Bad Endorf – Es waren klare Ansagen, die die Herren Bernhard Seidenath und Daniel Artmann aus dem Katharinenheim Bad Endorf mit in den Landtag nach München nahmen:
Alle an einen Tisch und Tacheles miteinander reden, das Ziel hatte sich Anita Read, die Geschäftsführerin des Katharinenheim e.V., gesetzt. Sie hat es erreicht. Um den Tisch im Kurs- und Therapieraum im Katharinenheim saßen der Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit, Pflege und Prävention im Landtag, Bernhard Seidenath (CSU), der hiesige Landtagsabgeordnete Daniel Artmann (CSU), Elmar Stegmeier, Experte der CSU in Fragen des Gesundheits- und Sozialwesens, Landrat Otto Lederer, die Bürgermeister Alois Loferer aus Bad Endorf und Simon Hausstetter aus Rohrdorf, Uwe Hering, der Vorsitzende des Katharinenheim e.V., sowie die Pflegedienstleiterinnen Nicole Wowk (Bad Endorf), Nadja Stiels (ambulante Dienste) und Michaela Schliersmayer (Thansau).
Hinter
verschlossenen Türen
Politiker und Praktikerinnen konnten sich hinter verschlossenen Türen intensiv miteinander austauschen, weil Insolvenzverwalterin Birgitt Breiter zu Gesprächsbeginn das Signal für den Fortbestand des Katharinenheims auf Grün gestellt hatte. Noch seien nicht alle Zahlen ausgewertet, aber sie sei sicher, dass es weitergehe. Wie die Zahlen genau aussehen, wie die finanzielle Lage in den Griff zu bekommen ist und an welchen Stellschrauben gedreht werden muss, das erfährt der Vorstand des Katharinenheim e.V., Träger der Einrichtungen, am 31. Januar.
Knackpunkt Fachkraftquote
Knackpunkt in allen Alten- und Pflegeheimen: die Fachkraftquote. 50 Prozent der Pflegenden müssen die dreijährige Ausbildung durchlaufen haben, nur dann dürfen alle Heimplätze belegt werden. Eine Quote, die kaum zu erfüllen ist. Weil es das Personal nicht gibt. Oder weil es zu Zeitarbeitsfirmen abwandert, dort bessere Arbeitszeiten und mehr Geld bekommt. Die Quote muss – wie in Mecklenburg-Vorpommern – weg, das betonten auch die Pflegedienstleiterinnen und die Geschäftsleiterin. Sie führe zu einer Versorgungskatastrophe, sind sich Anita Read und Nadja Stiels einig.
Flexibilisierung bei der Fachkraftquote?
So ganz mochte sich Bernhard Seidenath, der Vorsitzende des Landtagsausschusses für Gesundheit, Pflege und Prävention, nicht davon trennen. Die Fachkraftquote sei auch ein Qualitätsmerkmal, sagte er bei der Pressekonferenz im Anschluss an die Diskussion. Er könne sich aber eine gewisse Flexibilisierung vorstellen, so Seidenath. Dass zum Beispiel eine Fachkraft mit einer akademischen Ausbildung statistisch mehr zähle, mehr Pflegehelfer aufwiege. Seidenath räumte ein, dass mehr gegen den Pflegefachkräftemangel getan werden müsse. „Und wir müssen Pflegekräfte aus dem Ausland holen. Ein beschleunigtes Verfahren für deren Anerkennung haben wir schon geschaffen.“ Bisher konnte sich die Anerkennung bis zu zwei Jahren hinziehen.
„Wir brauchen jeden Pflegeplatz und jedes Pflegeheim in Bayern. Die Demografie ist entsprechend“, sagte Seidenath. Landrat Otto Lederer wurde konkreter: In den nächsten zehn Jahren steigt die Zahl der über 60-Jährigen um ein Drittel, die der über 80-Jährigen um zwei Drittel und die Zahl der Hochbetagten verdoppelt sich. Allein im Landkreis Rosenheim werden laut Lederer in zehn Jahren 500 Plätze mehr gebraucht, als jetzt vorhanden. Der Landrat ließ anklingen, dass er die Fachkraftquote nicht für den Stein der Weisen hält. Er habe bei Begegnungen mit Pflegenden – gleichgültig mit welcher Ausbildung – festgestellt, dass sie alle mit Herzblut dabei sind. „Pflege ist für die meisten mehr als ein Job, sie ist eine Berufung.“
Dokumentieren
statt pflegen
Die Pflegefachkraft als Qualitätsmerkmal für die Pflege? Darüber schütteln die Praktikerinnen eher den Kopf. „Die Pflegefachkraft in der Schichtleitung kommt kaum zur Pflege“, sagt Nicole Wowk. Mindestens 70, eher 80 Prozent ihrer Zeit gingen für die Dokumentation drauf. „Für uns besteht die Qualität nicht in der umfassenden Dokumentation, für uns liegt die Qualität in zufriedenen Bewohnern und glücklichen Angehörigen“, formuliert es Nadja Stiels. Mehr Eigenverantwortung, mehr Zutrauen, weniger Prüfung und Bürokratie. Fachkräfte für den Bewohner und nicht für die Behörden beschäftigen, das wünschten sich die Pflegenden. Das konnte Seidenath zwar durchaus nachvollziehen. Aber das Problem sei, dass die Dokumentation der Pflege gerichtsfest sein müsse, für den Fall, dass Angehörige klagen. Ein ihm wichtiges Projekt heuer sei, in jedem Regierungsbezirk ein Heim zu finden, in dem sich die Angehörigen verpflichten, nur im Notfall zu klagen, aber nicht wegen jeder Kleinigkeit. Dort solle dann auch die Dokumentation weniger werden. Ein weiteres Problem aus Sicht der Praktikerinnen: Niederschwellige Angebote für Senioren wie daheim betreut wohnen oder auch Tagespflege werden nicht refinanziert. „Wir haben Dienstleistungen gekürzt und schlechten Gewissens Senioren zurückgelassen“, heißt es aus den Reihen der Pflegedienstleiterinnen. All diese Senioren seien Kandidaten für eine sehr viel teurere stationäre Versorgung, weil die ambulante nicht greife. Warum könne nicht, ähnlich wie bei Kindertagesstätten, die Daseinsvorsorge Pflichtaufgabe der Gemeinden werden? Da waren sich der Landrat und der Bürgermeister sehr einig: Die Kommunen seien ohnehin schon mehr als ausgelastet, so Lederer, sie werden in den nächsten Jahren finanziell immer häufiger an ihre finanziellen Grenzen kommen.
Da seien die Gemeinden sicher nicht auf diese Zusatzaufgabe erpicht. Was Alois Loferer sofort bestätigte. Wenn dieser Weg je begangen werden solle, dann müsste die Finanzierung geregelt sein – so wie bei der Kinderbetreuung.
Hören, wo
der Schuh drückt
Die Diskussion mag für die Politiker nicht immer angenehm gewesen sein, aber es sei gut gewesen, von den Praktikerinnen zu hören, wo der Schuh drückt, wo es am meisten zwickt, befand Lederer. Es seien viele Themen angesprochen worden, um die man sich kümmern müsse, konstatierte Daniel Artmann. Es müssten Strukturen angepasst werden – und das nehme Zeit in Anspruch, dessen seien sich alle bewusst, fasste Loferer zusammen. Zeit, die den Alten- und Pflegeheimen und ihren Betreibern langsam ausgeht.
Uwe Hering, Vorsitzender des Katharinenheim e.V., hatte das letzte Wort: „Lasst uns die Betten belegen, dann brauchen wir keine Hilfe.“