Kiefersfelden/Rosenheim – Im April 2017 kontrollierten Beamte der Bundespolizei am Grenzübergang Kiefersfelden einen Reisebus aus Italien. Dabei fand sich ein Koffer, aus dem ein deutlicher Cannabisgeruch drang. Zwei Päckchen Cannabis mit 1,8 Kilogramm Gesamtgewicht fanden sich darin nebst Kleidungsstücken. Doch keinem der Passagiere wollte der Koffer gehören.
Während der Befragung durch die Bundesbeamten gab einer der Passagiere an, nach Augsburg zu wollen, um dort zu arbeiten. Der Nigerianer verfügte über einen italienischen Pass, mit dem er hätte touristisch einreisen dürfen. Die Aussage, in Deutschland arbeiten zu wollen, machte ihn allerdings zu einem illegal Einreisenden. Nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung wurde er mit einem Strafbefehl über 200 Euro nach Italien zurückgeschickt.
Dort wurde er allerdings straffällig. Laut Auskunft italienischer Behörden stach er im Januar 2020 jemanden mit dem Messer nieder, weshalb man ihn dort wegen eines Tötungsversuches zu über vier Jahren Gefängnis verurteilte. Nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe wurde er im Dezember 2023 nach Deutschland ausgeliefert. Denn hier hatten die Behörden per DNA-Analyse festgestellt, dass der Koffer mit dem Cannabis zweifelsfrei ihm zuzuordnen war. Daraufhin wurde das Verfahren wieder aufgenommen und ein internationaler Haftbefehl erlassen.
So stand er nun sieben Jahre nach der versuchten Drogeneinfuhr vor einem deutschen Gericht. Weil der Angeklagte selber keine Drogen benutzte, kam zu der versuchten unerlaubten Einfuhr noch der Vorwurf des versuchten Drogenhandels in nicht geringen Menge dazu.
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft stellte zwar fest, dass die Tat wirklich bereits lange zurückläge, nachdem aber bei unerlaubter Einfuhr eine Mindeststrafe von zwei Jahren gelte, beantragte sie, den 30-Jährigen zu einer Strafe von zwei Jahren und zehn Monaten zu verurteilen.
Der Verteidiger, Rechtsanwalt Alexander Kohut, stellte fest, dass diese Tat weder gewerbsmäßig, noch bandenmäßig zu bewerten sei. Darüber liege sie lange zurück. Deshalb handle es sich hier um einen „minderschweren Fall“. Es sei eine Bestrafung von zwölf Monaten angemessen, die das Gericht auch zur Bewährung aussetzen könne.
Das Schöffengericht befand zwar, dass es sich hier wegen der großen Drogenmenge mitnichten um einen minderschweren Fall handeln könne. Jedoch sei wegen des früheren Tatzeitpunktes die italienische Verurteilung zu berücksichtigen und in der Strafzumessung einzubeziehen.
Deshalb kam das Gericht zu einer Reststrafe von 18 Monaten, die mit Blick auf die Untersuchungshaft zur Bewährung ausgesetzt wurde. „Wenn der Angeklagte sich die erlittene Haft nicht zur Warnung dienen lassen sollte“, so die Richterin in ihrer Urteilsbegründung, „dann würde ihn die restliche Haft wohl auch nicht zur Umkehr bringen.“au