Schwarzfahrerin mit Ticket in der Tasche

von Redaktion

Irmgard Jäger und ihr Ärger mit der Bahn – Kontrolleur zeigt wenig Fingerspitzengefühl

Bad Endorf – „Als Rentnerin, und mit dem Gedanken an Umwelt- und Klimaschutz, ist mein bevorzugtes Fortbewegungsmittel die Bahn“, sagt Irmgard Jäger. Daran hat auch der MVV-Beitritt des Landkreises nichts geändert. Obwohl ihre BahnCard 50 jetzt nur noch im Fernverkehr gilt. Und obwohl die Preise angezogen haben und sie für die Fahrt zur Tochter am Ammersee und am nächsten Tag zurück das Anderthalbfache bezahlt.

Bahngleis vor
dem Küchenfenster

Irmgard Jäger wohnt einen guten Steinwurf entfernt vom Bad Endorfer Bahnhof. Die Gleise verlaufen nur ein paar Meter vor dem Küchenfenster. Stört sie nicht, das ist sie gewöhnt. Irmgard Jäger ist Eisenbahnerkind. Aber jetzt, jetzt ist sie sauer. Denn trotz Ticket in der Hand bezichtigte sie ein Zugbegleiter des Schwarzfahrens. Und das kam so: Irmgard Jäger wollte von Prien nach Bad Endorf zurückfahren. „Eine Station, die Fahrkarte für die Rückfahrt hatte ich bereits in Bad Endorf gekauft, musste sie noch entwerten. Da fuhr der Zug, ausnahmsweise mal überpünktlich, ein. Ich bin stark gehbehindert, musste auf den gegenüberliegenden Bahnsteig, also noch die Stufen hinunter und dann die Stufen wieder hinauf.“ Ihr war klar, dass sie die Fahrkarte nicht am Automaten am Bahnsteig entwerten könnte, ohne den Zug davonfahren zu sehen. „Ich dachte mir: ‚Da sagst du gleich dem Schaffner Bescheid.‘ Der stand schon an der Waggontür. Ich sprach ihn daraufhin an, er murmelte etwas Unverständliches.“

Irmgard Jäger stieg ein, der Zug fuhr ab. Sie saß kaum, da kam der Schaffner und fragte, was sie von ihm wollte. „Ich wiederholte meine Bitte, er möge die Fahrkarte entwerten, und erklärte meine Situation“, berichtet sie. Die Antwort: „Das geht nicht, das ist am Bahnhof zu erledigen. Das ist Vorschrift, sie fahren schwarz und erhalten eine Strafe von 60 Euro.“ Sie habe noch mehrfach versucht, dem Schaffner das Problem klarzumachen, habe ihn gebeten, die Fahrkarte zu entwerten. Vergeblich. Der Mann habe nur jedes Mal gesagt „ist Vorschrift“, erzählt sie immer noch empört.

Ihre Personalien wurden aufgenommen, Irmgard Jäger ein Strafbeleg über 60 Euro ausgehändigt. Die Fahrkarte entwerten – Fehlanzeige. „So geht man mit älteren, gehbehinderten Menschen um!“, ärgert sich die freundliche, selbstbewusste Frau.

Die Fahrkarte hätte der Kundenbetreuer gar nicht entwerten können. Denn, so eine Sprecherin der Bayerischen Regionalbahn (BRB), mit einem entsprechenden Gerät sei keiner ihrer Zugbegleiter beziehungsweise Kundenbetreuer ausgestattet. Und grundsätzlich müssten die BRB-Mitarbeiter natürlich die Beförderungsbedingungen und deren Einhaltung überwachen, die Nichteinhaltung ahnden. „Es ist ratsam, immer frühzeitig zum Bahnhof zu kommen, um solche Stressmomente zu vermeiden“, so die BRB-Sprecherin. Und: Auch wenn der Zug „überpünktlich“ eingefahren sei, fahre er erst zur im Fahrplan angegebenen Zeit weiter und nicht früher.

„Fingerspitzengefühl ist das eine, die Gleichbehandlung aller Fahrgäste laut der Beförderungsbedingungen das andere“, so die BRB-Sprecherin auf Nachfrage der OVB-Redaktion. „Natürlich gibt es einen sehr kleinen Spielraum, den der Kundenbetreuende nutzen kann, wenn es die Situation aus seiner Einschätzung heraus erlaubt.“ In Irmgard Jägers Fall blieb der Spielraum ungenutzt.

Bahn verzichtet
auf Strafe

Das Eisenbahnerkind beschwerte sich schriftlich. Und bekam innerhalb einer Woche einen Brief: Man nehme von dem „erhöhten Beförderungsentgelt“ – so heißt die Geldstrafe für Schwarzfahrer offiziell – Abstand. „Wir entschuldigen uns in aller Form.“ Irmgard Jäger könne dadurch aber „keine Berufungsmöglichkeit für andere, ähnliche Fälle ableiten.“ Hat sie auch nicht vor. Höhere Preise, unfreundliches und gestresstes Personal, Verdruss hin oder her – Irmgard Jäger fährt weiter Bahn. Wie schon ihr ganzes Leben lang.

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