Grabschmuck zerlegt und verscherbelt?

von Redaktion

Angeblich vier Friedhöfe im Chiemgau heimgesucht – Prozess wird verschoben

Traunstein/Aschau – Der Mordprozess um den gewaltsamen Tod der Studentin Hanna W. in Aschau, der sich voraussichtlich mindestens bis in den März hineinzieht (wir berichteten), verhindert den Start eines anderen Verfahrens der gleichen Strafkammer vor dem Landgericht Traunstein. Die Zweite Jugendkammer hatte eigentlich ab vergangenem Donnerstag eine fünftägige Hauptverhandlung gegen eine mutmaßliche Diebesgruppe, die es auf sakrale Gegenstände im Raum Traunstein abgesehen hatte, auf der Agenda.

„Hanna“-Verfahren
hat Vorrang

Wie Vorsitzende Richterin Jacqueline Aßbichler auf Anfrage unserer Zeitung mitteilte, musste der Prozess wegen des „Hanna“-Verfahrens auf unbekannte Zeit verschoben werden.

Zunächst war noch im Dezember mit dem „Hanna“-Urteil gerechnet worden – was sich jedoch durch zusätzliche Ermittlungen und zahlreiche Verteidigeranträge verzögerte. Die fünf Termine zwischen 11. und 30. Januar waren ursprünglich seit Monaten für die Verhandlung gegen drei syrische Staatsangehörige aus Traunstein bestimmt. Einem der Angeklagten im Alter zwischen 29 und 20 Jahren sollte zudem Verteidiger Dr. Markus Frank aus Rosenheim rechtlichen Beistand leisten – der zusammen mit seinem Kollegen Harald Baumgärtl und der Münchner Anwältin Regina Rick den Angeklagten Sebastian T. (22) in der juristischen Aufarbeitung des Verbrechens in Aschau vertritt. So müssen die drei angeblichen Diebe noch weiter in Untersuchungshaft sitzen. Gemeinsam waren sie am 17. Februar 2023 vorläufig festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft legt ihnen in der 16-seitigen Anklageschrift Beutezüge in vier Friedhöfen zur Last – in Traunstein-Haslach, im Traunsteiner Ortsteil Kammer, in Siegsdorf und Vachendorf. Von mehr als 30 Gräbern sollen sie Grabkreuze, Grablaternen, Weihwasserbehälter, aber auch künstlerisch bedeutsamen Grabschmuck entwendet haben. Eine Löwenskulptur und eine wertvolle Grabplastik, geschaffen von dem bekannten Künstler Heinrich Kirchner, sollen darunter gewesen sein. Auch vor einer Jesus-Figur und einem Lebensbaum sollen die Täter nicht Halt gemacht haben.

In der Kirche St. Oswald in Traunstein soll die Gruppe – ebenfalls mit brachialer Gewalt – einen über 500 Jahre alten Opferstock aus der Verankerung gerissen haben. In Teisendorf drangen mutmaßlich die gleichen Täter in die Pfarrkirche St. Georg ein, brachen den Opferstock auf, raubten den Inhalt und nahmen gleich noch sechs Kerzenleuchter aus Bronze mit. Folgt man der Anklage, ging die Bande mit Brecheisen und Bolzenschneidern vor, um an das begehrte Metall zu gelangen. Hinterher sollen die Männer die Beute zerlegt und zum Teil an eine Recyclingfirma in Traunstein verkauft haben. Der Betrieb schöpfte jedoch Verdacht und überwies die vereinbarten Erlöse für Kupfer und Messing nicht mehr. Zu dem materiellen und dem immensen immateriellen Schaden kam bei den Diebeszügen noch jeweils hoher Sachschaden. Am Friedhof in Siegsdorf zum Beispiel soll der Gesamtschaden bei fast 37000 Euro liegen. Insgesamt enthält die Anklage 32 Fälle des schweren Bandendiebstahls, dazu die Vorwürfe „Störung der Totenruhe“ und „gemeinschädliche Sachbeschädigung“.

Weitere Vorwürfe
stehen im Raum

Dem 29-Jährigen liegt zusätzlich der Besitz von kinderpornografischen Dateien auf dem Handy zur Last. Der 20-Jährige soll ohne Fahrerlaubnis mit einem Pkw unterwegs gewesen sein, an einem anderen Tag eine Schreckschusswaffe auf der Straße mit sich geführt haben. In der Berufsschule II soll er eine Lehrerin trotz eines Annäherungsverbots mit voller Wucht geschubst haben. Sie trug Schmerzen davon. Weiter soll der Heranwachsende durch ein eingeschlagenes Fenster in eine Wohnung in Traunstein eingebrochen sein. Seine angebliche Beute: 7000 Euro in bar, eine Rolex-Uhr, ein billigerer Chronometer und ein Smartphone.

Auch einem 25 Jahre alten Angeklagten gelten zusätzliche Vorwürfe der Staatsanwaltschaft: Beleidigung und Körperverletzung eines Busfahrers sowie von zwei Passagieren am Bahnhofsplatz in Traunstein, dazu mehrere aggressive Vorfälle in den Justizvollzugsanstalten.

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