Kinder werden zu Theatermachern

von Redaktion

Mit seinem Puppentheater hat sich der Raublinger Joachim Gößler einen Traum erfüllt. Seit vielen Jahren tourt er damit durch den Landkreis. Wie er von einem Beruf in der Industrie zum Theatermann wurde, und was die Kinder durch sein Puppentheater lernen können.

Raubling – Wenn sich Joachim Gößler vor das Publikum stellt, wird es ganz ruhig auf den Zuschauerbänken. Mit seinem Puppentheater „Theakrino“ ist er in der Grundschule in Griesstätt zu Gast. Gespannt blicken die Grundschüler auf den Theatermann. So nennt er sich der Einfachheit halber. Frau Holle wird er gleich aufführen. „Kennt ihr denn alle Frau Holle?“, fragt er in die Runde, was die Kinder mit einem lauten „Ja!“ beantworten. Mit einem Schlag auf den großen Gong startet auch schon die Vorstellung. Das Licht geht aus, und der Vorhang öffnet sich.

Alle Figuren sind
selbst geschnitzt

Die erste Szene beginnt. „Die Fleißige“ sitzt am Brunnen und spinnt Wolle. Den Brunnen hat der Theatermann aus Pappe gebastelt, und den Hintergrund projiziert er mithilfe eines Beamers an die Rückwand. Alle Figuren hat Gößler in Kleinstarbeit selbst geschnitzt.

Die Szene ist mit einem zackigen Musikstück hinterlegt, das er „der Fleißigen“ eigens auf den Leib komponiert hat. Auch die anderen Figuren haben ihre eigene Melodie. „Die Faule“ hat einen langsamen Walzer bekommen und die Stiefmutter ein besonders herrisches Stück. Insgesamt sind in die Aufführung von Frau Holle knapp zwei Jahre Vorbereitungszeit geflossen, sagt Gößler.

Hilfe bekam er bei der Vorbereitung von seiner Regisseurin Anke Heininger. Sie ist selbst eine erfahrene Erzieherin und Inklusionsfachkraft, erklärt Gößler. Sie hat ein besonderes Augenmerk darauf gelegt, dass sich die jungen Zuschauer sehr gut auf das Geschehen konzentrieren und fokussieren können. Die Figuren bewegen sich deshalb besonders ruhig und klar über die Bühne.

Eigentlich ist sein „Theakrino“-Puppentheater ein interaktives Theater, in dem Kinder mit seiner Hilfe eigene Geschichten aufführen können. „Das war aber aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie nicht möglich“, sagt Gößler. Deshalb hat er die Aufführung von Frau Holle in sein Programm mit aufgenommen.

Mit seinem interaktiven Puppentheater hat Gößler schon lange vor der Pandemie angefangen – als seine Söhne eingeschult wurden. „Ich hatte den Eindruck, dass Kinder außerhalb des Klassenzimmers auf eine spielerische Weise vieles besser lernen können“, sagt er. Gößler besuchte deshalb Kurse in Komposition und Tontechnik. „Dort entstand auch die Idee eines mitwachsenden Puppentheaters.“ Welches er seit mittlerweile über zehn Jahren betreibt.

Ursprünglich war der Theatermann in einem ganz anderen Berufsfeld tätig. Nach dem Abitur am Ignaz-Günther-Gymnasium in Rosenheim gelangte Gößler über ein Elektrotechnik-Studium zu einem Beruf in der Industrie. Dort arbeitete er 14 Jahre lang. „Ich dachte, ich muss etwas Vernünftiges machen“, schmunzelt er. Diese Zeit liegt jetzt hinter ihm. Aktuell zieht er entweder mit seiner Vorstellung von Frau Holle oder seinem interaktiven Theater durch die Grundschulen und Kitas in der Region.

Der Fantasie
freien Lauf lassen

In seinem Interaktiven Puppentheater erfindet Gößler in sechs Treffen zusammen mit den Kindern ein eigenes Theaterstück mit eigenen Figuren und eigener Handlung. Die Kinder dürfen ihrer Fantasie freien Lauf lassen, und Gößler fasst die Ideen dann in einem Drehbuch zusammen.

Danach geht es an die Umsetzung. Ein Teil der Kinder spricht die Stimmen für die Charaktere ein. Der andere Teil bastelt an den Figuren und an der Kulisse. Am Ende steht ein fertiges Theaterstück mit etwa acht Charakteren, die von acht Kindern gespielt werden, erklärt Gößler. Jedes Kind bekommt einen Knopf im Ohr. Darüber gibt er die Regieanweisungen. Vor der Bühne warten Eltern, Lehrer und Kinder gespannt auf die Aufführung. „Die reine Spielzeit für das Stück liegt zwischen 40 und 50 Minuten, jeder ist dabei vollkommen fokussiert“, sagt er: „Der spielerische Aspekt sorgt dafür, dass die Kinder sich wunderbar in das Geschehen hineinversetzen können.“

Am Ende sind zwischen 35 und 40 Kinder am Projekt beteiligt, wie Gößler sagt. Die Vorteile, welche die Kinder aus dem Projekt in seiner „kreativen Lernwerkstatt“ ziehen können, sieht er vor allem in den Bereichen Teamarbeit und Medienkompetenz. Dreieinhalb Monate Arbeit steckt Gößler in jede einzelne Aufführung der Kinder.

Artikel 7 von 11