Griesstätt/Wasserburg – Seit mehreren Wochen gehen die Landwirte auf die Straße. Sie protestieren gegen die Politik der Ampel-Regierung und der Europäischen Union (EU). Nun räumt diese den Bauern Zugeständnisse ein: Die Regelung, vier Prozent Ackerfläche brach liegen zu lassen, wenn der landwirtschaftliche Betrieb mehr als zehn Hektar Ackerfläche besitzt, ist um ein weiteres Jahr ausgesetzt. Mit der Brachflächen-Regelung will die EU für mehr Biodiversität sorgen.
Den EU-Mitgliedsstaaten ist es nun selbst überlassen, ob sie von der Ausnahme Gebrauch machen. Die Ampel-Koalition hat sich bisher noch nicht entschieden. Sollte sie sich dafür entschließen, müssten Landwirte im Gegenzug vier Prozent ihrer Ackerfelder mit stickstoffbindenden Gewächsen wie Linsen, Erbsen oder Zwischenfrüchten bepflanzen.
Den Bauern
fehlt Ackerland
Für Andreas Kriechbaumer ist beides – Acker brach liegen lassen oder mit vorgegebenen Früchten bepflanzen – keine Option. „Die Regelung gehört nicht nur ausgesetzt, sondern generell weg“, so der Landwirt und Ortsobmann des Bayerischen Bauernverbands aus Griesstätt.
Die Verpflichtung, wie die eigenen Flächen zu bewirtschaften seien, „fühlt sich wie eine Bevormundung an“, sagt Kriechbaumer. Der Acker würde den Bauern fehlen. „Er ist kostbar, rar und teuer“, verdeutlicht er. „Manche pachten Felder und müssen dann auch für ungenutzte Abschnitte zahlen“, schimpft der 47-Jährige.
Kriechbaumer schlägt vor, dass die Art der Bewirtschaftung der eigenen Ackerfläche auf freiwilliger Basis bleiben soll. „Wir säen schon Blühstreifen aus und bauen Zwischenfrüchte auf den Feldern an. Damit fördern wir die Biodiversität“, betont auch Manfred Maier, ebenfalls Landwirt aus Griesstätt. Kriechbaumer wiederum könne sich vorstellen, am Waldrand ein Stück Wiese mehr stehenzulassen. „Das wäre auch gut für die Tiere dort“, ist er überzeugt.
Neben der Ausnahme zur Brachflächen-Regelung ist die EU einen weiteren Schritt auf die Landwirte zugegangen. Sie entschied sich gegen den Gesetzesvorschlag zur Einschränkung der Pestizid-Nutzung. Dieser beinhaltete, dass die Nutzung der Chemikalien bis 2030 im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2017 um die Hälfte gesenkt werden soll.
Die Nutzung von Pestiziden betrifft sowohl Manfred Maier als auch Andreas Kriechbaumer aber weniger. „Landwirte mit viel Ackerland, beispielsweise zum Anbau von Weizen und Gemüse, wären davon mehr betroffen“, so Kriechbaumer. „In der Milchwirtschaft wird viel Grünland benötigt und dafür brauchen wir kaum Pflanzenschutzmittel“, erklärt er. Der Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft sei in den vergangenen Jahren sowieso schon enorm zurückgegangen, betont der 47-Jährige. „Ich will gesundes Futter für meine Tiere haben, deswegen nutze ich Pflanzenschutzmittel so wenig wie möglich“, sagt der Ortsobmann. Die Bauern in der Region hätten sowieso schon sehr viele Auflagen, was den Einsatz von Pflanzenschutz betreffe, ergänzt Maier.
Unabhängig von den EU-Regelungen gebe es in Deutschland und Bayern „gute Naturschutzgesetze“, sagt Max Finster, Vorsitzender des Bund Naturschutz Wasserburg. Darin sei geregelt, dass die ökologisch wertvollen Landschaftselemente, wie Feldgehölze, Feuchtflächen, Tümpel und Magerstandorte, erhalten bleiben müssten, sagt der Wasserburger.
Auch der Erhalt von fünf Meter breiten Gewässerrandstreifen, das Verbot des Verfüllens von Bodensenken und die Einschränkung von der Nutzung von Pestiziden in bestimmten Schutzgebieten sei gesetzlich geregelt, führt er an. „Für den Schutz der Pflanzen- und Tierwelt gibt es stringente Artenschutzregelungen“, erklärt Finster.
Das Vorhaben der EU, vier Prozent Ackerfläche nicht brachliegen zu lassen, kritisiert der Vorsitzende jedoch. „Das ist ein weiterer Rückschlag für den Artenschutz und die Biodiversität“, so Finster. Dieses Areal sei samen- und insektenreich. Dort würden Bodenbrüter, wie zum Beispiel der Kiebitz oder die Feldlerche, Nahrung und Schutz finden.
Eindeutiges Ergebnis
der Forschung
„Viele Kleintiere, wie Frösche, müssen zur Paarungszeit wandern und können intensiv genutzte Agrarflächen kaum überwinden“, erklärt er. Entlang der Brachflächen könnten Amphibien geschützt umherziehen, sagt der Wasserburger.
Außerdem würden laut Finster wissenschaftliche Studien zu einem eindeutigen Ergebnis kommen: Es brauche mehr Flächen, die naturbelassen bleiben würden.
Ansonsten wäre es nicht möglich, die Lebensraumbedingungen der Tiere zu verbessern und das Artensterben schreite voran, prophezeit der Vorsitzende. Darüber hinaus müssten die Umweltleistungen der Landwirtschaft stärker in den Fokus gerückt und angemessen entlohnt werden. „Ob die derzeitige Förderpraxis ausreicht, ist fragwürdig“, sagt Finster.