Rott – Der politische Abend beim Rotter Bierfest hat Tradition. In diesem Jahr war die Bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber zu Besuch. Sie mag vielleicht nicht die Zugkraft ihres Vorgängers für die Festrede, Ministerpräsident Markus Söder, haben. Dennoch gewann sie die Herzen der Bierzeltbesucher. Drei Viertel des Zeltes waren gefüllt, freute sich der Gastgeber, CSU-Ortsvorsitzender Alexander von Hagmann.
Kaniber hält Rede zwischen Biertischen
Die Festrednerin bekam vor ihrem Auftritt von Festwirt Daniel Unfried eine frische Mass in die Hand. Kaniber wollte schon zu sprechen anfangen, aber nach einem Blick in das nicht ganz volle Bierzelt entschied sie sich spontan, sich unter die Menschen zu mischen. Sie nahm ihr Mikro und stellte sich in die dritte Reihe zwischen die Biertische. Bevor sie mit ihren politischen Aussagen begann, lobte sie die vielen Servicekräfte und unermüdlichen Helfer. Auch bei den Einsatzkräften der Polizei bedankte sie sich. Sie möge Polizisten – schließlich habe sie auch einen geheiratet, sagte sie schmunzelnd. Ihre Bereitschaft zur Flexibilität bewies sie auch, als Thomas mit Down-Syndrom auch was sagen wollte. Kaniber übergab ihm das Mikro. Der Jugendliche hatte keine Frage an die Ministerin, sondern einen Musikwunsch: Schlager. Das klappte nicht, denn die Rotter Blasmusik spielte am politischen Abend auf. Doch Thomas strahlte trotzdem vor Freude darüber, dass er im Beisein der Ministerin was sagen durfte.
Die Ministerin betonte angesichts der langen Tradition des Rotter Bierfestes die Bedeutung des Brauchtums. Ohne ehrenamtliches Engagement seien Traditionen dieser Art nicht aufrechtzuerhalten. In Bayern seien 41 Prozent der Bürgerinnen und Bürger aktiv, um die Tradition zu erhalten, etwa in den Trachtenvereinen.
Doch Kaniber bot auch die erwartete politische Rede. Die Bundesregierung kam dabei nicht gut weg. Die Ampel baue Deutschland zugunsten einer grünen Ideologie ab. Das beschlossene Wirtschaftswachstumsgesetz helfe allen, nur nicht Deutschland. Der Ampel warf sie vor, zu deindustrialisieren. Die Zugkraft Bayerns sei schon immer die Leistungsbereitschaft gewesen. Diese müsse sich aber auch lohnen. Überstunden sollten deshalb steuerfrei sein.
Weitere Kritikpunkte waren die Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie, das Bürgergeld und die galoppierende Bürokratie. Sie kam auch auf die AfD zu sprechen und warnte diesbezüglich vor braunem Gedankengut. Als Tochter kroatischer Eltern sprach sie sich für die Aufnahme von Schutzbedürftigen aus, aber plädierte für ein klares Nein zum Griff in die Sozialkassen.
Ein besonderer Dank ging an „ihre“ bayerischen Bauern. Sie seien die Ersten gewesen, die in Berlin demonstriert hätten. Erstmal würden die Landwirte wieder eine Wertschätzung erfahren, so Kaniber. Sie erinnerte daran, dass ein Landwirt 143 Menschen ernähren müsse.
Europawahl wirft Schatten voraus
Natürlich warf die Europawahl im Juni ihre Schatten voraus. Kaniber sprach sich für ein starkes Europa aus, „es ist und bleibt das größte Friedensprojekt“. Am Ende ihrer 45-minütigen Rede zogen die CSU-Spitzen doch noch auf die Bühne und sangen die Bayern-, die deutsche National- und die Europahymne. Viele im Bierzelt standen auf und sangen mit. Kaniber verließ danach nicht sofort das Zelt und brauste mit ihrer Limousine davon. Sie mischte sich unter die Gäste – zum Leidwesen ihres Leibwächters.