23000 Euro Strafe fürs Regenwasser

von Redaktion

Eggstätt muss Bußgeld bezahlen – Niederschläge ohne Genehmigung abgeleitet

Eggstätt – Es ist eine ganze Kette von Mahnungen, die in den vergangenen zwei Jahren dazu führte, dass 42 von 46 Gemeinden des Landkreises Rosenheim nun „Strafzettel“ ins Haus flatterten. Eggstätt muss beispielsweise 23000 Euro bezahlen. Die werden fällig, weil das Regenwasser in der Gemeinde nicht komplett versickert, und die Niederschläge über die Kanalisation in öffentliche Gewässer fließen. Das ist zwar grundsätzlich erlaubt, allerdings nur mit einer wasserrechtlichen Genehmigung. Die fehlt in Eggstätt – und das schon seit Jahren.

„1960 wurde das Wasserhaushaltsgesetz eingeführt. Seitdem braucht man eine wasserrechtliche Erlaubnis, wenn das Niederschlagswasser von öffentlichen Flächen in Gewässer eingeleitet wird“, erklärt Simone Beigel von der Pressestelle des Landratsamtes. „1978 wurde ein Abwasserabgabegesetz erlassen, 1982 erstmals eine Abwasserabgabe erhoben.“

Abgaben werden seit
41 Jahren erhoben

1982 musste auch die Gemeinde Eggstätt zum ersten Mal eine „Niederschlagswasserabgabeerklärung“ abgeben, informiert Simone Beigel vom Landratsamt. „Da die Gemeinde zum damaligen Zeitpunkt noch keine Regenwasserkanäle betrieb, bestand Abgabefreiheit. Gleiches galt auch noch im Jahr 1993.“

Doch warum bekommt die Gemeinde 31 Jahre später Mahnungen und muss 23000 Euro zahlen? „Das Problem der Niederschlagsabgabe beschäftigt gerade sehr viele Kommunen“, sagt der Großkarolinenfelder Bürgermeister Bernd Fessler. Als Vorsitzender des Kreisverbandes im bayerischen Gemeindetag ist er Sprecher der Bürgermeister des Landkreises Rosenheim.

„Vor allem die Orte, die auf Seeton gebaut wurden, wo sozusagen gar nichts versickert, stehen vor großen Problemen.“ Sie müssen das Niederschlagswasser von öffentlichen Gebäuden und Flächen über die Regenwasserkanalisation in Vorfluter einleiten. Dafür sind wasserrechtliche Genehmigungen erforderlich. Das wisse jeder. „Doch diese Genehmigungen haben oft auch eine Laufzeit von 15 bis 20 Jahren. Die legt sich keine Verwaltung auf Wiedervorlage.“

Und so könne es passieren, dass abgelaufene Fristen übersehen würden. Da sei Eggstätt kein Einzelfall. Hinzu komme, dass das Landratsamt die Niederschlagsabgabe seit Jahren nicht kontrolliert habe.

Versäumnisse beim
Landratsamt

„Im Jahr 2021 wurde nach einem Personalwechsel festgestellt, dass es bezüglich der Niederschlagswasserabgabe in der Vergangenheit größere Versäumnisse gab“, räumt die Pressestelle des Landratsamtes ein. Im Dezember 2021 ermahnte die Regierung von Oberbayern das Landratsamt, diese Versäumnisse umgehend aufzuarbeiten. „Das wird jetzt getan. Die Behörde kommt ihren gesetzlichen Verpflichtungen wieder nach“, heißt es auf OVB-Anfrage. 2023 wurde die Problematik den Bürgermeistern in einer Dienstbesprechung von Wasserwirtschaftsamt und Landratsamt erläutert. Kurz darauf kamen die ersten Abrechnungen in den Gemeinden an.

„Für das Jahr 2016 wurde die Niederschlagswasserabgabe Ende letzten Jahres festgesetzt“, informiert das Landratsamt. Dabei ergab sich eine Abgabepflicht für 42 der 46 Gemeinden des Landkreises Rosenheim in Höhe von insgesamt etwa 274000 Euro. „Die Abgabebescheide für die Folgejahre sind teilweise noch in Bearbeitung“, bilanziert die Pressestelle. Wie hoch die Beträge für den Zeitraum von 2017 bis 2023 sind, stehe daher noch nicht abschließend fest. Fakt sei aber, dass in einem Großteil der Gemeinden die wasserrechtliche Erlaubnis fehle. Sie müssen – ebenso wie die Gemeinde Eggstätt – die Abgabe nachzahlen.

Eggstätt hat seinen Bescheid schon bekommen: „Das Landratsamt stellte fest, dass in der Gemeinde Niederschlagswassereinleitungen bestehen, für die keine wasserrechtlichen Genehmigungen vorliegen“, schildert Simone Beigel den konkreten Fall. „Für jede Einleitungsstelle muss so lange eine Abgabe gezahlt werden, bis eine neue wasserrechtliche Erlaubnis beantragt und erteilt wurde.“ Für fünf Jahre – 2017 bis 2021 – muss Eggstätt nun insgesamt circa 23000 Euro zahlen.

Enormer Aufwand
für Verwaltung

Hätte die Gemeinde nicht längst neue Genehmigungen beantragen können? Das sei gar nicht zu schaffen gewesen, informierten Bürgermeister Christoph Kraus und sein Stellvertreter Hans Plank auf der jüngsten Bürgerversammlung. Und das hat nichts mit dem turbulenten Jahr 2023 in Eggstätt zu tun. „Es ist ein Riesenverwaltungsaufwand, denn die wasserrechtlichen Vorgaben haben sich geändert“, macht Bürgermeister-Sprecher Bernd Fessler klar.

In der Praxis bedeute das, dass das Mischwasserkanalsystem auf Trennsysteme umgestellt, Kanäle nachgerüstet, Sedimentierschächte gebaut, neuer unterirdischer Stauraum oder oberflächliche Retentionsflächen als Puffer geschaffen werden müssten. Für neue bauliche Anlagen brauche es Grundstücke, zudem seien Verhandlungen mit den Eigentümern erforderlich. „Das betrifft sehr viele Gemeinden“, sagt Fessler und gibt eine grobe Schätzung für Großkarolinenfeld ab: „Allein die Ingenieurkosten würden bei uns bei etwa 100000 Euro liegen.“

Was sind Niederschlagswassergebühren?

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