„Es brennt lichterloh“

von Redaktion

Kita-Kündigungen Bürgermeister und Landrat stellen sich Fragen von Betroffenen

Aschau – Im Kindergarten St. Michael in Sachrang schaut es aus wie immer: Die Kinder spielen draußen im Sandkasten oder nutzen die vielen Spielgeräte im Schulgarten. Nichts deutet darauf hin, dass es in allernächster Zeit vorbei sein könnte mit dieser Idylle: Zum 1. Mai – also in gerade einmal sechs Wochen – droht die Schließung der Einrichtung, wenn nicht noch ein Wunder geschieht und sich eine ausgebildete Erzieherin als Leiterin in St. Michael in Sachrang einfindet.

Den Fragen der Betroffenen gestellt

Zusammen mit seinen beiden Stellvertretern Michael Andrelang und Monika Schmid besuchte Bürgermeister Simon Frank die Kinder, die Erzieherinnen und die Mitglieder der Elternbeiräte in allen drei Kindertagesstätten im Gemeindegebiet und stellte sich den Fragen der Betroffenen. Auch Landrat Otto Lederer und Sabine Stelzmann vom Landratsamt waren gekommen, um sich persönlich ein Bild vom eingruppigen Landkindergarten im Alten Schulhaus zu machen.

„Es brennt lichterloh“, stellte Bürgermeister Frank fest, „hier in Sachrang ebenso wie in den anderen beiden Einrichtungen in der Gemeinde Aschau. Für das gesamte gesellschaftliche Leben im Bergsteigerdorf wäre eine Schließung eine katastrophale Entwicklung“.

Nachdem es den Sachrangern unter großen Anstrengungen gelungen ist, den Erhalt des Landkindergartens sicherzustellen, müsste er nun aus Personalmangel geschlossen werden.

Susanne Singhartinger und Irmi Stangl vom Elternbeirat haben kein Verständnis für diese Maßnahme. „Es gäbe unter Einbeziehung hier ansässiger Männer und Frauen, Mütter, Väter und Großeltern als Hilfskräfte in den Betrieb so viele Möglichkeiten, den Kindergarten zumindest als Provisorium weiter betreiben zu können. Es kann doch nicht an einigen trockenen Paragrafen scheitern.“ Landrat Lederer konnte immer nur auf die bestehenden Rechtsverhältnisse hinweisen, ohne die weder ein Betrieb noch eine Förderung möglich wären. „Der Markt für Erzieherinnen ist derzeit total leergefegt, durch die Verkürzung und Dezentralisierung der Ausbildung kommen aber jetzt nach der Durststrecke jedes Jahr mehr ausgebildete Frauen und auch Männer ins Berufsleben.“ Weder beim Landratsamt noch sonst irgendwo bei den Trägerorganisationen gebe es aber einen Personalfundus, aus dem einzelne Einrichtungen versorgt werden könnten.

Susanne Singhartinger und Irmi Stangl wiesen eindringlich auf die Folgen einer Schließung für den Ort und die gesamte Dorfgemeinschaft hin. Die Konsequenzen für Familien, die auf einen Betreuungsplatz angewiesen sind, wären weitreichend, ein Zuzug oder der Verbleib von jungen Familien im oberen Priental und weitab von der nächsten Kita auf Dauer fast ausgeschlossen.

Schwierige Arbeitsbedingungen

Zusammen mit den Kindern kamen die drei Bürgermeister am „Prientaler Kita-Aktionstag“ bereits in aller Herrgottsfrühe zunächst ins gemeindliche „Spatzennest“ und gingen dann weiter in die benachbarte Kita St. Marien. Die beiden Leiterinnen, Claudia Scheck vom Spatzennest und Silke Schäffer von St.Marien, stellten ihre jeweilige Einrichtung vor und wiesen darauf hin, unter welchen Bedingungen ein weiterer ungeschmälerter Fortbestand bestehen würde. Im Kindergarten St. Marien in Aschau – Träger ist der Kita-Verbund Chiemsee – ist die Kinderkrippengruppe bereits seit Herbst 2023 wegen fehlenden Personals geschlossen. Eine Wiedereröffnung dieser Gruppe im Herbst 2024 wäre nur mit einer zusätzlichen Fachkraft und einer Ergänzungskraft möglich.

Düster stellt sich die Personallage auch in der gemeindlichen Kindertagesstätte Spatzennest dar: Seit Herbst 2023 ist die Berufspraktikantenstelle und eine Ergänzungskraft unbesetzt. Zwei weitere Fachkraftstellen fallen durch Schwangerschaft und Elternzeit für einen längeren Zeitraum aus. Ab Herbst 2024 ist mindestens eine SEJ-Praktikantenstelle zu besetzen.

Scheck wies darauf hin, dass auch im Spatzennest ab Herbst 2024 eine Kindergartengruppe schließen muss, wenn diese Stellen nicht besetzt werden können. Insgesamt müssten in der Gemeinde Aschau insgesamt 50 bis 80 Kita-Plätze in den bestehenden Einrichtungen gekündigt werden. „Der allseits vorherrschende Personalnotstand trifft nun auch die Kinder-Betreuungseinrichtungen im Priental mit voller Wucht und gibt aktuell Anlass zu großer Sorge!“

Die beiden Leiterinnen erklärten dem Bürgermeister, dass die Ausbildung der angehenden Erzieherinnen und Erzieher in dieser Art nicht mehr fortzuführen sei: Eine vierjährige Ausbildungszeit, bei der nur in zwei Jahren ein Gehalt gezahlt werde, sei für viele Interessenten nicht mehr akzeptabel. Die Kosten für die beiden Studienjahre an der Fachakademie gingen voll zu Lasten der Eltern oder müssten aus den Ersparnissen einer 18-Jährigen bezahlt werden. Die Zahlung von Bafög als finanzielle Ausbildungsunterstützung und Hilfe des Staates sei illusorisch.

Jeder Berufsanfänger, sei es im Handwerk oder im Verkauf, erhalte während seiner Ausbildungszeit fortwährend Bezüge und könne dieses Geld einplanen. Die angehenden Erzieherinnen seien dagegen wieder auf Hotel Mama und das Taschengeld vom Papa angewiesen. Übereinstimmend stellten beide fest, dass die Bezüge nach dem erfolgreichen Abschluss einer fünfjährigen Ausbildungszeit in keiner Weise dem vorher betriebenen Aufwand entsprechen. „Das vergleichbare Studium eines Lehramtsanwärters wird nach dem Abschluss mit einer angemessenen, bedeutend höheren Besoldung und einer Verbeamtung honoriert, Summen, von denen man in der Kita nur träumen könne“.

Eltern sind
sehr besorgt

Die Elternbeiräte aller drei Einrichtungen zeigten sich sehr besorgt über den weiteren Bestand der Kitas in Aschau, zu einer Lösung des Problems konnten sie naturgemäß nichts beitragen.

Unbeeindruckt vom Besuch der Bürgermeister waren lediglich die Kinder in allen Räumen: Sie luden sie zum Mitspielen beim Memory ein oder boten ihnen allerlei Köstlichkeiten aus der Brotzeitdose an.

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