Bad Endorf – Dass in Bad Endorf weitere 36 geflüchtete Menschen untergebracht werden sollen und dafür doppelstöckige Container aufgestellt werden, ist beschlossene Sache. Der Gemeinderat wurde dazu nicht befragt. Er wurde informiert. Der Freistaat hat das Privatgelände am Chiemseeweg für sechs Jahre gepachtet. In der jüngsten Gemeinderatssitzung ging es nun um das weitere Prozedere, das Roxanne Scheurl vom Landratsamt erläuterte. Das öffentliche Interesse war groß: Mehr als 60 Bad Endorfer Bürger waren gekommen – darunter auch Anwohner des Chiemseewegs.
Planung
unmöglich gemacht
„Zwei Wochen vorher werden wir informiert, dass ein Bus mit Flüchtlingen in den Landkreis kommt. 48 Stunden vor Ankunft des Busses bekommen wir eine Namensliste und wissen, wer kommt“, machte die Abteilungsleiterin für Soziales die Verteilungspraktiken deutlich. Der Freistaat weise die Menschen zu, der Landkreis müsse sie unterbringen. Ohne die Unterstützung der Kommunen gehe das nicht. In den Erstaufnahmeeinrichtungen – nach wie vor sind Turnhallen im Landkreis belegt – verweilen die Asylsuchenden nach ihren Informationen in der Regel etwa drei Monate. Dann würden Folgeunterkünfte für die Dauer des Asylverfahrens gesucht. „Der Immobilienmarkt ist leergefegt. Wir haben aber den Bedarf und deshalb keine andere Wahl, als Containerunterkünfte zu errichten.“
Doppelstöckige
Container
Am Chiemseeweg soll eine doppelstöckige Containerwohnanlage entstehen. Scheurl erläuterte die Ausstattung der Unterkunft: Die Zimmer für zwei bis vier Personen sind spartanisch eingerichtet. Pro Etage werden mehrere Sanitäranlagen und Küchen installiert. Sobald die Baugenehmigung erteilt sei, könnten die Vorbereitungen beginnen. „Im dritten Quartal sind die Container abrufbar. Ich gehe davon aus, dass die Belegung im vierten Quartal erfolgen kann“, so Scheurl.
Das Grundstück am Chiemseeweg ist größer als die zwei Parzellen, auf denen die Containerunterkunft errichtet werden soll. Eduard Huber (Grüne) fragte deshalb genau nach: „Hat der Freistaat weitere Parzellen angemietet? Soll das Containerdorf bis zum Wald erweitert werden?“ Aktuell sei das nicht geplant, beteuerte Roxanne Scheurl. Bürgermeister Alois Loferer (CSU) bestätigte, dass die Gemeinde nur über die Pacht von zwei Parzellen informiert worden sei.
Bauleitplanung
ist am Laufen
Derzeit läuft die Bauleitplanung: Die Baugenehmigung erteilt das Landratsamt. Die Gemeinde kann nur ihr Einvernehmen erteilen oder verwehren. Der Containerstandort befindet sich im baurechtlichen Außenbereich. „Dafür hätte ein Normalsterblicher niemals eine Baugenehmigung erhalten, aber das Asylrecht hebt das Baurecht völlig aus“, kritisierte Curt Wiebel (ABE). Schon im November 2014 wurde das Baugesetzbuch (BauGB) angesichts der starken Zunahme von Flüchtlingszahlen mit dem „Flüchtlingsunterbringungsmaßnahmengesetz“ geändert. Damit wurde auch die Errichtung mobiler Unterkünfte im Außenbereich möglich. „Nach Paragraf 246 Absatz 13 des Baugesetzbuches wird die Baugenehmigung auf drei Jahre befristet und kann maximal um drei Jahre verlängert werden, also bis Dezember 2030“, erläuterte Bürgermeister Loferer die Rechtslage.
Thema der Diskussion war auch der Umgang mit Steuergeldern. Josef Forstner (CSU) fragte an, ob es nicht nachhaltiger sei, Immobilien des Landkreises für die Unterbringung von Flüchtlingen zu nutzen. Seine Idee:
Wenn der Landkreis beispielsweise die ehemalige Schlosswirtschaft in Hemhof sanieren und dort Flüchtlinge unterbringen würde, könnte sich die Investition durch die Mieteinnahmen für die Flüchtlingsunterbringung refinanzieren und am Ende hätte der Landkreis wieder eine intakte Immobilie. „So aber gibt der Staat über Jahre Geld für Pacht und Container-Miete aus und am Ende werden die Container wieder abmontiert, bleibt nichts.“
Die einstige Schlosswirtschaft, so hatte sich Roxanne Scheurl im Bauamt des Landratsamtes vorab informiert, habe der Landkreis vor etwa sechs Jahren erworben. Sie sei so baufällig gewesen, dass eine Renovierung nicht möglich war. Ansonsten habe der Landkreis keine Immobilien für Flüchtlinge. Zudem erwerbe die Regierung von Oberbayern für die Unterbringung von Flüchtlingen keine Immobilien, sondern miete diese lediglich an. „Wir sind als Landratsamt nur die ausführende Behörde und bereiten die Mietverträge vor. Die Entscheidungen trifft die Regierung.“
Martin Lauber (ÜWG/FW) wollte wissen, welche Kosten pro Platz für Errichtung und Unterhalt einer solchen Containeranlage entstehen. Darüber habe das Landratsamt laut Scheurl keine Kenntnis. Diese Frage könne nur die Regierung Oberbayerns beantworten. Lauber hakte noch einmal nach und betonte, dass die Bevölkerung darüber informiert werden müsse, wie öffentliche Gelder eingesetzt werden.
Wer kommt nach Bad Endorf? Diese Frage beschäftigte Gemeinderäte und Publikum sehr. Immerhin hatte Roxanne Scheurl vorab erläutert, dass Asylsuchende und ukrainische Kriegsflüchtlinge zuerst drei Monate in der Erstaufnahmeeinrichtung leben und dann gezielt verteilt würden. Damit hatte sie offenbar die unausgesprochene Hoffnung beflügelt, dass die Bad Endorfer Mieter „ausgewählt“ werden könnten. Trotzdem machte sie klar: „Es wird bei der Belegung der Containerunterkunft auch darum gehen, wer schon wie lange in der Erstaufnahmeeinrichtung lebt.“
Gerhard Schloots (Fraktionslos) informierte darüber, dass er das Landratsamt angeschrieben und um die Zuweisung ukrainischer Kriegsflüchtlinge gebeten habe. „Mit ihnen haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Für sie haben wir ein gutes Netzwerk.“
Herkunft
ist noch unklar
Das könne und werde sie nicht versprechen, betonte Scheurl. Schließlich wisse der Landkreis vorab nie, aus welchen Ländern die Geflüchteten kommen, die dem Landkreis Rosenheim zugewiesen werden. Wer nach Bad Endorf komme, wisse das Landratsamt schätzungsweise drei Wochen vor der Belegung, so Scheurl. Erfahrungsgemäß sei „eine gute Mischung“ von Vorteil, sowohl was Herkunft und Familienstand betreffe. Trotzdem blieb Schloots hartnäckig: „Die Gemeinde hatte kein Mitspracherecht. Es wurde über unsere Köpfe hinweg entschieden. Also dürfen wir wenigstens Wünsche äußern.“
Die Sorgen
der Nachbarn
Damit auch die Bürger ihre Fragen stellen konnten, hatte der Gemeinderat ihnen einstimmig das Rederecht erteilt. Zwei unmittelbare Nachbarinnen der neuen Containerunterkunft am Chiemseeweg bemängelten, dass sie als Betroffene nicht informiert worden seien. Zugleich machten sie auf die unzureichende Infrastruktur am Chiemseeweg, vor allem die schmale Straße aufmerksam. „Eine enge Sackgasse. Bauarbeiten. 36 neue Bewohner. Was meint Ihr, wie es da zugeht?“
Sein Verständnis für die Sorgen der Bürger drückte Bürgermeister Alois Loferer aus, zugleich aber auch sein Mitgefühl für die Menschen, die vor Kriegen fliehen. Er war zuversichtlich, dass „wir das in Bad Endorf in den Griff bekommen“.
Beratung durch
freie Träger
Doch wer wird die Neuankömmlinge integrieren? „Hausverwalter des Landratsamtes kümmern sich um die Einrichtungen und sind regelmäßig vor Ort“, informierte Scheurl. Zudem müssten Geflüchtete 600 Stunden Deutsch- und 300 Stunden Integrationskurse absolvieren. Die Integrationsförderung habe das Landratsamt an freie Träger übergeben. „Die fahren in die Unterkünfte und bieten Beratungen an.“
Nach drei Monaten, informierte Scheurl auf Anfrage von Wolfgang Kirner (SPD), dürften Asylsuchende arbeiten, abhängig vom Herkunftsland in Ausnahmefällen auch erst nach neun Monaten. Es gebe zudem die Möglichkeit, dass sie für die Gemeinde soziale Aufgaben übernehmen. Kinder sollen Kitas und Schulen besuchen. Scheurl versicherte, dass Familien mit Kita-Kindern nicht dorthin umverteilt werden sollen, wo es eh schon keine freien Kita-Plätze gibt.