„Kollektives Misstrauensvotum“

von Redaktion

Hunderte Menschen demonstrieren mit Fahrzeugkonvois und Mahnfeuern

Bad Aibling/Großkarolinenfeld – Auch am Mittwoch gingen wieder Hunderte Menschen auf die Straße, um gegen die Steuerpolitik der Ampel-Regierung zu demonstrieren. Vom „Basislager“ in Bad Aibling, der neuen Kletterhalle, machen sich etwa 50 Fahrzeuge auf den Weg durchs Mangfalltal nach Valley: Traktoren, Lkw, Privatfahrzeuge. Aus Kolbermoor, Bruckmühl, Vagen, Beyharting, Großkarolinenfeld, Aßling, Lorenzenberg oder Jakobneuharting.

Es sind Landwirte, Handwerker, Rentner, Anlagenführer, Lkw-Fahrer, Krankenschwestern. Mit Rundumleuchten, Warnblinkern, Hupkonzerten und rot-weißen Bändchen bekunden sie ihre Solidarität und machen klar: „Das ist ein Aufstand der Normalverdiener. Das ist ein kollektives Misstrauensvotum an diese Regierung.“ Was ihnen auf der Seele brennt, ist die anhaltende Verteuerung des Lebens, die Planungsunsicherheit ihrer Zukunft: „Heizungsgesetz, Erbschaftssteuer, CO2-Steuer und die Unfähigkeit der Regierung.“ Es ist keine Bauerndemo, betonen sie: „Es ist ein Aufstand des Mittelstandes, der Menschen, die den Wohlstand dieses Landes erwirtschaften.“

Solidarische Gesten
am Texas-Kreisel

Am Texas-Kreisel lodert das erste Mahnfeuer dieser Nacht. Die Traktoren stehen auf dem und nicht im Kreisel, denn: „Wir wollen die Menschen aufrütteln, aber nicht verärgern.“ Auf einem Plakat danken die Bauern den Autofahrern für ihr Verständnis. Doch das brauchen sie gar nicht. Die Berufspendler sind gerade unterwegs nach Hause, die Aiblinger Umgehungsstraße ist voll. Alle haben freie Fahrt. Doch sie fahren im Schritttempo, demonstrieren mit Hupkonzerten ihre Solidarität.

Auch in Ödenhub in der Gemeinde Großkarolinenfeld demonstrieren etwa 50 Landwirte mit Traktoren und einem Mahnfeuer an der Staatsstraße 2080. Auch ihnen machen die Berufspendler mit Warnblinkern, Hupen und Gesprächen Mut, dass sie richtig liegen mit ihren Protesten.

Als am Abend in Jakobsberg in der Gemeinde Tuntenhausen ein riesiges Mahnfeuer entfacht wird, rollen mehr als 200 Fahrzeuge an – Traktoren, Lkw, Handwerkerfahrzeuge und private Pkw aus der ganzen Region. Etwa 400 Menschen versammeln sich hier. Kinder, Eltern, Großeltern. Kaum eine Berufsgruppe fehlt: Land- und Pferdewirte sind dabei, Metzger, Bäcker, Köche, Elektriker, Mechaniker, Brauer, Verkäuferinnen, Kellner, Alten- und Krankenpfleger, viele Rentner.

Josef Bodmaier, ehemaliger Kreisbauernobmann und heute als Gemeinderat und Ortsbauernobmann ehrenamtlich aktiv, bringt auf den Punkt, was den Bauern stinkt: „Es ist immer die Rede von einem Haufen Subventionen. Wir brauchen keine Subventionen, wenn wir unsere Lebensmittel zu den Herstellungskosten verkaufen könnten. Dann müssten wir den Liter Milch eben für 75 Cent und nicht für 50 Cent verkaufen“, sagt er. Die „Ausgleichszahlungen“ seien dafür da, den Verbraucher zu entlasten und Lebensmittel bezahlbar zu machen. „Weltweit wird der Agrarsektor subventioniert“, verdeutlicht Bodmaier. „Für die deutsche Landwirtschaft gelten die höchsten Standards, sie leidet unter der höchsten Bürokratie.“ Dass die Mineralölsteuerrückerstattung der Landwirte „als Subvention verkauft wird“, regt ihn auf: „Sie ist für die Sanierung der Straßen gedacht. Unsere Fahrzeuge sind auf Feldern, Wiesen und in Wäldern im Einsatz.“ Bisher erhielten die Landwirte deshalb eine Mineralölsteuerrückerstattung von 21 Prozent.

Was die Bauern umtreibt, ist „die fehlende Fachkompetenz“ in der Regierung: „Wie kann ein Sozialpädagoge Agrarminister sein und Entscheidungen für Menschen treffen, die mehrere landwirtschaftliche und technische Berufsausbildungen haben und seit Generationen in der Landwirtschaft arbeiten“, kritisieren sie. So müssen Bauern in teure Technik für die verpflichtende Einführung der Schleppschuhtechnik für bodennahe Gülleausbringung investieren. Auch der Umbau der Tierhaltung für mehr Tierwohl lastet vor allem auf ihren Schultern. „Die Borchert-Kommission wollte die deutsche Landwirtschaft mit vier Milliarden Euro pro Jahr unterstützen“, erinnert Bodmaier an die Merkel-Ära. Jetzt gibt es 250 Millionen Euro pro Jahr.“

Ein moderner Laufstall kostet etwa 12000 Euro pro Rind. Das schultern die Landwirte gemeinsam mit den Banken. „Für die Refinanzierung braucht man Planungssicherheit, und die ist verloren gegangen“, so Bodmaier.

„Staatlicher
Kontrollwahn“

Auch der staatliche „Kontrollwahn“ belaste die Landwirte. „Jedes Fass Gülle muss in einer Stoffstrombilanz dokumentiert werden. Jeder Baum, der im Wald entnommen oder neu gepflanzt wird, muss mit Begründung dokumentiert werden. Jede medizinische Behandlung einer Kuh wird vom Landwirt und Veterinär doppelt dokumentiert“, nennt Bodmaier nur drei Beispiele. Für die Landwirte ist das Fass übergelaufen.

Artikel 1 von 11