„Ich mag vieles sein – aber niemals ein Vergewaltiger“

von Redaktion

42-jähriger Finanzberater aus dem nördlichen Landkreis wegen drastischer Drohung zu einer Geldstrafe von 3200 Euro verurteilt

Rosenheim/Landkreis – Die Ehe zwischen dem 42-jährigen Finanzberater und der 31-jährigen Industriekauffrau lag in den letzten Zügen. Nach einem beidseitigen Trennungsbeschluss vor dem Familiengericht am 21. Dezember 2022 blieben beide „getrennt lebend“ in der ehelichen Wohnung. Das Familiengericht beließ es über die Weihnachtstage 2022 (auch wegen des gemeinsamen dreijährigen Sohnes) dabei. Dort bezog der Mann nun das Kinderzimmer als getrennten Wohnraum, um die Trennungszeit zu realisieren. Diese Gemeinsamkeit führte zu der Anklage wegen Vergewaltigung und Bedrohung:

Laut Anklage hatte der (Noch-)Ehemann sie an den Weihnachtsfeiertagen mehrfach sexuell genötigt und vergewaltigt. Darüber hinaus mit einer Körperverletzung bedroht.

Daraufhin bestimmte das Familiengericht im März tatsächlich eine räumliche Trennung nach dem Gewaltschutzgesetz. Kaum war aber dieses Schutzprogramm nach sechs Monaten abgelaufen, nahm sie, so der Angeklagte, sofort wieder Kontakt mit ihm auf und forderte ihn auf, in die gemeinsame Wohnung zurückzukehren.

Der Angeklagte bestritt zunächst die Vorwürfe. Es sei richtig, dass es an den Weihnachtsfeiertagen zu einem Geschlechtsverkehr gekommen sei. Der sei aber auf ihr Drängen hin und einvernehmlich gewesen. Nach Aufforderung des Gerichtes gestand er zu, er habe im Streit tatsächlich gedroht, ihr „die Titten abzuschneiden“, dies aber eben im Streit gesagt, ohne das jemals wirklich tun zu wollen. „Ich habe sie niemals geschlagen oder vergewaltigt und das auch niemals vorgehabt.“

Unter gelegentlichem Schluchzen berichtete sie über die Eheprobleme und die mutmaßliche Vergewaltigung. Vier Tage später war sie mit dem gemeinsamen dreijährigen Sohn zu ihren Eltern nach Russland geflogen. Erst nach ihrer Rückkehr berichtete sie einem Arzt von einer Vergewaltigung durch den Ehemann. Dieser und danach eine Betreuerin rieten zur Anzeige, die sie dann auch erstattete.

Es wurde eine Reihe von Zeugen gehört, denen die Ehefrau von den Übergriffen des Angeklagten berichtet hatte, einschließlich der Kriminalpolizei.

Ebenso gab es im Vorfeld durch die Ehefrau angeforderte Polizeieinsätze, die von ihr selber immer wieder hinterher als unnötig bezeichnet worden waren. Dessen ungeachtet erklärte der Staatsanwalt die Vorwürfe der Ehefrau für glaubhaft und beantragte, gegen den Angeklagten eine Gefängnisstrafe von drei Jahren und sechs Monaten auszusprechen. Dem schloss sich die Vertreterin der Nebenklage, Rechtsanwältin Susanne Schomandl, an, die zwar anerkannte, dass es sich hier um einen Fall Aussage gegen Aussage handle, jedoch ihre Mandantin in hohem Maße glaubwürdiger sei. Der Verteidiger, Rechtsanwalt Florian Wurtinger, stellte in seinem Plädoyer zunächst fest, das sein Mandant noch zu keiner Zeit und in keiner Weise bislang straffällig geworden sei. Des Weiteren befänden sich in der Aussage der Ehefrau unerklärliche Lücken, verschiedene Zeitangaben und das Bedürfnis, im Zuge des Scheidungsprozesses den Ehemann in ein schlechtes Licht zu stellen. Unbestritten sei dies eine konfliktreiche Zeit für beide Noch-Partner gewesen. So sei es auch zu der eingestandenen verbalen Entgleisung seines Mandanten gekommen, für die er wohl eine Geldstrafe zu erwarten habe. Ansonsten sei sein Mandant freizusprechen, weil es überhaupt keinen objektiven Beweis für seine Schuld gebe und an den Aussagen der Ehefrau massive Zweifel angebracht seien. In seinem Schlusswort erklärte der Angeklagte nochmals ausdrücklich, dass er seine Ehefrau zu keiner Zeit geschlagen oder gar vergewaltigt habe, dies nicht einmal in Erwägung gezogen hätte. „Ich mag vieles sein – aber niemals ein Vergewaltiger.“ Das Gericht unter dem Vorsitz von Richterin Isabella Hubert verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 3200 Euro wegen der Drohung. Im Übrigen sprach es den Angeklagten frei. „Das Gericht weiß nicht, ob eine Vergewaltigung stattgefunden hat oder nicht. Aber es gibt hier Zweifel. Und einen unbescholtenen Bürger trotz bestehender Zweifel für über drei Jahre in ein Gefängnis zu schicken, ist nach deutschem Recht nicht möglich“, so die Richterin. Theo Auer

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