Mit Kleinkind und Rad über die Alpen

von Redaktion

Outdoor-Athletinnen und Klimaaktivistinnen Ana Zirner aus Oberaudorf und Annie Voigt aus Berlin starten zu einer besonderen Alpenüberquerung. Mit ihren Fahrrädern und Kleinkindern wollen sie von Oberaudorf bis zum Gardasee. Eine Tour mit besonderen Herausforderungen.

Oberaudorf – Am Dienstag, 7. Mai, soll es losgehen. Dann, wenn Annie Voigt und ihre 16 Monate alte Tochter Nea gemeinsam mit Bike, Anhänger und Gepäck mit dem Zug aus Berlin bei Ana Zirner in Oberaudorf angekommen sind und sie Ada, die zweijährige Tochter von Ana Zirner, ebenfalls in den Anhänger gepackt haben. Gemeinsam wollen sie in zehn Tagen mit ihren E-Bikes und Anhängern die über 500 Kilometer von Oberaudorf über Innsbruck, den Reschenpass, Meran, Bozen und Trient nach Arco am Gardasee zurücklegen, wo sie sich mit Freunden zum Klettern treffen werden.

Liebe zur Natur
weitergeben

Eine Alpenüberquerung, bei der sie vor allem gemeinsam Spaß haben und ihren Töchtern viel mitgeben wollen. „Unsere Liebe zur Natur mit ihren vielen Wundern da draußen, aber auch die Verpflichtung, mit dieser sehr pfleglich umzugehen. Dazu unsere Freude an der Bewegung, Nähe und Freundschaft“, sagt Ana Zirner.

Nicht mehr allein, sondern jetzt mit ihren Kindern unterwegs zu sein, ist für die beiden Frauen etwas Besonderes. Ana Zirner, Tochter von Schauspieler August Zirner und Katalin Zsigmondy, ist mit drei Geschwistern in Aschau im Chiemgau aufgewachsen. Theater, Film und Fernsehen prägten ihr Elternhaus. Und auch sie selbst. Dennoch führen ihre Wege sie immer wieder in und über die Berge. Sie studierte zunächst Islam- und Politikwissenschaften in Berlin, später Film- und Theaterregie.

Zirner lebte in New York und Madrid, jetzt ist sie in Oberaudorf zu Hause. „Seit 2017 sind die Berge, die für mich immer ein wertvoller Rückzugsort waren, auch beruflich in den Lebensmittelpunkt gerückt. Seitdem bin ich freiberufliche Autorin, Bergsportlerin und Bergwanderführerin. Ich halte zahlreiche Vorträge zu meinen Reisen, dem nachhaltigen Leben unterwegs und engagiere mich für Klimaschutz“, berichtet Zirner.  Ana Zirner hat 2017 die Alpen zu Fuß von Ost nach West, danach die Pyrenäen überquert und 2019 zu Fuß und mit dem Packraft den Colorado River von seinem Ursprung in den Rocky Mountains bis ans Meer in Mexiko begleitet. 2021 durchquerte sie den Großen Kaukasus in Georgien von Ost nach West. Nachdem sie kurz vor ihrem Aufbruch festgestellt hatte, dass sie schwanger war. Seither ist für die Solo-Abenteurerin aus dem „Ich“ ein „Wir“ geworden.

Ebenso wie bei Annie Voigt, derzeit Doktorandin an der Charité in Berlin. „Meine Solo-Expeditionen begannen mit einer Kajaktour, gefolgt von einer 3000-Kilometer-Radtour zum Nordkapp (Norwegen) im Jahr 2019. Ein Jahr später lief ich einen 1000-Kilometer-Ultramarathon vom niedrigsten zum höchsten Punkt in Deutschland. Und 2022 paddelte ich mit Packraft und einem darauf geschnürtem Fahrrad 1090 Kilometer auf der Elbe von der Quelle bis zum Meer – während ich im fünften Monat schwanger war“, erzählt sie. Die beiden Athletinnen hatten schon Kontakt über ihr Klimaschutz-Engagement bei der Non-Profit-Organisation POW (Protect our Winters), bevor sie sich in einer Boulderhalle in Berlin persönlich kennengelernt haben. „Wir haben gleich gemerkt, wir ticken ähnlich und sehen uns seither regelmäßig“, erzählt Annie.

Bei einer gemeinsamen, mehrtägigen Hüttentour im letzten Sommer mit den Mädels in der Kraxe entstand die Idee für die Bikepacking-Tour. Denn auch, wenn das Leben als Mutter ein anderes und mit vielen Zugeständnissen und physischen Strapazen verbunden ist, Abenteuer erleben und reisen wollen sie trotzdem. Und nehmen ihre Kinder einfach mit.

„Arco ist einfach für mich ein Traumziel, wo ich immer wieder hin will. Wir werden pro Tag nur 50 Kilometer fahren. Da bleibt Zeit, dass man auch mal ein Eis essen, auf den Spielplatz gehen oder irgendwo abwarten kann, wenn es zu sehr regnet. Wir haben auch Unterkünfte gebucht, was eigentlich überhaupt nicht unsere Art ist“, sagt Ana Zirner. Normalerweise schlafen die beiden im Zelt oder nur im Biwaksack draußen. Aber mit kleinen Kindern unterwegs zu sein, sei halt doch was anderes. Da muss man Kompromisse machen und wir wollen unsere Kids nicht überstrapazieren“, sagt Zirner.

Begeistert von
Regenwürmern

Welche die schwerste Etappe sein wird, wissen sie noch nicht. „Rein von den Höhenmetern wird es der fünfte Tag auf den Reschenpass. Aber hey, wir haben E-Bikes. Das fühlt sich für mich zwar komisch an, weil ich noch nie mit einem EBike unterwegs war“, meint Zirner. Es soll aber diesmal eine „entspannte“ Tour werden. „Draußen sein, jeden Tag woanders ankommen, das denke ich reicht erst mal für unsere Töchter, die von Regenwürmern und Käfern schon begeistert sind“, sagen die beiden.

Was, wenn die Kinder im Anhänger quengeln? „Ada ist Gott sei Dank ein sehr unkompliziertes Kind. Wenn ihr langweilig ist, schläft sie meist ein. Aber natürlich quengelt sie auch mal. Wir haben kleine Bücher, Spiele und Seifenblasen dabei“, sagt Zirner. „Und bei Nea funktioniert Musik immer gut“, meint Voigt. Die beiden Freundinnen schauen ganz entspannt auf die kommenden zehn Bikepacking-Tage mit ihren kleinen Töchtern. „Ich denke, wir kriegen das gut hin.“

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