„Ob König oder Bettelmann“

von Redaktion

Mysterienspiel Totentanz in der Aschauer Pfarrkirche – Riederinger Spuileit überzeugen

Aschau – Der Tod wird uns alle treffen, ohne Rücksicht auf Stand, Vermögen, Rang oder Namen. Was im Mittelalter galt, gilt auch heute noch. Und das Mysterienspiel Totentanz in der voll besetzten Aschauer Pfarrkirche führte dies dem Publikum auf eindrückliche Weise vor Augen.

Düstere Stimmung drinnen und draußen

Die einsetzende Dunkelheit draußen, die mit einem schwarzen Vorhang verhüllten Kirchenfenster im Chorraum und eine mystische Illumination – die düsteren Rahmenbedingungen waren das eine, das andere, im wahrsten Sinne unter die Haut gehend, war das Mysterienspiel selbst. Der Einzug des Ludwig-Thoma-Chores, Kerzen in den Händen haltend und den gregorianischen Hymnus „Dies irae, dies illa“ singend, stimmte auf das Jüngste Gericht ein. Worte, die Pfarrer Paul Janßen, in ein Herold-Kostüm gewandet, später wiederholte: „Der Tod kennt kein Aufschub niet, … er ist allzeit fern und doch so nah.“

Die Riederinger Spuileit, in mittelalterliche, den jeweiligen Stand markierende Gewänder gehüllt und die althochdeutschen Texte vortrefflich deklamierend, taten das Übrige, um sich ins Mittelalter versetzt zu fühlen. Sei es der Kaiser (Rupert Hausstätter), der Vogt (Rupert Breit), der Bettelmann (Klaus Hertkorn), der Landsknecht (Valentin Huber), die Buhlerin (Magdalena Ittlinger), die Krämerin (Elisabeth Maier) oder die Mutter mit Kind (Agnes Staber) – jeder Darsteller verkörperte seine Rolle und seinen Stand perfekt. Da nahm es nicht Wunder, wenn sich der Herre Tod den Kaiser mit den Worten „warst ein arg verblend’ter Mann“ nahm oder der Krämerin zum Abschied beschied: „Dein irdisch Gut bleibt auf der Welt.“ Makaber mutete es an, wie der Tod mit der Buhlerin, bis zu ihrem bitteren Ende, im Kirchengang tanzte. Vier Herren (Xaver Brückner, Korbinian Schmitzberger, Franz Staber und Michael Bauer) – bleich geschminkt und mit schwarzem Umhang furchteinflößend die Macht über Leben und Tod darstellend – gaben den Herre Tod, nur Gott untertan.

Ein gelungener Regieeinfall, Gott als Stimme Gottes (Erwin Ringsgwandl) über das Mikro aus der Ferne sprechen zu lassen. Zwischen den Auftritten erklang Musik. Rupert Schäffer spielte auf der Geige „Es ist ein Schnitter, heißt der Tod“: kaum Vibrato, da ließ die Melodie aus dem frühen 17. Jahrhundert noch mehr erschauern. Da improvisierte Christine Klinger an der Orgel auf mächtige und doch nie forsch-laut werdende Weise über den gregorianischen Choral „dies irae, dies illa.“ Der Bläserruf und der Reitermarsch des großen Kurfürsten der großartig aufspielenden Aschauer Bläser markierten den Einzug des Vogts beziehungsweise des Kaisers. Trommel (Anna Maurer) und Querpfeife (Agnes Staber) kündigten den Landsknecht an.

Der Gesang des Ludwig-Thoma-Chors sorgte nicht minder für Gänsehaut: Sei es das flehende, sechsstimmige Kyrie aus der Irmengard-Messe (von Sebastian Weyerer, geboren 1941, komponiert), das vierstimmige „popule meus“ mit Solo-Chor aus den rückwärtigen Altar-Raum von L. da Vittoria oder der Männerchor im Carl Orffschen „Der grimmig Tod mit seinem Pfeil.“ Die Texte des Mysterienspiels sind eine Neuschöpfung von Johannes Alois Lippl, der sich von bildlichen Darstellungen aus der Marienkirche in Lübeck und Basel inspirieren ließ, eindrücklich.

Dem Tod kommt niemand aus

So verstärkten Spiel, unter der Spielleitung von Agnes Staber, Musik, unter der Leitung des jüngst mit dem Kultursonderpreis ausgezeichneten Sebastian Weyerer, und Licht-Technik, durch Peter Freisler, die Bedeutung des Mysterienspiels noch mehr. Beim großen Finale mit dem „Cunctipotens Deus“ für Chor, Bläser und Orgel, ein Discanto di Milano um 1200, den Un-Toten, die – eingerahmt von den vier Herren Tod – das jüngste Gericht erwarten, und der düsteren Illumination wurde dies noch einmal plastisch deutlich: Dem Tod kommt niemand aus. Ende oder ewiges Leben? Klar ist nur, der Tod ist allgegenwärtig und unbestechlich: „Ob König oder Bettelmann – er geht sie allesamten an …“.

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