Rott – Das geplante Industrie-Chemikalien-Verbot „PFAS“ beunruhigt weiterhin die Unternehmen in der Region. Allen voran: Detlef Reichl, Gesellschafter und Geschäftsführer von FluorTex in Rott. Wenn die Beschränkung, so wie sie zurzeit vorliege, genehmigt werde, müsse er seinen Betrieb dichtmachen, sagte Reichelt im Interview mit der Redaktion im August 2023.
Das Problem: Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) will sogenannte per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) verbieten und hat deswegen bei der Europäischen Kommission einen Beschränkungsvorschlag eingereicht.
Dichtungen aus
Teflon-Kunststoff
Doch mit genau diesen Substanzen, beziehungsweise mit Polymeren, die ebenfalls unter die perfluorierten Alkylsubstanzen fallen, arbeitet die Firma FluorTex in Rott – ausschließlich. Das Unternehmen produziert beispielsweise Dichtungen aus Polytetrafluorethylen (PTFE), also aus Teflon-Kunststoff, Membranen aus PTFE, unter anderem zum Schutz gegen Feuchtigkeit für Batterien in Elektro-Fahrzeugen oder für persönliche Schutzausrüstung sowie Biomaterial für Medizintechnik.
Seit der Vorschlag zur Beschränkung von der BAuA vorgelegt wurde, arbeitet Reichelt unermüdlich gegen das Verbot an. „Die Produkte, mit denen FluorTex arbeitet, sind nicht giftig. Sie gelangen nicht in die Umwelt. Unsere Nebenprodukte, die bei der Herstellung entstehen, werden zu 100 Prozent recycelt. Wir haben keine Abfälle. Und ja: Die Dichtungen sind persistent, also langlebig, aber das müssen sie ja auch sein“, verdeutlichte er im Gespräch mit der Redaktion im August 2023.
Mittlerweile wehren sich etliche Unternehmen und Politiker gegen dieses Vorhaben. Dazu hat die CDU/CSU zu einem Pressetermin geladen, um den aktuellen Sachstand darzulegen. Peter Liese (MdEP) verkündete, dass es in dieser Legislaturperiode keine Verschärfung der REACH-Verordnung (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) geben werde. Unter diese fällt auch das PFAS-Verbot. Für die betroffenen Unternehmen vermutlich ein schwacher Trost, denn die Wahlen finden im Juni 2024 statt.
Fünf Mitgliedsstaaten der EU – Deutschland, Niederlande, Dänemark, Norwegen und Schweden – wollen ein umfassendes Verbot der PFAS. „Das macht in einzelnen Fällen auch Sinn, beispielsweise bei Ski-Wachs“, meinte Liese bei der Pressekonferenz. „Darin sind diese Substanzen enthalten und gelangen durch die Nutzung der Skier in die Umwelt. Aber diese Stoffe werden unter anderem auch für mRNA-Impfstoffe benötigt“, erklärte er. Außerdem sei ohne diese Chemikalien keine Wasserstofferzeugung möglich, beanstandete Liese.
„Eben deshalb sind diese Alkylsubstanzen wichtig für Innovationen, wie beispielsweise die Herstellung von Fahrzeugen, die mit Wasserstoff betrieben werden könnten“, schloss sich Christian Doleschal (MdEP) seinem Vorredner an. Außerdem plädierte er dafür, dass der Einsatz der sogenannten „Ewigkeits-Chemikalien“ in geschlossenen Systemen uneingeschränkt möglich sein müsse. „Im Verbraucherbereich ist der Verzicht von PFAS möglich, beispielsweise bei Teflonpfannen oder bei beschichteter Kleidung“, meinte der Parlamentsabgeordnete. „Aber in der Industrie sind PFAS nicht substituierbar. Alles, was im Operationssaal benötigt wird: Dichtungsringe, Schläuche“, zählte er auf. „Das kann ohne diese Chemikalien nicht hergestellt werden“, verdeutlichte er.
Dem schloss sich Dr. Angelika Niebler (MdEP) an. „Es ist eine riesige Beschränkung“, beanstandete sie. „Das Verbot würde Deutschland in wirtschaftlicher Hinsicht global schwächen. Die Unternehmen wandern ab und lassen sich außerhalb der EU nieder“, prophezeite sie. Sie forderte kein pauschales Verbot von PFAS, einen differenzierten Ansatz bei der Betrachtungsweise und Planbarkeit für die Unternehmen. „Es gibt weltweit Ansätze, wie die Fluor-Polymere ersetzt werden könnten, aber bislang gibt es dafür keine Alternative“, sagte sie.
Geschäftsführer Detlef Reichl aus Rott, der ebenfalls bei der Pressekonferenz zugegen war, erklärte, dass er wegen des PFAS-Verbots „bereits jetzt schon“ keine Investitionen in Neu- und Weiterentwicklungen tätige.
Auf Anfrage erklärte Reichl, dass für die Bundesanstalt „der Schutz der ganzen Welt“ im Vordergrund stehe. Allerdings würden die sozialen und ökonomischen Belange „nicht betrachtet“ werden, bemängelte er. Diese Aspekte seien zwar im Vorfeld schon untersucht worden, aber es wäre eine „sehr oberflächliche Betrachtung“ gewesen, so der Rotter Geschäftsführer.
Reichl fühlt sich, als würde er einen „Kampf gegen Windmühlen“ ausfechten. Die Behörde würde „keine Einsicht“ zeigen. Außerdem sehe er einen „starken Interessenskonflikt“, da in den Kommissionen, die das PFAS-Verbot prüfen würden, unter anderem auch Mitarbeiter der BAuA sitzen würden, so der Geschäftsführer. Bisher seien 5600 Dossiers von verschiedenen Unternehmen bei der Bundesanstalt eingereicht worden, die von der Beschränkung betroffen wären, so Reichl. „Aktuell werden diese Kommentare von der BAuA ausgewertet. Es werden aber nur Dossiers in Betracht gezogen, in denen wissenschaftliche Belege enthalten sind“, erklärt er.
Die Prüfung werde „etappenweise“ in den kommenden Jahren stattfinden. Es sei davon auszugehen, dass dies bis 2026/27 andauern werde, meint der Geschäftsführer.
Differenzierung
der Stoffe
Zeit, um bis dahin durchzuschnaufen, hat Reichl trotzdem nicht – im Gegenteil. „Es ist ja nur eine Verzögerung. Wir haben keine Perspektive und schon jetzt tätige ich keine Investitionen mehr, weil ich nicht weiß, ob ich nach Inkrafttreten des Verbots weiterarbeiten kann“, erklärt er die prekäre Lage.
Der „best case“, der aus dem PFAS-Verbot resultieren könne, sei „eine Differenzierung der aktiv-gefährlichen Stoffe und der ungefährlichen Materialien“, verdeutlicht er. „Damit wäre den meisten Unternehmen geholfen“, sagt er. Er beanstandet aber auch: „Es sind immer noch zu wenige, die sich gegen das Chemikalien-Verbot wehren. Viele wissen über die Thematik einfach zu wenig Bescheid“, bedauert Reichl.