Jedes Vertrauen in Schechen verspielt

von Redaktion

Brücke, Damm, Brücke, Damm und wieder eine Brücke und dann ist der Brenner-Nordzulauf in Ostermünchen. Begeisterung löste diese „Kombivariante“, wie sie die Bahn nennt, im Schechener Gemeinderat nicht aus. Auch nicht beim Brennerdialog. Oder beim Landtagsabgeordneten Daniel Artmann (CSU).

Schechen – „Ich habe das jetzt zum dritten Mal gehört, aber es werd ned scheener“, kommentierte Bürgermeister Stefan Adam (CSU) die aktuelle Planung zur Trasse des Brenner-Nordzulaufs (BNZ) durch seine Gemeinde. Die stellten Christian Tradler und Steven Schäuble von der DB Netze AG jetzt im Gemeinderat vor.

Kombi-Lösung aus Dämmen und Brücken

Bisher hatte die Bahn eine Damm- und eine Brückenlösung vorgelegt. Nun ist es eine Kombination aus beidem. Die aus Stephanskirchen kommende Brücke wird 300 bis 400 Meter länger. So wolle man den hochwertigen Naturraum Innauen und die Überflutungsflächen erhalten, so Schäuble. Dann folgt ein Damm, der über der Bahnstrecke Richtung Wasserburg und der B15 (neu) wieder in eine Brücke übergeht. Die dann wieder zum Damm wird, bevor eine Brücke an Deutelhausen und Mintsberg vorbei ins Gemeindegebiet Tuntenhausen, nach Ostermünchen, führt.

Damm „nur“ sieben bis acht Meter hoch

Der Damm sei weniger hoch, so Schäuble, nicht mehr zehn bis zwölf Meter, sondern nur noch sieben oder acht. Sieben seien mindestens nötig, damit zum Beispiel die alte B15 vernünftig überquert werden könne. Und, so räumte er ein, der ursprünglich geplante Damm sei auf Dauer vermutlich zu schwer für den Untergrund. Denn der bekanntlich eher instabile Rosenheimer Seeton reicht in seinen Ausläufern bis Schechen.

Mit dem Damm wurden auch die verbindenden Brücken niedriger als die bei einer reinen Brückenlösung geplanten 15 Meter. Auf die Nachfrage aus dem Gremium, wie das möglich sei, verwiesen die Herren von der Bahn darauf, dass die Brücke allein nur deswegen so hoch geplant gewesen sei, dass nicht so viel Landschaft versiegelt werde. Das sei nun nicht mehr nötig.

Die Höhen von Brücken und Dämmen sind zwar reduziert, die optische Sperrwirkung bleibt auch bei sieben oder acht Metern Höhe. Und: Sowohl Brücke als auch Damm sind sehr breit. 40 Meter sind es laut Andreas Rausch (CSU) bei der Brücke. Was unter den Zuhörern im Sitzungssaal kurzzeitig für Schnappatmung sorgte.

Stephan Dialler (Parteifreie Bürger) hielt eine „Trauerrede“, bezeichnete den BNZ als das Ergebnis von „jahrelangem Größenwahn und Fehlplanungen“. Dass der Brenner-Basistunnel sinnvoll sei, darin sei man sich einig. Die kürzeste Strecke von Innsbruck nach München führe allerdings nachweislich nicht über Rosenheim. Die Neubautrasse, ausgelegt auf 230 km/h, habe auf einmal im Raum gestanden. Da werde gerne die EU vorgeschoben, die sei daran aber nicht schuld, sagte Dialler. „Aber wenn die Güter dann auf der Schiene sind, dann werden die Güterzüge im Jahre 2080 vielleicht auch 230 km/h fahren – wir sind vorbereitet.“ Aktuell schaffen sie 120 km/h.

„Traue
niemanden mehr“

Auch Volker Schmidt (SPD) machte seinem Unmut Luft: Dass der Rosenheimer Seeton Probleme machen werde, „hätten wir euch vorher sagen können.“ Er fand es schon auffällig, dass die kürzeste und billigste Trasse in der Region, westlich an Rosenheim vorbei, so schnell vom Tisch gewesen sei und fragte sich, ob das an der Nachbarschaft gelegen haben könnte (Anmerkung der Redaktion: Die CSU-Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig wohnt westlich von Rosenheim). Außerdem bringe die Bahn immer die Argumente, die sie in dem Moment gerade brauche. „Ich traue in dieser Angelegenheit niemandem mehr.“

80 Prozent Güterzüge auf der Trasse

Rausch fragte eigens nochmal nach: „Sie behaupten wirklich, dass Sie die Güterzüge auf die 230 km/h-Trasse bringen?“ Ja, beschied Tradel, es werde mit 80 Prozent Güter- und 20 Prozent Personenverkehr gerechnet. „80 Prozent Güterzüge auf einer Hochgeschwindigkeitstrasse – was für eine Verschwendung von Steuergeldern“, kommentierte Lucas Rothstein (SPD).

Die Reaktionen der Gemeinderäte ließen Lothar Thaler, Vorsitzender des Brennerdialogs im Landkreis und in Pfaffenhofen wohnend, schmunzeln. „Die Gemeinderäte waren erstaunlich sauer“, sagte er im Gespräch mit dem OVB. „Die haben sich wohl – meines Erachtens zu Recht – von der Bahn verschaukelt gefühlt.“

Die vorgelegte Kombilösung bewertete Thaler so, dass die Bahn damit einigen Schwierigkeiten aus dem Weg gehe. Denn beispielsweise in Deutelhausen hätte der Damm an einem Hof direkt am Hauseck vorbei geführt. Was ihm noch keiner schlüssig habe erklären können: Warum die Brücke mit Damm niedriger sein könne als die Brücke allein. Zumal über die Innauen und den Inndamm hinweg für seine Begriffe eine größere Höhe nötig sei. Auch, um den Anschluss auf der anderen Innseite zu schaffen.

Thaler wies auf eine weitere Ungereimtheit hin: Sowohl die Italiener als auch die Brenner-Corridor-Plattform (ein Konsortium, in dem Vertreter der drei Verkehrsministerien, der drei Infrastrukturbetreiber, der BBT SE, samt Regionen und Eisenbahnverkehrsunternehmen sitzen, Anmerkung der Redaktion) gehen von maximal 200 Zügen pro Tag auf der Strecke aus. Die Bahn rechnet mit 400 plus. „Mir geht es wie Stephan Dialler: Ich kann kein Vertrauen mehr haben.“

Niedrigere Dämme gut und schön, so Thaler, der den Damm südlich von Pfaffenhofen direkt vor der Nase hätte. Es sage aber keiner, dass die Dämme am Fuß 50 bis 80 Meter breit werden. Das sei so aus alten Zeichnungen herauszulesen. Die Dämme als Ausgleichsfläche zu bezeichnen, wie es die Herren der Bahn in der Gemeinderatssitzung taten, finde er „fast frech“.

In der Sitzung war ganz kurz auch die komplette Tunnellösung zur Sprache gekommen und von den Bahnvertretern mit dem Hinweis auf drei Milliarden Euro Mehrkosten beiseite gewischt worden. Was Maria Pindl (CSU) erzürnte: Bei einem Besuch am Brenner-Basistunnel sei von den Zuständigen versichert worden, dass Geld nicht maßgeblich sei, der Mensch vorgehe. Genauso hat sich auch ihr Parteichef geäußert: Markus Söder hat betont, für den BNZ müsse die verträglichste Lösung gefunden werden. Nicht die günstigste. Mensch und Natur gingen vor.

Daran erinnert auch Daniel Artmann. Kaum im Landtag wurde dieser aktiv. Denn der stellvertretende Bürgermeister von Rosenheim ist in dieser Funktion schon eine Weile mit dem Thema befasst – auch die Stadt wird ihre Kernforderung an die Bahn noch stellen. „Kernforderung heißt ja auch, dass man neue Vorschläge macht“, so Artmann im Gespräch mit dem OVB. Nach dem Floriansprinzip zu verfahren, halte er für verkehrt. „Das müssen wir – die betroffenen Kommunen in Rosenheim und Ebersberg – gut miteinander abstimmen. Denn nur so haben wir gute Chancen.“

„Inn-Untertunnelung die beste Lösung“

Für ihn ist eine Untertunnelung des Inns die beste Lösung und die sei bei einer leichten Verschiebung der Trasse auch möglich. „Da müssen wir geschlossen agieren, über die Parteigrenzen hinweg“, sagt Artmann, „nur so geht’s.“ Das gelte dann natürlich auch im Landtag, wo er auf breite Unterstützung hofft.

Ja, er sei sehr schnell aktiv geworden. Die Eile sei für seine Begriffe geboten: „Wenn der Bedarfsnachweis von der Bahn kommt, müssen wir gerüstet sein.“

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