Raubling/Traunstein – „Es kommt landesweit regelmäßig zu Sprengstoffanschlägen und gewalttätigen Auseinandersetzungen, auch mit Schusswaffengebrauch“, heißt es auf der Seite des Auswärtigen Amtes zu Myanmar. Für den Staat in Südostasien besteht eine Reisewarnung, denn seit 2021 hat das Militär in einem Putsch die Macht übernommen.
Prägung vom
Urgroßonkel
Die HNO-Ärzte Eberhard Biesinger aus Traunstein und Marlene Speth aus Raubling waren vor dem Militärputsch in Myanmar, um auf ehrenamtlicher Basis Ärzte vor Ort auszubilden als „Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt Speth. Eberhard Biesinger hatte dazu bereits vor mehr als zehn Jahren den Verein „European Association of Global Lecturing ENT“ (EAGLE) gegründet und fuhr jährlich mit einem kleinen Team nach Myanmar, dem sich später auch Marlene Speth anschloss.
Biesingers Urgroßonkel habe als Missionar in Brasilien gelebt und mit ihm habe er „als junger Kerl“ Briefkontakt gehalten. „Das hat mich irgendwie geprägt“, sagt der heute 70-Jährige. Als er Arzt wurde, habe er sich an diese Prägung erinnert und zu sich gesagt: „Also ich muss raus, ich muss da auch etwas tun in armen Ländern. Ich möchte Kollegen in ärmeren Ländern ausbilden.“
Für seine Einsätze im Ausland wollte sich der HNO-Arzt auf die Mittelohrchirurgie und hörverbessernde Operationen, gerade bei Kindern, spezialisieren. „Allerdings stellte sich heraus, dass in Myanmar die Kollegen gar keine Mittel zum Operieren zur Verfügung haben“, erinnert sich Biesinger. So habe es an den grundlegenden Instrumenten und einem Mikroskop zum Operieren gefehlt.
„Also bin ich ganz frustriert damals wieder nach Traunstein heimgekommen“, sagt Eberhard Biesinger. Als er seinem Nachbarn, einem Ingenieur, von den Problemen vor Ort erzählte und von seinem Wunsch, ein tragbares Mikroskop zu haben, mit dem sich Mittelohrchirurgie durchführen ließe, entwickelte dieser kurzerhand eines. Mittels der Finanzierung auf Spendenbasis und durch den Verein EAGLE konnte so der Grundstein für einen jahrelangen medizinischen Austausch und zahlreiche Operationen geschaffen werden.
2020 kam es aufgrund der Pandemie zur ersten Unterbrechung der jährlichen Reisen „und dann kam dieser grässliche Putsch“, sagt Biesinger, „dann standen wir vor der Situation, dass wir nicht mehr hinkommen können, wollten aber die Kollegen, da haben sich natürlich Freundschaften gebildet, nicht im Stich lassen.“ Einige der Kollegen in Myanmar seien in den Untergrund abgetaucht, sagt Marlene Speth, andere würden aus verschiedenen Gründen für das Militär arbeiten müssen. „Dann haben wir gesagt: ‚Es gibt ja trotzdem medizinische Probleme, die sie auch gerne besprechen würden oder die man gerne auch mit der Gruppe bespricht.‘“
Um den Austausch und die Weiterbildung dennoch zu ermöglichen, haben Speth und Biesinger die Online-Plattform „Carematters“ ins Leben gerufen. Die Plattform biete wöchentliche Zoom-Calls, bei denen Ärzte anonym bleiben können, sowie monatliche Vorträge zu verschiedenen medizinischen Themen. „Diese Vorträge sind für die Öffentlichkeit und jeden, der medizinisch interessiert ist“, sagt Speth. Sie sollen dazu beitragen, dass Ärzte sich gegenseitig unterstützen können.
Plattform
für Vorträge
„Mittlerweile sind Ärzte aus Konfliktgebieten und Nicht-Konfliktgebieten dabei“, führt die 38-Jährige aus. Jeder dürfe teilnehmen und es werde ausschließlich über medizinische Themen gesprochen – keine Politik. „Die Planung, Durchführung, Organisation, Website und Betreuung ist alles ehrenamtlich“, sagt die Ärztin. Die Teilnahme an den Vorträgen erfolge über das Kontaktformular auf der Homepage www.carematters.de und ist kostenlos.