Riedering – „60 Bäume haben wir jetzt eingepflanzt“, bilanziert Daniel Richter, einer der beiden Kreisfachberater des Landratsamtes Rosenheim, beim Ortstermin in Kohlstatt bei Riedering. 95 sollen es insgesamt werden, 95 vergessene Apfel- und Birnensorten, ergänzt sein Kollege Roman Pröll.
Die Sorten wurden im Rahmen des Biodiversitätsprojektes „Apfel – Birne – Berge. Alte Obstsorten im oberbayerischen Alpenvorland“ gesucht, genetisch untersucht und nachgezogen. Sie sollen nun im Sorten-Erhaltungsgarten auf der landkreiseigenen Fläche wachsen und gedeihen können.
272 vergessene
Sorten entdeckt
Insgesamt hat man dabei entlang des Alpenlands von Weilheim bis Berchtesgaden 272 vergessene Apfel- und Birnensorten entdeckt, darunter zum Beispiel Most- oder Tafeläpfel, aber auch Dörr- und Schnapsbirnen, wie Pomologe Georg Loferer berichtet. Darunter waren fingernagelgroße Früchte, andere waren bis zu einem Kilogramm schwer, kugelförmig oder rotfleischig. Teilweise hatten die Stämme einen Durchmesser von einem Meter, schwärmt er weiter.
Loferer hat sich schon bei der Sortenkartierung eingebracht. Jetzt kümmert er sich zusammen mit Projektmanagerin Eva Bichler-Öttl um das Diversitätsprojekt. „So viele Sorten, die zum Teil bereits Hunderte von Jahren alt sind, drohen, in Vergessenheit zu geraten“, sagt er. Dabei seien diese Sorten an unsere Klimabedingungen bestens angepasst. Eigentlich soll das Projekt nur bis Ende diesen Jahres gehen. Pröll, Richter, Loferer und die anderen Projektbeteiligten hoffen aber auf eine Projektverlängerung. Denn erst nach dem Anpflanzen könne man sorgfältig dokumentieren und weiteres Wissen sammeln. Sei es, was Blühzeitpunkt, Wachstum oder möglichen Schädlingsbefall betrifft, seien es Säure- und Zuckergehalt oder der Geschmack der Früchte. Wachsen die Obstbäume langsam oder schnell? Welche Obstbäume eignen sich für Ausgleichsflächen? Machen eher die Früchte oder das Holz den Wert des Obstbaumes aus? All dieses Wissen sei für die Nachfolgegenerationen wichtig.
Was vor dem Anpflanzen wie überdimensionale Maulwurfshügel anmutete, waren die Aushubstellen für die Obstbäume. „Eigentlich wären die Hügel eine Steilvorlage für das Starkbierfest gewesen“, lacht Riederings Bürgermeister Christoph Vodermaier, der sich die Baumpflanzaktion nicht entgehen lassen wollte. Die Erdhügel rund um jeden Obstbaum seien dem Untergrund geschuldet, der Boden habe nichts anderes hergegeben, erläutert Martin Landes, Streuobstberater im Landratsamt Rosenheim. Dabei sei die sogenannte Höhenpflanzung früher weit verbreitet gewesen. Eine Schrift des Königreich Bayerns habe gar empfohlen, Obstbäume auf morastigen, schlechten Böden anzupflanzen.
Führungen sind
in der Planung
Vodermaier begrüßt es, dass die große landwirtschaftlich genutzte Wiese nördlich des Zeltplatzes in Kohlstatt als Sorten-Erhaltungsgarten dient. Gleich nebenan in Höhenmoos, Gemeinde Rohrdorf, wurde schon 2022 ein erster Sorten-Erhaltungsgarten mit 55 Hochstämmen und 130 Spindelbäumen angelegt. Um den Vorbeikommenden das Ganze schmackhaft zu machen, werden dort bereits Führungen angeboten. Das soll es auch in Kohlstatt geben, auch gerne in interkommunaler Zusammenarbeit, überlegt Bürgermeister Vodermaier laut.
Pröll betont, dass das Projekt bayernweit Aufmerksamkeit bekommt. „Wir haben Sorten entdeckt, die hier aus der Region stammen und die uns völlig unbekannt sind. Wir kennen die Eigenschaften nicht und wissen auch heute noch nicht, wie wichtig diese für uns werden können. Wir stehen hier in einer lebenden Genbank, die wir schützen müssen.“