„Ruhiger Austausch“ oder „Schockstarre”?

von Redaktion

Runde drei der großen Tour durch den Landkreis Rosenheim. Nach dem Auftakt in Nußdorf und Flintsbach, ist die Deutsche Bahn mit den Oberaudorfern in den Dialog getreten. Dabei nahmen Gemeinde und Bahn-Vertreter die Bürger-Sprechstunden zum Brenner-Nordzulauf sehr unterschiedlich wahr.

Oberaudorf – Als einen „ruhigen und konstruktiven Austausch“ bezeichnete Manuel Gotthalmseder, Projektabschnittsleiter der Deutschen Bahn, die Sprechstunde mit den Oberaudorfern zum Thema Brenner-Nordzulauf. Zusammen mit fünf seiner Kollegen und drei externen Planern stand er im Kultursaal, ging die langen Infotafeln entlang oder deutete auf einen der vier Bildschirme. Anhand von animierten Bildern, Aufstellern und Bauzeichnungen wurde den Interessierten vor Augen geführt, was in den kommenden Jahrzehnten auf sie zukommt. 

Rund 200 Teilnehmer
an dem Abend

Und interessiert sind einige, wie sich im Verlauf der vier Stunden zeigte. „Wir waren uns nicht sicher, wie viele tatsächlich kommen“, sagte eine Sprecherin der DB im Vorfeld. Am Ende waren es gut 200 Anwohner, die sich in Nußdorf und Oberaudorf einen Eindruck vom Brenner-Nordzulauf verschaffen wollten. 

Was die meisten besonders beschäftigte: „Vor allem die Einschränkungen während der Bauphase“, sagte Gotthalmseder. Die fertige Strecke sei dagegen gar kein so großes Thema. Das erscheint insoweit verständlich, als dass der Starttermin für die Bauarbeiten ab dem Jahr 2032 im Raum steht. Die Fertigstellung ist dagegen laut DB noch gut 20 Jahre entfernt. 

Und so streiften die Oberaudorfer mit Stift und Papier durch den Kultursaal, um ihr Grundstück auf der vergrößerten Karte entlang der geplanten Bahnstrecke zu finden. So auch Rudolf Erhard, der im Ortsteil Mühlbach zwischen Kiefersfelden und Oberaudorf wohnt. Denn auch wenn bei seinem Grundstück „nur“ ein Tunnel vorbeiführen soll, will er sich einen Überblick verschaffen, was vor seiner Haustür passiert. „Das ist schon Wahnsinn, wenn man das einmal zusammenrechnet“, sagt er mit Blick auf die benötigten Bauflächen. Um die geplante Verknüpfungsstelle rund um Niederaudorf aufzubauen, werden von der Bahn aktuell gut 40 Hektar Fläche eingeplant. Vereinzelt machten Betroffene ihrem Ärger während der Veranstaltung Luft. „Das wird doch sowieso genau so kommen, egal was wir machen“, oder „Der Mensch ist nichts mehr wert“, war vereinzelt aus den Dialogen mit den Planern der DB herauszuhören. 

Den laut Gotthalmseder „konstruktiven Austausch“ ordnete Oberaudorfs Bürgermeister Dr. Matthias Bernhardt dementsprechend anders ein. „Ich habe eher das Gefühl, das ist eine Schockstarre“, sagt der Rathauschef. Er hält die Präsentation der Projektplaner für eine harmlose Darstellung. „Auf der Karte ist nur die fertige Bahnstrecke leicht schraffiert eingezeichnet. Da sieht das alles nicht so schlimm aus“, meint er. Die benötigten Flächen und Verkehrswege für den Bau seien dagegen auf den Darstellungen kaum zu sehen. 

„Dass diese Flächen nicht deutlich herausgehoben werden, ist ein Hohn“, wird Katharina Kern deutlicher. Die Oberaudorfer Gemeinderätin und Kreisbäuerin ist seit Beginn der Diskussion im Dialog-Forum der Bahn aktiv und ist daher sicher, dass die Einschnitte gerade für die landwirtschaftlichen Flächen deutlich massiver werden als dargestellt. 

In den kommenden Wochen wird die Bahn ihre Sprechstunden-Tour durch die Region fortsetzen. Nächster Halt ist am 15. April ab 16 Uhr in Großkarolinenfeld. Im Jahr 2025 wird im Bundestag über das Großprojekt der Deutschen Bahn entschieden.

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