Rohrdorf – Jetzt sind sie irgendwie alle verärgert: Die CSU, weil sie meint, der Bürgermeister habe ihre Idee geklaut. Der Bürgerblock, weil die CSU sich auf den letzten Metern quer stellte. Die Eltern und Kinder, weil ihre Meinung offenbar wenig zählt.
Am Sportplatz an der Autobahn, auf halber Strecke zwischen Rohrdorf und Thansau, hätte er entstehen sollen, der Sportpark mit Basketballfeld, Tischtennisplatte, Boulder-Felsen, Pump- und Dirttrack neben dem sanierten Fußballfeld. Auch ein Grillplatz war geplant. Von Leader war eine Förderung von 335000 Euro zugesagt, Spenden waren angekündigt. Rund 600000 Euro Kosten hätte die Gemeinde tragen müssen. Und dann war mit einem Antrag zur Geschäftsordnung in einer Gemeinderatssitzung alles vorbei.
Großer Andrang
in der Sitzung
In einer Gemeinderatssitzung, in der der Sitzungssaal aus allen Nähten zu platzen drohte, Gemeinderäte, Verwaltungsleute und Besucher einen Stuhl nach dem anderen hereinschleppten, selbst große Kinder nur noch auf den Knien der Eltern Platz fanden.
Über 100 Besucher seien es wohl gewesen, schätzt Thilo Frank. Er war Mitglied des Arbeitskreises Bikepark, hat drei Kinder zwischen zwölf und sechs Jahren.
Was ihn, genau wie Dr. Christoph Habersetzer, zweifacher Vater und Besucher der Gemeinderatssitzung, verblüfft: Es gab eine Unterschriftenliste, es gab Videos, es war im Ort immer wieder Gesprächsthema. Und dann gab es Gemeinderatsmitglieder, die völlig überrascht waren, dass vielen Bürgern am Bikepark gelegen ist. Marion Ellmaier (FWG) hatte eingeräumt, dass sie in dieser Sitzung durch die vielen Gäste zum ersten Mal gesehen habe, wie stark offenbar das Bedürfnis nach einer „offenen“ Freizeitmöglichkeit sei.
„Ich bin zwei Jahre lang auf dem Weg zur Kita oder zur Schule immer wieder gefragt worden, wann denn der Sportpark nun endlich komme. Interesse und Nachfrage waren groß“, erzählt Frank. „Wir haben hier ja nicht viel, wo sich Kinder und Jugendliche treffen können, sich austoben, mal nicht am Smartphone hängen“, fügt Habersetzer hinzu.
Geboren worden war die Idee im Frühjahr 2021. Nach Ansicht der Rohrdorfer CSU war ihr Antrag im Gemeinderat im Mai der erste Schritt. Am Turner Hölzl sollte ein asphaltierter Pumptrack entstehen. „Das wäre innerhalb von drei Monaten umzusetzen gewesen und die Finanzierung durch Spenden stand auch“, sagt die CSU-Vorsitzende Angelika Kästner. Eine Gemeinderätin des Bürgerblocks hatte allerdings laut Chronologie der Verwaltung schon im April einen kleinen Bike-park in Thansau beantragt.
Einstimmig auf
den Weg gebracht
Diese beiden ähnlichen Anträge brachten den Ball ins Rollen. Im Juni 2021 beschloss der Gemeinderat ohne Gegenstimme, grundsätzlich Überlegungen anzustellen für Freizeitmöglichkeiten außerhalb der Vereine. Die Gemeindeverwaltung suchte nach einem Standort, fand ihn am Sportplatz neben der Autobahn und begann mit den Planungen.
Im Januar 2022 stellte die Verwaltung den Standort Sportplatz vor, mit Dirttrack und asphaltiertem Pumptrack. Der Gemeinderat war mit großer Mehrheit dafür, es gab nur zwei Gegenstimmen. Dass ein Förderantrag gestellt wird, wird in der selben Sitzung gegen eine Stimme beschlossen. Thilo Frank war mit Schwiegermutter und Sohn in der Sitzung. „Ich habe mich riesig gefreut, dass für Kinder und Jugendliche in der Corona-Spätphase endlich etwas passiert“, sagt er. Und er meldete sich zur Mitarbeit im Arbeitskreis.
Auch die vom Landratsamt geforderte Bauleitplanung wurde mit 13 gegen vier Stimmen beschlossen. Als dann im Februar dieses Jahres die Vergabe der Arbeiten erfolgen soll, stimmen CSU, Freie Wählergemeinschaft (FWG) und Freier Wählerblock (FWB) Höhenmoos-Achenmühle dagegen. Die gemeinsamen elf Stimmen reichten für die Ablehnung.
Da die aber ohne Begründung erfolgte, war eine weitere Sitzung nötig. Denn eine Ausschreibung muss ordentlich beendet beziehungsweise zurückgezogen werden.
Bürgermeister Simon Hausstetter (Bürgerblock) berief für Ende April eine Sondersitzung ein. Die Aufhebung der Ausschreibung geschah dann mit der offiziellen Begründung der um mehr als 20 Prozent gestiegenen Kosten.
Schon zuvor waren aus den Reihen der CSU Stimmen laut geworden, die andere Argumente als die Kosten anführten. So sagte die CSU-Ortsvorsitzende Angelika Kästner im Gespräch mit dem OVB, dass der Bikepark nach dem Ende der Corona-Pandemie seine Berechtigung verloren habe. Zumal nun auch der Autobahnausbau vor der Tür stehe. Dann sei auch die Frage, wer sich um die Pflege des Sportparks kümmere. Außerdem finde sie den Standort gefährlich: zu viel Verkehr und zu abgelegen. Überteuert sei das Projekt sowieso.
Neue Diskussion
angeregt
Hausstetter warb im Gemeinderat dafür, die Frage Bikepark noch einmal neu und ergebnisoffen zu diskutieren. Schließlich, so Hausstetter, sei man einstimmig der Überzeugung gewesen, dass für die Kinder vereinsunabhängige Freizeitmöglichkeiten geschaffen sein sollten. Darüber sollte, so meinte er, doch auch heute noch Konsens bestehen.
Dem scheint nicht so. Frank und Habersetzer berichten übereinstimmend von einer angespannten Atmosphäre in der Sitzung. Beide hatten den Eindruck, dass die Räte von CSU, FW und FWB gar nicht zuhören wollten, für keinerlei Argumente empfänglich waren. „Wenn man seine Meinung während des Prozesses ändert, kann man doch wenigstens inhaltlich diskutieren. Aber daran hatten sie gar kein Interesse. Traurig“, sagt Frank.
Die Gründe für die Ablehnung fand nicht nur Habersetzer wenig stichhaltig. Immer wieder sei – neben den Kosten – wiederholt worden, dass es für Lkw-Fahrer zu leicht wäre, Kinder über die Autobahn zu entführen. „Wenn an einem gut einsehbaren Ort viele Menschen versammelt sind – was soll dann passieren?“, fragt der Arzt. „Haarsträubend“ findet Frank das Entführungs-Argument. Jugend-Fußballtraining gab es dort schon vor Jahrzehnten, „da ist es diesen Leuten egal. Ein Kind ist dort in all den Jahren nicht weggekommen.“
Hochemotionale
Stimmung
Thilo Frank ist noch Wochen später entsetzt über das Verhalten mancher Gemeinderatsmitglieder. Wann immer jemand versucht habe zu argumentieren, sei geschrien worden, das Projekt „ist tot“, es „ist begraben“. Die Stimmung sei hochemotional gewesen. Er habe den Eindruck gehabt, so Frank, dass es gar nicht um die Sache gegangen sei, sondern um Gräben zwischen CSU und Bürgerblock. „Ausgetragen wurde das auf dem Rücken der Kinder.“
Vor der Abstimmung fragte Bürgermeister Hausstetter das Gremium, ob vielleicht zwei beliebig ausgewählte aus den gut hundert Zuhörern ein Rederecht bekommen könnten. Zu einer Abstimmung darüber kam es nicht mehr, weil Sebastian Hauser (CSU) einen Antrag zur Geschäftsordnung stellte, mit dem Ziel einer sofortigen Abstimmung ohne weitere Diskussion. Ein solcher Antrag stoppt alles Weitere.
Hausstetter stellte daraufhin den Beschlussvorschlag der Verwaltung vor. Danach sollte das Verfahren auf den Status vom Juni 2021 zurückgesetzt werden, eine Arbeitsgruppe aus Vertreter des Gemeinderates und der Bürger solle sofort Gespräche und Planung aufnehmen. CSU, FWG und FWB – insgesamt elf Männer und Frauen – stimmten gegen weitere Überlegungen in Sachen Bikepark; Bürgerblock und SPD stimmten dafür. Sie haben aber nur neun Stimmen. Damit war er begraben, der Rohrdorfer Bikepark.