Rosenheim/Riedering – Es war ein ganzer Strauß an Vergehen, die die Vertreterin der Staatsanwaltschaft dem 80-jährigen Landwirt und Rentner zur Last legte. Vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs, Unfallflucht, Bedrohung, gefährliche Körperverletzung und Beleidigung.
Wurde die
Frau angefahren?
Was hatte der 80-Jährige angestellt? Die Anzeige stammte von einer 76-jährigen Rentnerin, die er angeblich beleidigt, bedroht und als Fahrer mit seinem Pkw absichtlich angefahren habe. Anschließend sei er noch, ohne sich um die verletzte Frau zu kümmern, davongefahren.
Ganz anders berichtete dies der Rentner unterstützt von seinem Verteidiger Rechtsanwalt Nikolaus Steindlmüller: Demzufolge hatte er die Beschuldigerin bereits im Vorfeld mehrmals darauf hingewiesen, dass diese auf seinem Ufergrundstück nichts zu suchen habe und schon gar nicht mit deren freilaufendem Hund. Am 5. Februar 2023 habe er gegen 10 Uhr sein Ufergrundstück, die dort gelagerten Boote und sein eigenes Bootshaus kontrollieren wollen. Dies mache er nicht aus Jux und Tollerei, sondern er sei darüber hinaus auch Beauftragter des Landratsamtes um dort Ordnung und ordentlichen Gebrauch durch Besucher des Sees und Strandbades Pietzing aufrecht zu erhalten.
Als er dort auf seinem Grundstück eintraf, habe er festgestellt, dass sich die Anzeigeerstatterin wieder einmal mit ihrem freilaufenden Hund dort aufhielt. Aus dem Auto heraus – er sei bereits wieder im Begriff gewesen sein Grundstück zu verlassen – habe er sie angesprochen und erneut darauf hingewiesen, dass dies sein privates Grundstück sei und darüber hinaus ein Verbotsschild darauf hinweise. Dies um so mehr als er hier keine freilaufenden Hunde dulde. Sie habe ihm trotzig erklärt, dass dieses Schild für sie irrelevant sei. Des Streites müde habe er noch zu ihr gesagt: „Geh, steig ma doch an Huat nauf“ und sei davongefahren. Sie sei seitlich neben dem Wagen auf der Beifahrerseite gestanden. Weder habe er – wie behauptet – zurückgesetzt, um sie zu treffen, noch habe er beobachtet, dass sie ohne sein Zutun gestürzt sei und seiner Hilfe bedürfe.
Mehrere Nachbarn beschrieben das „Tatopfer“ als sehr eigenwillige Person, die sich durchaus nicht immer an gegebene Regeln zu halten bereit sei, auch als „übergriffig“ wurde sie bezeichnet.
Das Schöffengericht musste sich in die Tiefen des Dorftratschs begeben um die Hintergründe des Zusammenlebens im Ort verstehen zu können.
Das angebliche Tatopfer hatte bei seiner Schilderung des Vorganges etliche Fragen des Verteidigers nach Ungereimtheiten zu beantworten, denen sie jedoch im Brustton der Überzeugung begegnete. Der Angeklagte habe sie grob aus dem Auto heraus beleidigt und mit einer ausholenden Schlagbewegung bedroht. Dann sei er weggefahren, aber sicher rückwärts noch auf sie zugefahren denn sie habe einen heftigen Stoß im Rücken verspürt, der sie zu Boden geworfen habe. Als er dann wegfuhr, habe sie ihm mit einer Anzeige gedroht. Aber er habe ihr – das habe sie noch im Rückspiegel gesehen – nur höhnisch zugelächelt. Das Gericht stellte fest, dass der Angeklagte noch niemals vorbestraft war.
Zwar hat er sich durch seine Aufsichtsfunktion am See bei einigen Bewohnern wohl unbeliebt gemacht, jedoch konnte keiner der Zeugen aus der Vergangenheit von irgendeinem aggressiven Verhalten über ihn berichten. Die Vertreterin der Anklage stellte fest, dass es sich hier wohl um eine spezielle Gemengelage innerhalb dieser Dorfgemeinschaft handle. Es seien jedoch die ärztlicherseits attestierten Verletzungen nicht von der Hand zu weisen. Auch habe das Tatopfer in seiner Aussage keine Brüche oder Widersprüche erkennen lassen. Sie beantragte, den Angeklagten zu einer Haftstrafe von 13 Monaten zu verurteilen, die aber selbstverständlich zur Bewährung auszusetzen sei. Ein Fahrverbot von sechs Monaten sei ebenfalls angebracht. Der Verteidiger erklärte, dass es sich hier um eine klassische Aussage gegen Aussage Situation handle. Auch war er sicher, dass das angebliche Tatopfer nicht lüge.
Das Problem sei, dass diese, das was sie erzählt, tatsächlich glaube – obwohl das nicht wahr sei. Eine Reihe von Tatsachen würde das erklären. So behauptete sie, der Angeklagte hätte ein Elektro-Auto benutzt, was in Wahrheit gar nicht stimme. Tatsache: Sie hört so schlecht, dass sie sich Dinge zusammenreimen muss. So behauptete sie, sie habe den Angeklagten im Rückspiegel „grinsen“ gesehen. Auch das ist auf die angegebene Entfernung schlicht unmöglich. Dass sie gestürzt ist, das möge durchaus stimmen. Jedoch habe das sicher nicht mit einem Kontakt mit dem Fahrzeug seines Mandanten zu tun.
Langjährige
Abneigung
Die Frau habe versucht, wegen ihrer langjährigen Aversion gegen den Angeklagten bei dieser Gelegenheit gegen den Angeklagten Rache zu üben, und glaube diese Geschichte inzwischen selber – was mit ihrem Charakter zusammenhänge. Das sei in der Hauptverhandlung deutlich geworden. Er beantragte, seinen Mandanten rundweg freizusprechen.
Das Schöffengericht kam nach intensiver Beratung zu dem Schluss, den 80-Jährigen freizusprechen. Das Gericht sei zwar nicht völlig von dessen Unschuld überzeugt, denn Motive seien auf beiden Seiten zu erkennen. Weil aber etliche Zweifel bestehen, sei der Angeklagte nach deutschem Recht freizusprechen.