Eiselfingerin hilft in Kriegsgebieten

von Redaktion

Bayerischer Kulturpreis für Masterarbeit an der Hochschule Rosenheim verliehen

Rosenheim/Eiselfing – Es war nur ein kurzer Augenblick, doch Brigitte Stockenreiter aus Eiselfing wird diesen nicht so schnell vergessen. Mitte November erhielt die 29-Jährige den Bayerischen Kulturpreis von der Bayernwerk AG.

Geehrt wurde sie für ihre Masterarbeit im Studiengang „Angewandte Forschung und Entwicklung“ in den Ingenieurwissenschaften. Stockenreiter überarbeitete den Prototypen eines mobilen Verbrennungsofens für infektiöse medizinische Abfälle, der von Marinus Spatzier entwickelt wurde.

Infrastrukturen
fehlen oft

Nach medizinischen Behandlungen bleiben Abfälle übrig, darunter auch infektiöse, die verbrannt werden müssen. Oft fehle es in Krisen- und Kriegsgebieten an guten Infrastrukturen, um große Verbrennungsöfen zu betreiben. Es werde daher auf unsichere Alternativen zurückgegriffen, wie Lagerfeuer oder Öltonnen. „Das ist sowohl für die Menschen als auch für die Umwelt höchst schädlich, da Giftstoffe freigesetzt werden“, sagt Stockenreiter. Außerdem bestehe das Risiko, dass die Abfälle nicht vollständig vernichtet werden.

Für ihre Masterarbeit an der TH Rosenheim wandte sie sich an Professor Dr. Ing. Frank Buttinger. Er brachte Stockenreiter auf das Thema. „Das Ziel war es, einen kleinen Verbrennungsofen zu haben, den man aus einfachen Mitteln herstellen und transportieren kann“, sagt Stockenreiter. Und das schaffte Spatzier. Der Verbrennungsofen ist klein, handlich und hat eine Kapazität von etwa einem halben bis einem Liter.

Bislang gebe es nichts Vergleichbares auf dem Markt. Nachdem Marinus Spatzier den ersten Prototypen gebaut hatte, bat er Buttinger nach seinem Abschluss um Unterstützung für die Optimierung. „Professor Dr. Ing. Frank Buttinger war der Meinung, dass sich der Verbrennungsofen perfekt für studentische Arbeiten eignet“, sagt Stockenreiter. Für Stockenreiter ging es zunächst an die Analyse des Gesamtsystems. Dabei musste sie die klaren Anforderungen der WHO beachten. „Für die Sicherheit von Bedienern als auch für die Umwelt gibt es klare Regeln, wie die Verbrennung ablaufen muss“, sagt Stockenreiter.

Sie simulierte die Vermischung von Propan und Luft in den Brennern und beobachtete den Istzustand. „Ich schaute mir an, wie das Propan und die Luft sich vermischen. Nur wenn sich diese in den Brennern optimal mischen, kann eine vollständige Verbrennung stattfinden“, sagt die 29-Jährige.

Der Ofen habe eine Vor- und eine Nachverbrennung. Immer wieder testete Stockenreiter verschiedene Brennergeometrien. „Es war noch nicht optimal, da immer noch Propan unverbrannt bleiben würde“, sagt sie. Stockenreiter veränderte die Einströmungen von Luft und Propan, bis sie das perfekte Zusammenwirken erreichte. „Das Propan strömte schnell genug, um die Umgebungsluft mitzureißen. Die Gase vermischen sich anschließend optimal, sodass eine vollständige Verbrennung stattfinden kann“, sagt sie.

Der aktuelle Stand des Verbrennungsofens sei positiv. „Er ist bereits jetzt einsetzbar“, sagt Professor Dr. Ing. Frank Buttinger. Das Betreuerteam als auch die gesamte TH Rosenheim seien stolz auf die Abschlussarbeit von Stockenreiter. „Die Auszeichnung zeigt die Kompetenz in der Region als auch den Stellenwert in der Forschungslandschaft in Bayern“, sagt er. Er war es, der Stockenreiter für den Kulturpreis vorschlug.

Über den Preis freut sich auch der Entwickler Marinus Spatzier. „Ich finde es absolut richtig und wichtig, dass an dem Projekt weitergearbeitet wird und dass die Idee nun einen Preis erhält“, sagt er. Für die Zukunft wünscht er sich, dass nach der Überarbeitung der Ofen zum Einsatz kommen kann. „Und so einen Teil dazu beitragen kann, Menschen in Kriegs- und Krisengebieten vor zusätzlichen Leid von vermeidbaren Infektionskrankheiten zu bewahren“, sagt Spatzier.

Das Projekt wählte Spatzier im Rahmen seiner Bachelorarbeit 2019 an der FH Coburg für den Studiengang Produktdesign. Die Idee konnte in Zusammenarbeit mit der NGO Cadus, einer deutschen Hilfsorganisation, umgesetzt werden. Cadus leistet unter anderem im Irak und Syrien medizinische Nothilfe und sei auf Verbrennungsöfen angewiesen. Auch sie optimieren den Prototyp von Spatzier. „Geplant ist aber eine Open Source Lizenz, sodass jeder die Möglichkeit hat, den Ofen zu bauen, zu verbessern oder auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen“, sagt Spatzier.

Für das Handwerk begeisterte sich Stockenreiter früh. Nach der Schule machte sie eine Ausbildung als Industriemechanikerin. „Ich wollte in diesem Bereich bleiben, also entschied ich mich für ein Maschinenbaustudium“, sagt Stockenreiter. Auch Rosenheim blieb sie treu und machte an der TH noch ihren Master in Angewandter Forschung und Entwicklung. „Es ist aufregend, sich in neue Themen einzuarbeiten und nach Lösungen für Probleme zu suchen“, sagt sie.

Ausschau nach
Neuentwicklungen

Nun arbeitet Stockenreiter bei der Firma Somic in der Entwicklungsabteilung. Ihre Aufgabe sei es, nach Neuentwicklungen Ausschau zu halten, die relevant für das Unternehmen sein könnten. Auch heute setzt sie sich mit neuen Techniken auseinander und entwickelt selbst Projekte für ihre Firma. „Ich habe zu meinem Studium den perfekten Arbeitsplatz gefunden“, sagt sie.

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