Von wegen althergebracht

von Redaktion

Podiumsdiskussion in Sachrang – Tracht ist laut Alexander Wandinger in ständiger Veränderung

Aschau – „Wir hier im Priental haben es leicht mit der Tracht, man wächst von frühester Kindheit hinein, die Tracht ist allgegenwärtig und man ist immer gut angezogen“: Thomas Bauer vom Heimat- und Geschichtsverein Aschau fasste im Erkersaal der Alten Schule in Sachrang zum Einstieg in den Abend unter dem Motto „Gwand und Tracht in Priental“ kurz den Stellenwert der Tracht im Chiemgau zusammen.

Herr über 20000
Kleidungsstücke

Mit Alexander Wandinger, Leiter des Trachten-Informationszentrums des Bezirks Oberbayern und Herr über 20000 Kleidungsstücke aus 200 Jahren, hatte sich der HGV einen echten Experten als Referenten zum Thema Tracht, Trachtenbewegung und Trachtensache nach Sachrang geholt.

Als Vertreter der Prientaler Trachtenvereine saßen Moderatorin Katrin Thaurer aus Niederaschau, die beiden Trachtenwartinnen Monika Stein aus Hohenaschau und Rita Klampfleitner aus Niederaschau sowie der Vorsitzende des Sachranger Trachtenvereins Sachrang Bernhard Bauer auf dem Podium.

Anderthalb Stunden lang machte Wandinger einen Husarenritt durch 200 Jahre Trachtenbewegung und ihre Herkunft, von der Hirschledernen des Lehrer Vogel bis zum Herbstfestdirndl der letzten Saison, er zerpflückte viele Sagen und Legenden rund um die Tracht und die vermeintlich guten uralten Bräuche und zeigte immer wieder auf, wie Zeitgeist, Mode und Geld die Trachtenbewegung und das Gwand beeinflussen.

„Die Tracht der Gründerzeit der Vereine waren in keiner Weise einheitlich, sondern hing noch sehr stark vom persönlichen Geschmack und vom Geldbeutel des einzelnen ab“, so Wandinger. Mit der Gründung des Königreiches Bayern, wurde es notwendig ein Nationalbewusstsein zu schaffen. Das versuchtedie Obrigkeit über die Schaffung von nationalen Kostümen und nationaler Musik.

Mit der Entdeckung des Menschen auf dem Lande, mit der „Rettung der Lederhose“ und der Gründung des ersten Trachtenvereins 1883 begann dann eine neue Ära für die Trachtenbewegung. Sie stützte sich nicht auf Bürger und Bauern, sondern entwickelte sich bei den kleinen Leuten, aus dem bäuerlichen Gesinde, aus Handwerkern und aus der Arbeiterbewegung. Dementsprechend waren die Mitglieder (übrigens nur Männer) eher im linken politischen Spektrum anzusiedeln und damit politisch verdächtig für Zentrumspartei, Kirche, Bürger und Bauerntum.

Bei den heutigen Trachtenvereinen stellt sich immer wieder die Frage: Was ist Original und was kam in vielen Jahren dazu? Auf frühen Bildern ist nichts von der Einheitlichkeit heutiger Vereine zu sehen. Jeder trug das Gewand, das er hatte, die Joppen waren einheitlich grau. Grün- und blaugrün gefärbtes Tuch stand nicht zur Verfügung, der Hut war in Form und Farbe, wie er dem Besitzer gefiel. Die Frauentrachten wie Röcke, Kassettl oder Schalk entwickelten sich erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu ihrem jetzigen Aussehen. Nur das Miedergwand war bis dahin allgemein verbreitet.

Dabei wandelte sich auch „die Tracht“ in der Vergangenheit immer wieder, etwa im Rhythmus von 30 Jahren. „Stets war die große Mode das Vorbild für die Kleidung auf dem Land und was in der Stadt chic war, kam auch mit einiger Verspätung aufs Land“, so Wandinger.

Doch die Trachtenbewegung lässt sich nicht nur auf die Kleidung reduzieren, so Wandinger. Die Wurzeln reichen weit zurück in das späte 19. Jahrhundert, in denen die jungen Trachtenvereine ihre Regeln, ihr Auftreten und ihre Bräuche von den Veteranenvereinen, den Feuerwehren und den Schützenvereinen übernahmen. Bezeichnungen wie Feldmesse, Feldaltar, Fähnrich und Fahnenabordnung leiten sich aus dem militärischen Gebrauch der Kaiserzeit und von den anderen Vereinen im Ort ab, ebenso die Marschformationen bei den Festzügen, die Einteilung in Züge oder die Dreierreihen im Festzug.

Kann sich die jetzt festgelegte Tracht in den Vereinen überhaupt noch verändern, ohne alle Regeln zu brechen? „Bekleidung und mit ihr die Tracht sowie die Anlässe, zu denen Tracht getragen werden entwickeln sich immer weiter. Die verschiedenen Farben und Formen der Joppen waren von den Vereinen lediglich als Alleinstellungsmodell gedacht, als man sich von der Farbe und vom Schnitt her einheitliche Joppen für alle leisten konnte.“

Minidirndl
der 70er-Jahre

Veränderungen in den Vereinen gab es stets – bezeichnend das Minidirndl der 70er-Jahre – eine Frage was richtig und was falsch ist, stellt sich bei Bekleidung nicht, solange es im privaten Rahmen abläuft. Um einen gewisse Richtschnur zu haben, haben die Vereine Regeln für ihre Mitglieder erlassen. Ob sie aber befolgt werden, hängt wieder ganz alleine von den Leuten ab. „Tracht und das was dafür gehalten wird, ist „total in“, sei es bei Politikern oder sei es auch nur als Partykleidung bei den vielen Festen in der Region.“

„Lederhose und Dirndlgwand waren vor 20 Jahren auf dem Oktoberfest nicht zu sehen, heute ist Trachtenbekleidung allgegenwärtig auf Festen, weit über die Grenzen Bayerns hinaus. Mit dieser Kleidung entstehen wieder neue Bräuche und Regeln, wie das Binden der Schürzenbänder und so geht es mit neuen Kleidern und neuen Trends alle paar Jahre auch immer wieder zu etwas Neuem“.

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