Aschau – „Wir wollten doch nur den Bahnsteig im Aschauer Bahnhof ein wenig erhöhen und jetzt wird daraus ein Millionenvorhaben“, Bürgermeister Simon Frank war von den jüngsten Entwicklungen der unendlichen Geschichte um den Aschauer Bahnsteig zum Beginn der Gemeinderatssitzung sichtlich angefressen. Der Rathauschef berichtete dem Gremium vom Besuch des zuständigen bayerischen Verkehrsministers Christian Bernreiter am Aschauer Bahnhof.
Für Bahn hat
Projekt keine Priorität
Bernreiter erläuterte, dass derzeit von 1056 Bahnhöfen in Bayern rund 500 saniert werden müssten. Unter diesen sanierungsbedürftigen seien so wichtige Bahnhöfe an den Hauptstrecken wie Kulmbach mit mehr als 5000 Fahrgästen pro Tag. Aschau habe gerade einmal 800 bis 1000 Nutzer. Grundsätzlich ist die Deutsche Bahn für die Sanierung der Bahnhofsanlagen zuständig, allerdings ist der Bahnhof Aschau nicht auf einer Vorrang-Position. Das Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz würde die vollumfängliche Finanzierung der Maßnahme decken – allerdings gilt das Gesetz nur für Maßnahmen mit Kosten über zehn Millionen Euro. Diese Summe wird in Aschau nicht erreicht.
Bernreiter will Bundesverkehrsminister Volker Wissing wegen der sonstigen Möglichkeiten erneut kontaktieren. Da eine schnelle Umsetzung durch die Bahn nicht absehbar sei, stellte der Minister eine Planungsbeteiligung von maximal 80 Prozent durch den Freistaat Bayern in Aussicht – der Rest der Planungskosten von etwa 120000 Euro verbliebe zunächst bei der Gemeinde Aschau. Diese Ausgabe wäre als Vorleistung der Gemeinde zu sehen. Die Bahn könnte die Kosten im Rahmen eines Kostenübernahme-Vertrages dann wieder zurückerstatten. Sobald die fertige Planung für den Bahnsteigumbau vorliege, könnte die Bahn die relativ niederschwellige Maßnahme mit Gesamtbaukosten von aktuell knapp einer Million Euro zeitlich vorziehen.
Der Gemeinderat nahm auch diese Bekanntgabe ruhig zur Kenntnis, sind doch in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten bereits ungezählte Vorstöße der Gemeinde Aschau zur Sanierung des Bahnsteigs im Behördendschungel der Deutschen Bahn und ihrer Vorgängerorganisationen verlaufen.
Aschau verfügt als einer der wenigen Orte in der Region noch über einen Bahnhof und den regen Zugverkehr der Chiemgaubahn auf der knapp zehn Kilometer langen Strecke zwischen Aschau und Prien. Jede Stunde fährt ein Zug nach Prien und kommt nach kurzem Aufenthalt dort wieder ins Obere Priental zurück, 14 Minuten benötigen die Triebwagen für die Strecke. Vor allem für die Kinder und Jugendlichen, die von Aschau aus jeden Tag in die Schulen nach Prien müssen, ist die Chiemgaubahn als umweltfreundliches Transportmittel unverzichtbar. Ebenso wertvoll ist die eigene Bahnverbindung der Gemeinde auch heute noch für den Tourismus.
Doch eine anscheinend unüberwindbare Schwelle haben die Verantwortlichen der Eisenbahn vor die Nutzung des Aschauer Bahnhofs gestellt: Der Bahnhof ist nicht barrierefrei. Im Jahr 1878 – damals herrschte noch König Ludwig II. – als die Bahnlinie fertiggestellt wurde, kamen andere Zuggarnituren zum Einsatz als die, die heute auf der Strecke fahren. So ist es für ältere Gäste mit körperlichen Einschränkungen, für die Kinder der orthopädischen Kinderklinik oder aus den heilpädagogischen Einrichtungen des „Kind im Zentrum“ Chiemgau mit großen Schwierigkeiten verbunden, den Höhenunterschied vom Bahnsteig in den Triebwagen zu überwinden, sei es beim Einstieg oder beim Ausstieg. Das Besteigen der Bahn mit Rollstühlen ist mit hohem Aufwand verbunden, da der Hublifter als Einsteighilfe nur vom Bahnpersonal bedient werden darf. Eine Nutzung ist – wegen der Bereitstellung fachkundigen Personals – bereits am Tag vorher anzumelden und ist in kürzester Zeit abzuschließen. Mehrere Rollstuhlfahrer könnten in den kurzen Wartezeiten der Chiemgaubahn bis zur nächsten Fahrt nach Prien nicht verladen werden.
Generationen von Aschauer Bürgermeistern und Gemeinderäten haben bereits versucht, an diesem Zustand etwas zu ändern, bisher allerdings immer vergeblich. Die meisten dieser Versuche scheiterten an den für Außenstehende undurchschaubaren Kompetenzen und Zuständigkeiten innerhalb der Bahn. Die Gemeinde Aschau wäre schon lange bereit die unhaltbaren Zustände zu ändern und sich auch an den Umbaukosten zu beteiligen. Bisher verliefen jedoch alle diese Versuche im Sand.
Komplizierte Eigentumsverhältnisse
Die größte Problematik bei einem Ausbau der Rampe liegt in den Eigentumsverhältnissen des Bahnsteigs. Das Schienennetz gehört der Deutschen Bahn, die Südostbayernbahn ist lediglich Pächter der Schienen. Die Rampenzuständigkeit liegt bei der DB. All diese Punkte haben bislang einen Ausbau und damit eine Verbesserung der Situation erheblich erschwert. Die letzte Auskunft der DB war, so Bürgermeister Simon Frank, dass in absehbarer Zeit eine Bahnsteigerhöhung auf eine Ausstiegshöhe von 55 Zentimeter beabsichtigt sei, da ab 2024 neue Züge auf der Strecke fahren sollen.
Der Gemeinderat hatte bereits 2022 beschlossen eine Machbarkeitsstudie für einen barrierefreien Bahnhof in Auftrag zu geben. Die Kosten hierfür liegen bei etwa 20000 Euro für die Grundlagenermittlung und eine erste Vorplanung. Sobald die Machbarkeitsstudie des externen Planungsbüros vorliegt, finden weitere Koordinierungstermine hierzu statt. Der Gemeinderat wird hierzu auf dem Laufenden gehalten.