-Kleiderladen. Martina Linhuber arbeitet nun seit 2010 im Second-Hand-Geschäft des BRK. Seitdem seien über die Jahre immer mehr Kunden gekommen, sagt Linhuber. 2014 vergrößerte sich das Geschäft sogar.

„Es kaufen sowohl junge als auch ältere Leute ein“, erzählt sie. Vielen von ihnen liege der Umweltschutz am Herzen, meint Linhuber. Aber es kommen auch Geflüchtete oder bedürftige Menschen in das Geschäft. Wer seine Bedürftigkeit nachweise, bekomme im BRK-Shop 50 Prozent auf den ausgeschriebenen Preis.

Der Gedanke der Nachhaltigkeit ist auch für den Kunden Malvin Baumscheiper der Grund, Second-Hand-Mode zu tragen. „Wir haben so viel Kleidung hier, da möchte ich nichts Neues kaufen“, sagt er. Außerdem hält der 22-Jährige, nach einzigartigen Teilen Ausschau, erklärt er. Besondere Kleidungsstücke will auch Dario Roth aus Wasserburg, der regelmäßig im BRK-Laden einkauft, finden. „Ich möchte die Fast-Fashion nicht unterstützen, sondern umweltbewusst einkaufen“, betont der 21-Jährige. „Bei uns kann man seine Kleidung nur spenden“, sagt Betreiberin Lindhuber. Auch hier beurteilen Mitarbeiter die Ware auf Funktion, Sauberkeit und Vollständigkeit, erklärt sie. Der Kleiderladen nehme alle Marken an und passe den Preis an die Qualität des Stoffes an.

Der Gewinn fließe wieder an das BRK und werde für soziale Zwecke verwendet. „Unsere Verkäufer machen ihre Arbeit ehrenamtlich“, betont Linhuber. Auch im Sozialkaufhaus Wasserburg (SoWas) der Diakonie werden nur gespendete Artikel angenommen. Hier wird nicht nur Kleidung aus zweiter Hand verkauft, sondern auch Möbel, Haushaltswaren, Küchengeräte, Spielwaren und Bücher.

Die Klamotten können einfach vorbeigebracht werden. Bei größeren Möbeln schicken die ehemaligen Besitzer zuerst ein Foto, ehe das Okay zur Annahme kommt, erklärt Peter Gurdschik, Arbeitsleiter im SoWas. „Die Kleidung muss nicht perfekt sein“, betont Gurdschik. Sie solle sauber und saisonal passend sein. Alles, was sie dennoch nicht brauchen könnten, komme in die Altkleidersammlung zum Recycling, erklärt er. Das „SoWas“ bietet ein Beschäftigungsprojekt für Langzeitarbeitslose und Menschen mit Sucht- oder psychischen Erkrankungen. Für diese ist es eine Zwischenstation, um wieder Ordnung in ihren Alltag zu bringen, erklärt Günther Stranzinger, Bereichsleiter der Sozialkaufhäuser der Diakonie Rosenheim. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine kämen viele Geflüchtete in den Laden. Stranzinger betont aber, im Sozialkaufhaus könnten alle einkaufen. „Ich will keine Stigmatisierung haben. Jeder ist ein normaler Kunde bei uns.“ Wer bedürftig sei, bekomme 20 Prozent auf den Preis, erklärt er. Der Anteil junger Kunden steigt laut Stranzingers Einschätzung in den vergangenen Jahren. Denn Nachhaltigkeit und Wiederverwertung lägen im Trend. Die Gewinne aus den verkauften Waren fließen nach seinen Angaben in die Beschäftigungsprojekte der Diakonie.

Ein spezialisierteres Konzept verfolgt Monika Manke, Inhaberin von „Second Performance“ in Kolbing bei Griesstätt, mit ihrem Brautmoden-Laden. „Ich wollte etwas für den kleinen Geldbeutel anbieten“, sagt sie. Die 53-Jährige betreibt nun seit fünfeinhalb Jahren ein Second-Hand-Geschäft für Brautmode. Sie nimmt alle schon einmal getragenen Kleider, die nicht älter als vier Jahre sind, und möchte ihnen einen zweiten Auftritt ermöglichen, sagt Manke.

Neuer Auftritt
fürs Ballkleid

Die Kleider müssten nur gewaschen oder gereinigt und noch in einem guten Zustand sein. Kleine Risse seien in Ordnung, betont sie. Finde das Kleid eine neue Besitzerin, so bekomme die ursprüngliche Braut 70 Prozent des Verkaufspreises, erklärt die Griesstätterin. Neben den Second-Hand-Kleidern gibt es bei ihr auch Outlet-Ware.

Die gelernte Näherin wollte eine berufliche Veränderung. Bei ihrer eigenen Hochzeitsplanung kam Manke dann auf die Idee eines Second-Hand-Ladens für Brautmode und merkte, dass ein solches Geschäft in der Region noch fehlte, erklärt sie. Und ihr Angebot werde gut angenommen, sagt Manke.

Aberglaube läuft
ins Leere

„Oft sagen mir Frauen, die ihr Kleid zum Verkauf vorbeibringen, ein Second-Hand-Kleid hätte es eigentlich auch für sie getan“, berichtet die Griesstätterin.

Dem Aberglauben, ein bereits getragenes Kleid bringe Unglück für die Ehe, widerspricht sie. „Auch mit neuen Brautkleidern werden Ehen geschieden“, sagt Manke. Ihre Kleider hätten schon eine Geschichte. „Mit dem Verkauf mache ich gleich zwei Menschen glücklich: Eine zukünftige Braut und eine Frau, die ihr Kleid verkauft.“

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