Neubeuern – Der Brenner-Nordzulauf war das beherrschende Thema der Jahresversammlung des Bürgerforums Inntal. Ortsvorstand Martin Schmid eröffnete die Veranstaltung mit Neuwahlen in Ellmaiers Beurer Hof. Bevor sich die Vorstandschaft neu formierte, zeigte Thomas Unger in seinem Vorstandsbericht die zahlreichen Veranstaltungen auf, die zur Aufklärung der Bevölkerung über das zurückliegende Jahr landkreisübergreifend initiiert und besucht wurden.
Politik will
nicht hören
Den Bürgerwillen zu transportieren und den Verantwortlichen zu vermitteln, sei jedoch schwierig, denn „das Projekt ist sehr in den Köpfen der Politiker verankert“, stellte Thomas Unger fest. Das habe sich wieder beim Gespräch im Bayerischen Landtag mit den Ministern Michaela Kaniber und Christian Bernreiter ebenso widergespiegelt wie beim Austausch mit der damaligen Landtagsabgeordneten Claudia Stengel und Landtagskandidatin Martina Thalmayr (Die Grünen) über die Existenzgefährdung der heimischen Landwirtschaft. Auch die Videokonferenz mit dem Bundestagsabgeordneten Karl Bär (Die Grünen) zum Thema Korridor-Maut habe nicht zum Konsens geführt. Die anschließend abgesandte Stellungnahme zur Novellierung des Mautgesetzes an die führenden Fraktionsvertreter im Bundestag ist laut Unger bis heute unbeantwortet geblieben.
Selbst die Podiumsdiskussionen zur Landtagswahl mit 14 Kandidaten in Tattenhausen und Rohrdorf stärkten den Eindruck, dass „die Bürgerinitiative gehört und vor Ort respektiert wird“, aber deren einschlägige Argumente bezüglich der „sinnlosen Umweltzerstörung“ ignoriert würden. Diese vorherrschende politische Ignoranz habe sich auch bei der Exkursion nach Südtirol mit Teilnahme an einer Bürgerversammlung und Gesprächen mit lokalen Aktivisten und Politikern gezeigt.
„Ich kann euch sagen, dass wir von Politik und Bahn auf den Arm genommen werden“, so Christoph Ohliger, Sprecher und Gründungsmitglied des Brenner-Dialogs. Er verwies am Beispiel von Hamburg, Hannover, Bielefeld, Frankfurt, Rheintal, Stuttgart, Ulm und Augsburg in Richtung Süden auf die immensen Summen an Steuergeldern, die für Hochgeschwindigkeitstrassen investiert werden, obwohl 90 Prozent der Bahnreisenden Nahverkehrskunden seien. Und er betonte kritisch, dass in den Trassen-Plänen nur die Bauflächen aufgezeigt werden, nicht die notwendigen Ausgleichsflächen und Material-Lagerflächen. „Der Zulauf zum Tunnel wird teurer werden als der Tunnel selbst. Die Kosten werden im Laufe der Bauzeit explodieren“, so sein Fazit.
Dazu äußerte sich Benno Schmid: „Acht rotierende Tunnelbohrmaschinen sollen eingesetzt werden mit einer Länge von jeweils 200 Meter, und ich prophezeie, dass Stephanskirchen, Riedering und Flintsbach nach den Maßnahmen nicht mehr zu erkennen sein werden.“
Die Bürgerinitiative will nach den Worten von Schmid sichtbar machen, wie durch den Trassenbau die Bevölkerung und Landschaft im Inntal leiden werde, auf die wirtschaftliche, landwirtschaftliche und touristische Einbußen aufmerksam machen und auf die „irreparable Flächenzerstörung und -versiegelung“ durch die Großbaustelle in der Heimat Inntal vorbereiten .
Mittels Mahnfeuer und Kundgebungen entlang der geplanten Trassenführung im Landkreis Ebersberg wurden die Bürger für dieses brisante Thema sensibilisiert, zudem bei der Teilnahme an einer bundesweiten Mahnfeuer-Aktion des Aktionsbündniseses Bahn-Bürgerinitiativen Deutschland (ABBD). Wegweisende Markierungsstangen zeigten den Streckenverlauf der diskutierten Bahnstrecke im Bereich Fischbach-Niederaudorf, begleitet von einer Kundgebung in Reisach, die von über 200 Gästen besucht wurde.
Jahrzehnte
und nicht Jahre
„Das Thema ist in unseren Fokus gestellt, denn der Baustellenlärm dauert nicht nur Jahre, sondern Jahrzehnte“, betonte Neubeuerns Bürgermeister Christoph Schneider und lobte den Austausch mit der Bürgerinitiative. „Wir sind dankbar für die große Energie, welche in die Sache investiert wird.“
„Die Bahnstrecke läuft kreuz und quer durchs Rosenheimer Land“, veranschaulichte Christoph Ohliger. Die Wortmeldung von Hans Walk aus Kufstein zeichnete zudem ein erschreckendes Bild. „Es ist ein Grauen, wie grenzüberschreitend mit den Menschen umgegangen wird. In einem Gespräch mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten aus Tirol kristallisierte sich heraus, dass die örtlich amtierenden Politiker nichts zu sagen haben.“ Und der Tiroler Gast wendete sich mit einer nachdrücklichen Bitte an seine bayerischen Mitstreiter, „der letzte Hoffnungsschimmer seid ihr in Bayern. Bleibts dran, nicht locker lassen“, so sein eindringlicher Appell. In der Versammlung herrschte Einigkeit. Die Ertüchtigung der Bestandsstrecke sei die bessere, billigere, schnellere und umweltverträgliche Lösung.