Kolbermoor/Ostermünchen – Freigänger-Katzen führen ein glückliches Leben. Sie dürfen sich frei bewegen, können tun, wonach ihnen der Sinn steht. Bei ihren Familien kehren sie ein, wann immer sie wollen. Und natürlich haben sie auch ein erfülltes Liebesleben.
Doch damit könnte es bald vorbei sein. Zumindest, wenn es nach den Tierschutzvereinen Rosenheim und Ostermünchen geht. Sie setzen sich für den Erlass einer Katzenschutzverordnung ein, die neben einer Registrierungs- und Kennzeichnungspflicht von frei laufenden Katzen, auch eine Kastrationspflicht beinhalten würde. Jetzt haben sie beim Landratsamt Rosenheim einen entsprechenden Antrag gestellt.
Das ganze Ausmaß
des Leidens
Die Gründe für den Ruf nach einer Katzenschutzverordnung für Schwerpunktzonen im Landkreis liegen auf der Hand: In den Tierheimen in Kolbermoor und Ostermünchen werden pro Jahr nicht nur Hunderte Fundkatzen abgegeben. Die Teams werden oft auch zu Brennpunkten gerufen, an denen sich verwilderte Hauskatzen so vermehrt haben, dass sie zur Plage geworden sind.
„Solche Streuner sind leider oft in einem bedauernswerten gesundheitlichen Zustand, weil sie kein ausreichendes Futter und keinerlei gesundheitliche Versorgung haben“, berichtet Tilman Rieger, der Vorsitzende der Interessengemeinschaft Mensch und Tier Ostermünchen. „Abgemähte Gliedmaßen oder aufgrund des Katzenschnupfens aufgeplatzte, ausgelaufene Augen. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie diese Tiere leiden.“ Und nicht jede Katze kann mit tierärztlicher Hilfe und hohem finanziellem Aufwand der Tierschutzvereine gerettet werden.
Um das Leid der Tiere zu lindern, engagieren sich Tierschützer schon seit Jahren für die Kastration von Streunern. „Obwohl wir in Ostermünchen und Rosenheim pro Jahr etwa 600 frei lebende Katzen kastrieren, nimmt die Menge an Fundtieren nicht ab“, macht Rieger den buchstäblichen Kampf gegen Windmühlen klar.
Zahl der Streuner
ist groß
Vor allem in ländlichen Gemeinden sei die Zahl der Streuner groß. „Auf Bauernhöfen oder verlassenen Hofstellen finden sie beste Bedingungen, um sich unkontrolliert zu vermehren“, so Rieger. Jüngste Beispiele verdeutlichen das Problem: „Im vergangenen Jahr haben wir auf zwei benachbarten Bauernhöfen 37 Katzen kastriert, auf einer verlassenen Hofstelle weitere 26.“
Der Tierschutzverein Rosenheim hat im vergangenen Jahr mehr als 42000 Euro für die Kastration und medizinische Versorgung von Katzen ausgegeben, die in freier Wildbahn leben. „Tiere, die man gar nicht mehr domestizieren könnte“, beschreibt Vereinsvorsitzende Andrea Thomas. Hinzu kommen die Fundtiere, die im Tierheim aufgenommen wurden. „Viele von ihnen stammen vermutlich auch von Streunern ab. Genaue statistische Angaben sind dazu zwar schwer zu machen, aber wir haben beispielsweise gerade 80 Kätzchen bei uns, bei denen wir auch davon ausgehen“, sagt Thomas.
Die Tierschutzvereine bieten auch von einer Streunerplage betroffenen Höfen ihre Hilfe an – unter anderem mit Kastrationsaktionen. „Dann kommen wir mit unserem Equipment und fangen die Tiere schonend mit Lebendfallen ein“, erläutert Rieger. Die Kosten tragen zu mindestens 80 Prozent die Tierschutzvereine. Doch das geht nur so lange, wie es ihre Finanzen erlauben. „Irgendwann geht uns dafür möglicherweise auch mal das Geld aus. Was soll dann werden“, macht Andrea Thomas klar, wie wichtig es ist, ein Problem sichtbar zu machen, das für viele Menschen im Verborgenen bleibt. „Man kann sich nicht vorstellen, in welch jämmerlichem Zustand die Katzen sind, die wir bei den Kastrationsaktionen sehen. Es ist hart, dieses Leid zu erleben, deshalb müssen wir die Menschen dafür sensibilisieren, dass sich etwas ändert.“
Eine Katzenschutzverordnung könnte Abhilfe schaffen: Das Tierschutzgesetz räumt in Paragraf 13 den Landesregierungen die Möglichkeit ein, in definierten Gebieten „erforderliche Maßnahmen“ zu treffen, um die Anzahl frei lebender Katzen zu vermindern.
Vorrangiges Ziel ist es dabei, diese Katzen zu schützen und ihre „Schmerzen, Leiden oder Schäden“ zu verringern.
Zudem kann der „unkontrollierte freie Auslauf fortpflanzungsfähiger Katzen in dem jeweiligen Gebiet verboten oder beschränkt werden“. Der Freistaat Bayern hat diese Ermächtigung per „Delegationsverordnung“ an die Kreisverwaltungsbehörden weitergereicht.
Katzenschutzverordnungen gibt es bereits in Aschaffenburg, Dachau, Pfaffenhofen an der Ilm und im Landkreis Berchtesgadener Land. So müssen beispielsweise in der Stadt Laufen frei lebende Katzen seit einem Jahr mit Mikrochip oder Tätowierung gekennzeichnet, in einem Haustierregister gemeldet und kastriert sein. Bei Zuwiderhandlung kann die Gemeinde die Kastration auf Kosten des Katzenhalters durch einen Tierarzt durchführen lassen.
Ist das Tierschutz oder
bereits Gängelei?
Während die Kastration von Katzen für die einen zum Tierschutz gehört, könnte sie für andere ein Eingriff in ihre Privatsphäre bedeuten. Denn als Freigänger zählt im per Katzenschutzverordnung definierten Gebiet dann jede Katze, die die Wohnung oder einen umfriedeten Garten verlassen kann. Das würde also beispielsweise bedeuten, dass dort dann jede Katze, die auf einem Bauernhof frei lebt, zwar zur Familie gehört, mit Futter versorgt und regelmäßig vom Tierarzt untersucht wird, sterilisiert werden müsste. Denkt nun auch der Landkreis Rosenheim über eine solche Regelung nach?
Nein, so die Antwort aus dem Landratsamt, denn das Ziel möglicher Maßnahmen sei es nicht, Hauskatzen oder Streuner, sondern verwilderte Populationen einzudämmen. Und diese seien bislang nicht festgestellt worden. Probleme habe es bisher nur vereinzelt gegeben, erläutert Pressesprecherin Sibylle Gaßner-Nickl. Bei Bedarf würden Verordnungen deshalb punktuell und nicht im gesamten Landkreis umgesetzt. Doch auch dann hätten Katzenbesitzer immer noch die Möglichkeit, einen Antrag zu stellen, um einzelne Tiere von der Verordnung auszuschließen.
Fakten
zusammenstellen
Trotzdem ist das Thema noch nicht vom Tisch. Nach dem Ausbruch der Katzenseuche in drei ihrer Ortsteile setzt sich auch die Gemeinde Halfing für eine Katzenschutzverordnung ein, um die unkontrollierte Vermehrung der Tiere zu verhindern.
Die Tierschutzvereine Rosenheim und Ostermünchen dokumentieren weiter ihre Arbeit, sammeln Zahlen und Fakten, um Streuner-Schwerpunktgebiete im Landkreis aufzuzeigen. Das Landratsamt bestätigt, dass derzeit Material zusammengetragen wird.
„Es ist ein sehr sensibles Thema“, ist sich Andrea Thomas bewusst. Schließlich gehe es nicht darum, Menschen zu bevormunden, die ihre Katzen artgerecht halten, gut versorgen und auch kastrieren, um eine unkontrollierte Vermehrung zu vermeiden. „Aber es gibt eben immer wieder auch sehr tragische Beispiele, die wir in Zukunft in Zusammenarbeit mit den Bürgern und den Gemeinden vermeiden müssen.“